Einweihung des weltweit ersten Passiv-Hochhauses in Freiburg-Weingarten

Freiburg-Weingarten, Bugginger Straße 50: Hier steht das weltweit erste Hochhaus mit Passivstandard. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat die energetische Sanierung wissenschaftlich begleitet und analysiert bis 2013 den Realbetrieb des Gebäudes.<br>©Fraunhofer ISE<br>

Über sechzehn Stockwerke ragt das weltweit erste nach Passivhausstandard sanierte Hochhaus im Freiburger Stadtteil Weingarten in den Himmel. Nach eineinhalbjähriger Sanierung ziehen alte und neue Mieter in die Bugginger Straße 50 ein.

Mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE wurde der Primärenergiebedarf für Beheizung, Trinkwassererwärmung, Lüftung, Beleuchtung und Haushaltsstrom um 40 Prozent gesenkt. Auch nach der offiziellen Einweihung am 21. April setzen die Fraunhofer-Forscher ihre wissenschaftliche Arbeit fort. Sie erfassen und analysieren über zwei Jahre den Energieverbrauch des Gebäudes im realen Betrieb. Die Ergebnisse haben, wie das gesamte Projekt, Modellcharakter und sollen zukünftig in vergleichbare energetische Sanierungsvorhaben einfließen.

Um ein eng besiedeltes Gebiet mit unterschiedlichen Häusertypen in ein klimaneutrales Quartier umzuwandeln sind energieeffiziente Gebäude, die lokale Nutzung von Solarenergie und eine energieeffiziente Gesamtversorgung auf Basis erneuerbarer Energien entscheidend. Der Freiburger Stadtteil Weingarten, ein typisches Beispiel für ein Quartier aus den sechziger Jahren, bietet ideale Voraussetzungen ein solches zukunftsweisendes Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Gemeinsam haben sich die Freiburger Stadtbau GmbH, die badenova WÄRMEPLUS und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE zum Ziel gesetzt, den Primärenergiebedarf des Stadtteils bis zum Jahr 2020 um 50 Prozent zu reduzieren.

Mit der heutigen Einweihung des weltweit ersten Hochhauses im Passivhausstandard feiern kommunale Wohnungsbaugesellschaft, Energieversorger und Wissenschaftler einen wichtigen Meilenstein ihres Leuchtturmprojekts. Damit existiert erstmals ein Hochhaus, dessen Heizwärmebedarf nach Sanierung deutlich unter 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a) gesunken und mit dem eines neu gebauten Passivhauses vergleichbar ist. Der Heizwärmebedarf nach Sanierung liegt bei einem Fünftel des ursprünglichen Werts und wurde damit um 80 Prozent gesenkt.

Das Fraunhofer ISE hat im Rahmen des Planungs- und Bauprozesses verschiedene Konzepte und Technologien eingebracht. Basis des Sanierungskonzepts ist der Einbezug der alten Balkonflächen in den Wohnraum. Das Gebäude ist damit kompakter und die Wärmeverluste im Verhältnis zur Nutzfläche geringer. Die dadurch bedingten höheren Raumtiefen machten Untersuchungen zur Tageslichtversorgung notwendig. Zusammen mit Berechnungen des Energiebedarfs und des sommerlichen Wärmeschutzes wurden für die Planer Vorgaben zur optimalen Zonierung der Grundrisse und Gestaltung der Fassade erarbeitet, um einen möglichst hohen Komfort bei geringem Energiebedarf zu gewährleisten. Die großen, sturzfreien Fensterflächen lassen das Tageslicht tief in die Räume eindringen. Der außenliegende Sonnenschutz sorgt im Sommer dafür, dass die Sonne »draußen« bleibt und die Räume nicht zu warm werden. Zur Reduktion des Energiebedarfs wurden Fassade, Dach und Decken gedämmt sowie Dreifachverglasungen eingebaut. Besondere Aufmerksamkeit galt der Vermeidung von Wärmebrücken. Durch Aerogeldämmung konnten die Fraunhofer-Forscher Wärmebrückeneffekte an besonders kritischen Stellen minimieren. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt die Wohnung kontinuierlich mit frischer Luft. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von knapp 24 kW installiert.

Der Energieverbrauch des sanierten Gebäudes wird seit März 2011 vom Fraunhofer ISE gemessen. Einzelne Geschosse werden dabei sehr detailliert erfasst (Warmwasserbedarf, Haushaltsstrom, Heizung, Fensterkontakte). Die Messungen werden zwei Jahre dauern, die Ergebnisse anonymisiert erfasst.

Für die Senkung des Primärenergiebedarfs ist auch die Senkung des Haushaltstroms ausschlaggebend. Über die Verbrauchsentwicklung werden die Bewohner der Messgeschosse ständig informiert. Die Wärmebereitstellung des Stadtteils Weingarten basiert auf Kraftwärmekopplung (KWK), einer sehr guten und effizienten Versorgung, die in Zukunft durch eine weitere Erhöhung des KWK-Anteils verbessert werden kann. Auf Grund der optimierten Gebäudedämmung sinkt der Bedarf und wird im Jahresverlauf gleichmäßiger. Der Einsatz gasbetriebener Kessel kann reduziert werden. »Ziel des Gesamtprojekts ist es, für bestehende und künftige Stadtquartiere den Weg zu einer effizienteren und langfristig klimaneutralen Energieversorgung aufzuzeigen. Mit der schrittweisen Erneuerung des Stadtteils Weingarten werden die Voraussetzungen geschaffen, dezentrales Energiemanagement zu betreiben und so in Zukunft auf die wachsende fluktuierende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien zu reagieren«, so Florian Kagerer, Projektleiter am Fraunhofer ISE.

Über das Sanierungsprojekt »Weingarten 2020«

Der westliche Teil des 1965-1969 entstandenen Freiburger Stadtteils Weingarten wird im Zeitraum 2007 bis ca. 2020 in drei Abschnitten modernisiert. Das Areal, in dem rund 5800 Menschen wohnen, umfasst eine Fläche von etwa 30 ha. Im Sanierungsgebiet sind vier Gebäudetypen mit rund 1300 Wohnungen vorhanden: 16-geschossige Hochhäuser, acht- und viergeschossige Mehrfamilienhäuser sowie einige Nichtwohngebäude. Als erstes von vier Hochhäusern wurde in rund eineinhalb Jahren das jetzt neu eingeweihte Gebäude in der Bugginger Straße 50 energetisch modernisiert. Durch Optimierung der Gebäudehülle und Wärmedämmung wurde Passivhausstandard erreicht. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi förderte das Hochhausprojekt im Rahmen des Schwerpunkts »Energieeffiziente Stadt«.

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