Schnellere Bauverfahren durch Digitalisierung

Planen und bauen: Wien wird Digitalisierungs-Vorreiter
Bild: TU Wien

Wien soll mit dem Digitalisierungsprojekt BRISE-Vienna zum internationalen Vorreiter werden.

Bauverfahren sind kompliziert. Selbst für Profis ist es mit großem Aufwand verbunden, einen Überblick über alle Gesetze, Vorschriften und Regeln zu bewahren, die es bei einer baubehördlichen Einreichung zu beachten gilt. Und so vergeht oft fast ein Jahr, bis ein baubehördliches Verfahren abgeschlossen ist. Das soll sich nun ändern.

Die Stadt Wien arbeitet gemeinsam mit der TU Wien, dem Planungsbüro ODE – office for digital engineering, der ZT-Kammer (W, Nö, Bgld) und der WH-Media daran, baubehördliche Abläufe zu digitalisieren und damit viel schneller und einfacher zu machen. Im Projekt BRISE (Building Regulations Information for Submission Envolvement) setzt man computergestützte Datenanalyse, Prüfroutinen, künstliche Intelligenz und Augmented Reality ein. So entstand in den letzten Jahren ein Paket an Werkzeugen, das sowohl beim Antragstellen als auch beim Antragprüfen wertvolle Assistenzleistung bieten kann. Nun beginnt die Testphase, in der Bauanträge erstmals probeweise mit dem digitalen System bearbeitet werden können.

Das digitale Gebäude

Wenn heute Gebäude am Computer geplant werden, wird dort viel mehr eingegeben als bloß die Geometrie der Wände. „Man spricht von Building Information Modeling, kurz BIM“, erklärt Prof. Christian Schranz vom Zentrum Digitaler Bauprozess der TU Wien. „Dabei werden alle relevanten Bauwerksdaten digital erfasst – vom Grundriss über den Zweck, den bestimmte Räume erfüllen sollen, bis zur Haustechnik oder der Position von Feuerlöschern.“

Für diese umfangreichen Datenmodelle des Gebäudes gibt es definierte, offene Standards. Somit kann man all diese digital vorhandenen Daten auch nutzen, um das Prüfverfahren einfacher zu machen. Künstliche Intelligenz wird dabei zum automatisierten Assistenten, der bestimmte Daten für die eigentliche Prüfung vorab aufbereitet. Verantwortlich für die Forschung und Entwicklung der künstlichen Intelligenz in diesem Projekt ist Prof. Allan Hanbury an der TU Wien.

„Wenn bekannt ist, welcher Raum welche Funktion hat, dann lässt sich etwa automatisch überprüfen, ob die Türen auch breit genug sind und den gültigen Bauvorschriften entsprechen“, erklärt Harald Urban, der an der TU Wien am BRISE-Projekt arbeitet. „Auch die Länge von Fluchtwegen lässt sich automatisch berechnen – für die zuständigen Behörden ist das eine große Erleichterung.“

Künstliche Intelligenz: Vom Text zur Computer-Regel

Allerdings ist es schwierig, jede Bauvorschrift in Code zu packen, den der Computer verstehen kann: Die baubehördlichen Vorschriften sind über Jahrzehnte gewachsen. Über Generationen wurden oft lokal für bestimmte Gebäude oder Häuserblocks bestimmte Vorschriften schriftlich festgehalten. Daher musste künstliche Intelligenz angelernt und eingesetzt werden, die diese Vorschriften erfasst und in überprüfbare Daten übersetzt. „Vielleicht wurde beispielsweise irgendwann festgelegt, dass das Dach an einer bestimmten Stelle hofseitig nur ein Gefälle von maximal 30 % haben darf. Die künstliche Intelligenz muss diese Daten finden und verstehen, dann kann anhand des digitalen Gebäudemodells sofort mittels einer entwickelten Prüfroutine automatisch untersucht werden, ob diese Regel auch tatsächlich eingehalten wurde“, erklärt Christian Schranz.

Nicht alle Vorschriften sind so formuliert, dass sie in eine computertaugliche Formel gepackt werden können. „Wenn etwa vorgeschrieben ist, dass in ausreichender Anzahl Feuerlöscher vorhanden sein müssen, dann kann der Computer natürlich nicht alleine beurteilen, was das bedeuten soll“, sagt Harald Urban. „Entweder man findet eine präzise Definition dafür, oder man lässt das wie bisher von Menschen einschätzen. Allerdings kann ein Softwaretool auf Knopfdruck die Standorte von Feuerlöschern anzeigen und somit die Entscheidung deutlich beschleunigen.“

Wenn der Computer bei den Bauverfahren zum wertvollen Assistenten der Behörden wird, lässt sich viel Zeit sparen. „Für den Bauwerber ist es natürlich ein gewaltiger Vorteil, wenn das Verfahren so um Monate verkürzt werden kann“, sagt Christian Schranz. Auch für Architekturbüros liefert die digitalisierte Baueinreichung große Vorteile: Auf Knopfdruck kann man schon vor der Einreichung eine automatische Vorprüfung durchführen und vielleicht Fehler erkennen, die man dann vor der eigentlichen Einreichung noch korrigieren kann. Auch das spart Zeit, Geld und Nerven.

BRISE-Vienna – ein Projekt mit Vorbildwirkung

An der TU Wien beschäftigt man sich bereits seit Jahren mit der Digitalisierung von Bauprozessen. 2019 wurde das Projekt BRISE gestartet. Geleitet wird es von der Stadt Wien, beteiligt sind neben der TU Wien auch das Planungsbüro ODE sowie die Ziviltechnikerkammer. Als Forschungs- und Entwicklungsprojekt erhielt BRISE rund 4,8 Millionen Euro Fördermittel von der EU-Initiative „Urban Innovative Actions“. So konnte eine ganze Reihe von Komponenten entwickelt werden, die in Zukunft in die tägliche Arbeit bei Bauverfahren in Wien einfließen sollen.

Nun sind diese Komponenten so weit fertig, dass sie in der praktischen Anwendung getestet werden können. „Ab sofort können Baueinreichungen probeweise mit den BRISE-Tools analysiert werden“, sagt Christian Schranz. „Wir freuen uns auf Feedback. Natürlich werden wir das Projekt in den nächsten Jahren auch weiterhin begleiten, betreuen und verbessern.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Christian Schranz
Zentrum Digitaler Bauprozess
Technische Universität Wien
+43 1 58801 242 02
christian.schranz@tuwien.ac.at

Dr. Harald Urban
Zentrum Digitaler Bauprozess
Technische Universität Wien
+43 1 58801 23419
harald.urban@tuwien.ac.at

Weitere Informationen:

http://www.ibb.tuwien.ac.at/zdb2/brise-vienna/ Projektwebseite

https://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/schnellere-bauverfahren-durch-digitalisierung

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