Cool White: Mit weißen Dächern die Folgen des Klimawandels mildern
Ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit in Ruanda weist deutlichen Kühlungseffekt von weißen Dächern nach.
Wo es eh schon heiß ist, wird die Klimaerwärmung zu einem besonders großen Problem: etwa in vielen Gebieten Afrikas. In Schulen oder Fabriken führt Hitze dazu, dass die Menschen sich krank fühlen und schlecht konzentrieren können. Klimaanlagen benötigen sehr viel Strom. Kühlsysteme sind weltweit für fast zwanzig Prozent des Stromverbrauchs und zehn Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich – Tendenz steigend. Eine einfache, aber äußerst wirkungsvolle Lösung präsentieren die Beteiligten eines Kooperationsprojektes, in dem der Bundesverband für Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) entsandten Business Scouts for Development der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zusammenarbeiten: Werden Dächer weiß gestrichen, kann Hitze effektiv nach oben reflektiert werden.
In dem Kooperationsprojekt hat der von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beauftragte Malermeister Heiko Herzog die Dächer von Schul- und Firmengebäuden in Ruanda mit drei unterschiedlich formulierten Farben jeweils weiß beschichtet. Die verwendeten Farben werden alle in den Einsatzländern hergestellt oder sind dort problemlos verfügbar. Zudem können lokale Handwerksbetriebe die Materialien dank ihrer Beschaffenheit gut verarbeiten. Während der ersten Beschichtung hat der Malermeister bereits zehn lokale Berufsschülerinnen und Berufsschüler geschult.
Die erste Reaktion von Ivan Shema, Fabrikeigentümer von Thousand Hills Products in Ruanda, war positiv: „Die Beschichtung auf unserem Dach ist wie Magie, es ist kühler im Inneren des Gebäudes, es ist schallisolierend und das Dach ist nicht mehr undicht.“ All dies war durch eine mit gemahlenem Altglas gefüllte, elastisch eingestellte und dickschichtig aufgetragene Farbe eines ruandischen Herstellers erzielt worden.
Um den Kühlungseffekt dieser weißen Farben auf den Dächern von Gebäuden in Ruanda quantitativ zu untersuchen, zeichneten Forschende der PTB, aus Ruanda und aus Südafrika die Temperatur- und Feuchtedaten über einen längeren Zeitraum, einschließlich verschiedener Jahreszeiten und längerer Regenzeiten, vor und nach dem Streichen auf.
Die PTB-Forschenden sind mit den Kühlungseffekten sehr zufrieden: Die Messungen, die auf den Mittelwerten der einzelnen Sensoren im Zeitraum von Januar 2023 bis heute basieren, ergaben einen deutlichen Temperaturabfall nach dem weißen Anstrich. Die in einem Fabrikgebäude tagsüber während der wärmsten sechs Stunden beobachteten Temperaturen verringerten sich unter dem Dach um 9,2 °C (gemittelt über 4 Monate) und im Innenraum um 2,3 °C.
Für die Arbeitsbedingungen ergibt sich ein doppelt positiver Effekt. Denn nicht nur die tatsächliche Raumtemperatur ist hier entscheidend, sondern auch die deutliche Verringerung der infraroten Wärmestrahlung von der Raumdecke. Dies beeinflusst das subjektive Temperaturempfinden positiv.
PTB-Wissenschaftler Albert Adibekyan erklärt den Kühlungseffekt der weißen Farben bei Sonnenschein: „Passive radiativ kühlende Materialien ermöglichen es im Idealfall, selbst bei direkter Sonneneinstrahlung ohne zusätzliche Klimatisierung Temperaturen unterhalb der Umgebungstemperatur zu erreichen. Sie verdanken dies ihren optischen Eigenschaften, die Sonnenstrahlung sehr effektiv reflektieren und gleichzeitig Wärme durch das Infrarot-Transparenzfenster der Erdatmosphäre ableiten.“ Am 7. August 2023 wurde beispielsweise eine Verbesserung von 20,4 °C unter dem Dach erreicht: Während die Temperaturen unter dem ungestrichenen Schuldach 50,2 °C betrugen, zeigte das Thermometer unter dem gestrichenen Schuldach eine Temperatur von 29,7 °C.
PTB-Fachbereichsleiter Christian Monte bestätigt den Erfolg von „Cool White“: „Mit der Aufbringung von weißen Farben auf Dächern verbessern sich die Bedingungen für Schülerinnen und Schüler oder Arbeiterinnen und Arbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern entscheidend. Außerdem schafft der entstehende Kühlungseffekt ein hohes Potenzial für Energieeinsparungen, weil nicht notwendige Gebäudeklimatisierungen wegfallen.“
Cool White ist auch Referenzprojekt des EU-Forschungskonsortiums PaRaMetriC, das im Rahmen der European Partnership in Metrology (EPM) gefördert wird. Darin entwickeln Forschende an europäischen Metrologieinstituten (wie der PTB) neue Methoden, mit denen die Leistung erneuerbarer Kühlmethoden vergleichend bewertet werden können. In diesem Zusammenhang führen sie auch Alterungstests durch und berechnen Energieeinsparungen, von denen wiederum das Projekt „Cool White“ unmittelbar profitiert. Beispiele sind Alterungstests an den gestrichenen Gebäuden und Berechnungen, wie viel Energie sich durch die weißen Dächer mittelfristig sparen lässt.
Im nächsten Schritt sollen noch mehr Personen beteiligt werden. Dazu gehört auch die Entwicklung eines Ausbildungsprogramms für Fachkräfte aus Entwicklungs- und Schwellenländern, um mit vor Ort erhältlicher Farbe möglichst viele Dächer und Flächen weiß zu streichen.
(es/ptb)
Weitere Informationen zum Programm PaRaMetriC:
• auf den Seiten von Euramet, dem Zusammenschluss europäischer Metrologieinstitute:
https://www.euramet.org/research-innovation/search-research-projects/details/pro…
• Homepage des Programmes PaRaMetriC: https://parametric.inrim.it/home
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Albert Adibekyan, PTB-Arbeitsgruppe 7.32 Infrarot-Radiometrie, Telefon: (030) 3481-7771, albert.adibekyan@ptb.de
Dr. Christian Monte, Leiter des PTB-Fachbereichs 7.3 Detektorradiometrie und Strahlungsthermometrie, Telefon: (003) 3481-7246, christian.monte@ptb.de
Laura Donath, PTB-Referat 9.31 Europa, Südkaukasus, Zentralasien, Telefon: (0531) 592-9341, laura.donath@ptb.de
Weitere Informationen:
https://www.euramet.org/research-innovation/search-research-projects/details/pro… • Informationen auf den Seiten von Euramet, dem Zusammenschluss europäischer Metrologieinstitute
https://parametric.inrim.it/home • Homepage des Programmes PaRaMehttps://www.ptb.de/cms/presseaktuelles/journalisten/nachrichten-presseinformationen/presseinfo.html?…triC
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