HydroSKIN: Textile Gebäudehülle

Das Kernelement der HydroSKIN ist ein so genanntes Abstandsgewirke, zwei textile Lagen, die durch Fäden auf Abstand gehalten und dadurch gut durchlüftet werden.
Bild: Eisenbarth, Uni Stuttgart

… mindert Hochwasser- und Hitzerisiken in den Städten.

Stetig neue Hitzerekorde und vermehrte Starkregenereignisse sind Auswirkungen des Klimawandels, mit fatalen Folgen für die Städte und ihre Bewohner. Eine Wissenschaftlerin der Universität Stuttgart hat eine mögliche Lösung dafür: Leichte, textile Fassadenelemente mit dem Namen „HydroSKIN“ nehmen Regenwasser auf und geben in Hitzeperioden Wasser ab, um Gebäudeinnenraum und Stadtraum durch Verdunstung zu kühlen.

Stetig neue Hitzerekorde und vermehrte Starkregenereignisse sind Auswirkungen des Klimawandels, mit fatalen Folgen für die Städte und ihre Bewohner. Überschwemmungen und städtische Hitzeinseln ziehen nicht nur die Bevölkerung in Mitleidenschaft. Die durch Hochwasser verursachten Sachschäden an Gebäuden und Infrastruktur erreichen allein in Deutschland jährlich Milliardenhöhe.

Essenzieller Risikofaktor für katastrophale Klimaereignisse sind die hohe Flächenversiegelungsanteile in den Städten. Asphaltierte und betonierte Oberflächen absorbieren die eintreffende Solarstrahlung und wandeln diese in Wärme um. Im Gegensatz zu Grünflächen wird die Verdunstung von Wasser – und damit die natürliche Regulierung des Mikroklimas – durch versiegelte Straßen- und Gebäudeoberflächen zusätzlich eingeschränkt. Städtische Hitzeinseln entstehen.

Für Regenwasserreservoire und Retentionsbecken fehlt in innerstädtischen Gebieten der Platz. Eintreffendes Regenwasser muss fast zur Gänze in die Kanalisation abgeführt werden, wo es durch steigende Niederschlagsraten und vermehrt abflusswirksame, versiegelte Flächen zu einer Überlastung der Kanalisation mit schwerwiegenden Überflutungen kommt.

Dringend benötigt werden urbane Flächen zur Regenwasserrückhaltung und Regulierung des Mikroklimas durch Verdunstungskühlung – Flächen, die keinen kostbaren städtischen Lebensraum einnehmen, um dennoch wirksam und wirtschaftlich gegen die beiden immer akuter werdenden Klimagefahren vorzugehen.

Eine universell anwendbare Lösung zur Klimaanpassung der Städte hat nun Christina Eisenbarth vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) an der Universität Stuttgart hervorgebracht. Die Architektin hat ein hydroaktives Fassadensystem entwickelt, das als artifizielle Retentionsfläche in der Gebäudehülle fungiert.

Die leichten, textilen Fassadenelemente mit dem Namen „HydroSKIN“ nehmen das schräg auf die Gebäudehülle treffende Regenwasser auf und geben in Hitzeperioden Wasser ab, um Gebäudeinnenraum und Stadtraum durch Verdunstung natürlich zu kühlen. Die Größe der Elemente ist flexibel. Ihr minimales Flächengewicht ermöglicht eine einfache Montage an sämtlichen konventionellen Fassaden im Neubau sowie auch im Gebäudebestand.

Zur Zeit werden die hydroaktiven Fassadenelemente unter realen Witterungsbedingungen am D1244 Hochhaus der Universität Stuttgart getestet.
Bild: Eisenbarth, Uni Stuttgart

Das Kernelement der HydroSKIN ist ein so genanntes Abstandsgewirke, zwei textile Lagen, die durch Fäden auf Abstand gehalten und dadurch gut durchlüftet werden. Die hohe Luftzirkulation fördert die Verdunstung von Wasser und verstärkt den Kühleffekt der Fassade. Das Gewirke ist an der Außenseite von einer wasserdurchlässigen Textilhülle umgeben, die nahezu alle Regentropfen eindringen lässt und gleichzeitig das Gewirke vor Verunreinigungen durch Insekten und Blätter schützt. Eine Folie an der Innenseite leitet das Wasser in das untere Profilsystem ab. Von dort kann es, entweder in einem Reservoir gespeichert oder direkt im Gebäude genutzt, den Wasserverbrauch reduzieren. An heißen Tagen wird Wasser in das Fassadenelement zurückgeleitet, verdunstet dort und sorgt so für den natürlichen Kühleffekt durch Evaporation. Gekühlt wird nicht nur das Innere des Gebäudes, sondern auch die Umgebung.

Besonderes Potential für hydroaktive Gebäudehüllen bieten Hochhäuser. Nicht nur aufgrund ihrer immensen Fassadenfläche. Mit zunehmender Gebäudehöhe trifft der Regen durch die hohen Windkräfte als Schlagregen schräg auf die Gebäudefassade, so dass ab etwa 30 Metern Gebäudehöhe mehr regen auf die Fassade trifft als auf eine gleich große horizontale Dachfläche. Zum anderen verstärken die hohen Windgeschwindigkeiten den Verdunstungskühleffekt, wobei ein kühler Luftstrom entsteht, der abwärts in den Stadtraum zieht.

In Laboruntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Oberflächentemperatur der HydroSKIN Fassade durch den Effekt der Verdunstungskühlung um ca. zehn Grad gesenkt werden konnte. Nun werden die hydroaktiven Fassadenelemente unter realen Witterungsbedingungen am D1244 Hochhaus der Universität Stuttgart getestet: Fünf HydroSKIN-Elemente wurden im zehnten Stockwerk des adaptiven Hochhauses angebracht, wo durch umfangreiche Messeinrichtungen die Wasseraufnahmefähigkeit der Fassade bei Regen wie auch ihre Verdunstungsleistung in Hitzeperioden erfasst wird.

Die Erfindung wurde zum Patent angemeldet. Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH unterstützt die Universität Stuttgart bei der Patentierung und Vermarktung der Innovation. TLB ist mit der Verwertung der Technologie beauftragt.
Für weitere Informationen: Dr. Frank Schlotter (schlotter@tlb.de)

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Erfinderin Christina Eisenbarth (christina.eisenbarth@ilek.uni-stuttgart.de)

Weitere Informationen:

https://www.tlb.de/presse-news/presse-news-artikel/hydroskin-textile-gebaeudehue…

Media Contact

Annette Siller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Technologie Lizenz-Büro (TLB) der Baden-Württembergischen Hochschulen GmbH

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Architektur Bauwesen

Die zukunftsorientierte Gestaltung unseres Wohn- und Lebensraumes erhält eine immer größer werdende Bedeutung. Die weltweite Forschung in den Bereichen Architektur und Bauingenieurwesen leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Nachhaltiges Bauen, innovative Baumaterialien, Bautenschutz, Geotechnik, Gebäudetechnik, Städtebau, Denkmalschutz, Bausoftware und Künstliche Intelligenz im Bauwesen.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…