Vielfalt wohnt in der Stadt
Städte stehen immer mehr im Brennpunkt des wirtschaftlichen Erfolgs. Menschen übersiedeln heute wieder vom Land in die Stadt, denn Produktivität und Einkommen sind in Ballungszentren höher. Prof. Edwin Deutsch vom Institut für Wirtschaftsmathematik der TU Wien hat sich das genauer angesehen: Je vielfältiger und bunter die Bevölkerung, umso stärker ist das lokale Wachstum – das ist die Kernaussage seiner ökonometrischen Berechnungen.
Wirtschaftlicher Erfolg statt ländliche Idylle
„Die Illusion vom Staat, der sich in romantisch-ländlicher Idylle entwickelt, hat sich in den letzten Jahrzehnten verflüchtigt“, meint Prof. Edwin Deutsch. Er hat eine Fülle von Wirtschaftsdaten unterschiedlicher österreichischer Regionen durch mathematische Modelle in Beziehung gesetzt und (in Übereinstimmung mit anderen, internationalen Untersuchungen) eindeutige Zusammenhänge gefunden: Firmen sind dort am produktivsten, wo es eine große Vielfalt an wirtschaftlichen Aktivitäten gibt. Auch die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit gegen plötzliche Krisen nimmt mit der Vielfalt an Branchen und Berufsgruppen zu.
Diese Vielfalt ist in größeren Städten deutlicher ausgeprägt als im kleinstädtischen Bereich oder in ländlichen Regionen. Dort entwickeln sich vorteilhafterweise regionale Zentren, die bestimmte Aufgaben erfüllen – Zentren für einzelne Wirtschaftsbereiche, oder auch kulturelle Zentren. Diese „polyzentrischen Strukturen“, wie Prof. Deutsch sie nennt, unterscheiden sich aber von Ballungsräumen, in denen unterschiedlichste Bereiche in einer Region geographisch verwoben sind.
Eine höhere Produktivität ist auch besonders dort erkennbar, wo die Anzahl der erwerbstätigen Personen pro Haushalt (die Erwerbsintensität) hoch ist – auch hier liegen die Städte vorne. Zunehmende Urbanisierung ist für Prof. Deutsch also eine gute Sache: Um Erfolg zu haben müssen unterschiedliche Leute aus unterschiedlichen Branchen miteinander kommunizieren – und das klappt in Ballungszentren am besten.
Soziale Durchmischung durch Wohnungs-Mix
Eines der Studienergebnisse hat international besonderes Interesse geweckt: Parallel zur Vielfalt von Unternehmen und Branchen erweist sich auch eine Vielfalt an Wohnformen als positiv. Wünscht man eine Vielfalt an lokal verfügbaren Arbeitskräften, so benötigt man ein ebenso vielfältiges Wohnungsangebot – und das stellt die Wohnbaupolitik vor neue Herausforderungen.
In Österreich gibt es einen beträchtlichen Anteil von sozialen Mietwohnungen. „Eine gute Durchmischung von Eigentums- Miet- und Sozialwohnungen führt zur Durchmischung sozialer Schichten und zu stärkerem gesellschaftlichen Zusammenhalt – und das ist gut für die Wirtschaft“, erklärt Prof. Edwin Deutsch. Regionen mit höherem Anteil an sozialem Wohnbau sind gleichzeitig jene mit höherer wirtschaftlicher Produktivität. Während in ländlichen Regionen die Mittelschicht dominiert, polarisieren sich die Städte in bildungsferne Schichten und in Bildungseliten mit hohem Einkommen. Menschen mit geringerem Bildungsgrad ziehen dorthin, wo Arbeitsplätze auf sie warten, doch bei hochqualifizierten Arbeitskräften verhält es sich umgekehrt: Unternehmen aus wissensbasierten Branchen siedeln sich dort an, wo sie das größte Angebot an Arbeitskräften vorfinden.
Produktivität kommt aus der Stadt
Eine Fortführung des Projektes soll nun zeigen, wie die untersuchten Faktoren zusammenspielen. Welche Konsequenzen Raumplanung und Politik aus diesen mathematischen Modellen ziehen, ist zunächst allerdings noch offen. Das Forschungsprojekt soll schließlich nicht Raumplanung durch Mathematik ersetzen, sondern ein ökonomisches Fundament für die Raumplanung liefern. „Auch in Zukunft werden Leute in ländlichen Regionen leben wollen“, ist Prof. Deutsch sicher. „Doch hohe Produktivität und wirtschaftliche Impulse kommen aus den Ballungsräumen, und das wird auch so bleiben.“
Rückfragehinweis:
Prof. Edwin Deutsch
Ökonometrie und Systemtheorie, Institut für Wirtschaftsmathematik
Technische Universität Wien
Argentinierstraße 8, 1040 Wien
T: +43-1-58801-11940
edwin.deutsch@tuwien.ac.at
Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
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