Vom Handwerks- zum Industriebetrieb: Logistikkonzepte für den Holzfertigbau

Fertigungsinsel für Holzrahmenhäuser ©Fraunhofer IPA

Den Durchsatz um 20 Prozent erhöht und die Durchlaufzeiten um 40 Prozent verringert: Neue Logistikkonzepte helfen Handwerksbetrieben auf dem Sprung zur industriellen Fertigung von Holzhäusern. Sie sind das Ergebnis eines BMBF-Projekts zur Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), an dem zwei Fertighaushersteller sowie drei Maschinen- und Anlagenbauer beteiligt waren.

Holzfertighäuser und Autos können mehr gemeinsam haben, als man denkt – zumindest, wenn es nach den Partnern des BMBF-Verbundprojekts „Entwicklung eines modellhaften Logistikkonzeptes zur Durchsetzung des integrierten Umweltschutzes in der Holzwirtschaft“ geht. Ingenieure des Fraunhofer IPA haben mit führenden Unternehmen der Branche ein ganzheitliches Logistikkonzept für kleine und mittelständische Holzfertighausbauer entwickelt. Es basiert auf einem Plattformkonzept, wie es die Automobilindustrie bereits erfolgreich einsetzt: Standardisierte Bauelemente, die so aufeinander abgestimmt sind, dass sie – einmal von den offiziellen Stellen zugelassen – ohne größeren Aufwand in unterschiedliche Modellreihen eingebaut werden können. Bleibt beispielsweise die Konstruktion des Tragwerks der Häuser immer gleich, müssen die statischen Berechnungen nicht für jedes Haus neu, sondern nur einmal für die Plattform berechnet werden. Dasselbe gilt für die behördliche Abnahme.

Als wesentliche Komponenten der Fertighaus-Produktplattform kristallisierten sich Grundriss und Tragwerk, Treppe und Installation sowie „Andockmodule“ wie Erker, Dachgauben oder Balkone heraus. Unabhängig von Hersteller und Haustyp lässt sich diese Systematik generell auf Häuser auf Holzrahmenbasis anwenden. „Der wesentliche Vorteil des Plattformkonzepts ist eine vereinheitlichte technische Basis für sehr unterschiedliche Endprodukte“, erklärt IPA-Projektleiter Norbert Cottone „Das reduziert Entwicklungszeiten und spart Kosten.“

Im ersten Halbjahr 2000 wurden Deutschland nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Fertigbau (BDF) etwas mehr als 92 000 Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser erteilt, davon rund 12 000 für Häuser in Fertigbauweise. „Die meisten Fertighäuser entstehen bereits in Holzrahmenbauweise. Da Holz im Gegensatz zu anderen Baustoffen ein umweltfreundlicher, nachwachsender Rohstoff ist, soll der Anteil der Holzhäuser nach dem Willen des BMBF weiter erhöht werden“, sagt Cottone. Es sind bislang kleine und mittelständische Unternehmen, die diesen Markt bedienen. Viele sind dabei, sich vom Handwerks- zum Industriebetrieb zu wandeln, weg vom Hersteller individueller Einzelprodukte hin zum Produzenten variantenreicher Kleinserien. „Mass Customization“ heißt auch hier das Zauberwort und das Plattformkonzept kommt dieser Philosophie entgegen. Der Wandel zum Industriebetrieb funktioniert jedoch nur mit neuen Produktionsstrukturen, einer angepassten Automatisierung und unternehmensübergreifenden Kooperationen. „Für die Fertighausbranchen sind Vertriebs-, Beschaffungs-, Service-, FuE- sowie Montagenetzwerke hochinteressant“, hat Cottones Mitarbeiter Claus-Peter Eberhardt festgestellt.

Neben Aspekten der Gesamtlogistik nahmen Cottone und sein Team vor allem die innerbetriebliche Logistik unter die Lupe. Die heutigen logistischen Abläufe in einem Unternehmen der Fertighausbranche sind durch eine Vielzahl komplexer und unübersichtlicher Abläufe in den Informations- und Materialflussprozessen gekennzeichnet. Zur besseren Strukturierung und Erhöhung der Transparenz vor allem in der Produktion schlagen die Fraunhofer-Forscher deshalb die Segmentierung vor: entweder vertikal entlang der Prozesskette in Vorfertigung, Elementmontage sowie Verpackung und Versand oder horizontal nach Produkttypen, entsprechend des Grundgedankens von der „Fabrik in der Fabrik“.

Ein wesentliches Element des verbesserten Logistikkonzepts ist die prozessgerechte Ablaufgestaltung. Basierend auf Analysen des bisher üblichen Material- und Informationsflusses entstand ein modulares, bibliotheksbasiertes Simulationspaket, das in die Simulationsumgebung Simple++ implementiert wurde. Das Paket bildet den gesamten logistischen Wertschöpfungsprozess ab. Innerbetriebliche Prozesse sind bereits detailliert beschrieben. Es kann jederzeit um die Bereiche Baustellenlogistik und Auftragsabwicklung erweitert werden. „Durch die Abbildung aller Systemkomponenten in einer Bibliothek, die strenge Strukturierung und Abgrenzung der Systeme und Subsysteme sowie der Schnittstellen ist es möglich, aus diesem ’Baukasten’ sehr schnell ein konkretes Modell zu erzeugen“, erklärt Cottone. Er und sein Team testeten verschiedene logistische Steuerungskonzepte an einem branchentypischen Modellbetrieb und konnten dabei den Durchsatz durch die Produktion um 20 Prozent erhöhen, die Durchlaufzeiten der Aufträge um 40 Prozent verringern und der Anteil der nicht termingerecht gelieferten Aufträge sank ebenfalls um 40 Prozent.

Das Forschungsprojekt lief von Oktober 1999 bis September 2001 unter Beteiligung der beiden Haushersteller Baufritz GmbH & Co., Erkheim, und Carl Platz GmbH & Co., Saulgau, der Werkzeug- und Holzmaschinenbauer Weinmann + Partner GmbH, St. Johann, und Hans Hundegger Maschinenbau GmbH, Hawangen, sowie der Hammer Abbundtechnik GmbH, Fichtenberg.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Dipl.-Ing. Norbert Cottone
Telefon: 0711/970-1218, Telefax: 0711/970-1008, E-Mail: noc@ipa.fhg.de

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Dipl.-Ing. Michaela Neuner idw

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