Bionische Decke: Vom Knochen zur Stahlbetondecke
Als der Architekt Hans-Dieter Hecker in den 1960er Jahren den Rundbau des ehemaligen Zoologie-Hörsaals der Universität Freiburg plante, orientierte er sich an Prinzipien aus der Natur: Bei den Knochen von Lebewesen schaute er sich ab, wie ein Bauwerk zugleich stabil und leicht sein kann.
Prof. Dr. Thomas Speck, Dr. Olga Speck und Florian Antony von der Plant Biomechanics Group an der Fakultät für Biologie der Universität Freiburg sowie Prof. Dr. Rainer Grießhammer vom Freiburger Öko-Institut haben eine vergleichende Nachhaltigkeitsbewertung der Decke des Rundbaus im Vergleich mit heute verwendeten Leichtbaukonstruktionen für Gebäudedecken vorgenommen.
Ihr Ergebnis: Die Deckenkonstruktion des Hörsaals kann mit dem aktuellen Stand der Technik mithalten. In der Fachzeitschrift „Bioinspiration & Biomimetics“ hat das Team seine Resultate veröffentlicht.
Ein Knochen besteht im Inneren aus einem Netz von Knochenbälkchen, die sich nur an belasteten Stellen bilden. Die Stahlbetondecke des Hörsaal-Gebäudes besteht aus vielen Rippen, die ebenso wie die Knochenbälkchen nur entlang der Linien verlaufen, auf die Druck- und Zugkräfte wirken. Somit handelt es sich um ein bionisches Bauwerk, denn der Architekt übertrug Erkenntnisse aus der biologischen Forschung in eine technische Anwendung.
Die Freiburger Forschenden prüften in ihrer Arbeit, ob die „Knochendecke“ als bionisches Produkt zu einer nachhaltigeren Technikentwicklung beitragen kann. Sie verglichen in ihrer Analyse die Decke des Rundbaus mit einer Hohlkörperdecke und einer Spannbetondecke, zwei heute gängigen Lösungen für Leichtbaukonstruktionen.
Das Team erstellte zu jeder Deckenkonstruktion eine Ökobilanz, diskutierte soziale Aspekte und bewertete, wie ökonomisch die Objekte sind. Das Ergebnis ihrer Nachhaltigkeitsbewertung ist, dass die bionische Rippendecke vergleichbar gute Ergebnisse zeigt. Für die Forschenden ist dies aufgrund des Altersunterschieds der Gebäudedecken ein überraschendes Ergebnis.
Einzig im finanziellen Aufwand zeigt sich ein wesentlicher Unterschied: Die hohen Personalkosten für die aufwändige Rippendecke führen dazu, dass die bionische Lösung mehr als doppelt so teuer wie die Hohlkörperdecke und die Spannbetondecke ist. Das Forschungsteam betont jedoch die besondere architektonische Ästhetik des Hörsaals. Darüber hinaus habe die nach biologischem Vorbild gestaltete Decke einen besonderen Symbolcharakter, da in dem Hörsaal früher Biologinnen und Biologen ausgebildet wurden.
Originalpublikation:
F. Antony, R. Grießhammer, T. Speck & O. Speck (2014): Sustainability assessment of a lightweight biomimetic ceiling structure. – Bioinspir. Biomim. 9, 016013, doi:10.1088/1748-3182/9/1/016013: http://iopscience.iop.org/1748-3190/9/1/016013
Kontakt:
Dr. Olga Speck
Kompetenznetz Biomimetik
Botanischer Garten
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203- 2803
E-Mail: olga.speck@biologie.uni-freiburg.de
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