Weg frei für mehr Natur-Dämmstoffe beim Bauen
Zellulose, Seegras, Flachs und Co. halten Bauvorschriften stand
Der Einsatz von Naturdämmstoffen ist sicher, kalkulierbar und nachhaltig. Das belegen die Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojektes mit 12 Partnern aus Forschung und zahlreichen Industrieunternehmen und -verbänden. Das Verbundprojekt „Mehr als nur Dämmung – Zusatznutzen von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen“ wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.
Das Forscherteam unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, untersuchte Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in sechs Arbeitsbereichen: Brandschutz und Glimmverhalten, Schallschutz, Wärmeschutz, Feuchteschutz, Nachhaltigkeitsanalysen und Emissionen.
Grundlegendes Ergebnis des Projektes ist, dass Naturdämmstoffe gesicherte Eigenschaften haben, Konstruktionen verlässlich berechenbar sind und in fast allen Anwendungsgebieten eingesetzt werden können. Mit natürlichen Materialien kann kalkulierbar dauerhaft und sicher gebaut werden. Normen und baurechtliche Vorschriften können nun angepasst und der Weg freigemacht werden für mehr NawaRo-Dämmstoffe im Bau.
Kalkulierbares Brandverhalten von Natur-Dämmstoffen
In Bezug auf das Brandschutz- und Glimmverhalten konnten die Forschenden feststellen, dass sich das Brandverhalten von Naturdämmstoffen im Vergleich zu erdölbasierten Hartschäumen wesentlich unterscheidet. Hartschäume verbrennen extrem schnell mit sehr starker dunkler Rauchbildung, schmelzen und tropfen brennend ab. Die untersuchten NawaRo-Dämmstoffe brennen zwar auch, jedoch verhältnismäßig langsam, mit geringer Rauchentwicklung und tropfen nicht brennend ab. Das Brandverhalten von NawaRo-Dämmstoffen ist damit trotz des materialimmanenten Glimmverhaltens insbesondere in der Frühphase eines Brandes deutlich vorteilhafter als das von Hartschäumen und grundsätzlich kalkulierbar.
Die im Arbeitsbereich Schallschutz gewonnenen Bauteil- und Materialdaten wurden bereits in die aktuelle Überarbeitungsrunde der DIN 4109-33 eingebracht. Darüber hinaus wurden Berechnungsverfahren weiterentwickelt, die den prüftechnischen Aufwand in Zukunft erheblich reduzieren können. Unter anderem ermittelten die Forschenden Materialkennwerte, die aufwendige Bauteilprüfungen wie im Schall- und Brandschutz in Zukunft deutlich reduzieren können.
NawaRo-Dämmstoffe als Puffer bei Hitze, Kälte und Feuchte
Bisher mussten Dämmstoffe vor allem vor Kälte im Winter schützen. Aufgrund des Klimawandels gewinnt der Wärmeschutz im Sommer zunehmend an Bedeutung.
Bei Dämmstoffen ist neben der Wärmeleitfähigkeit auch die Wärmespeicherkapazität und die Rohdichte bedeutsam. Die Forschenden konnten feststellen, dass es auch hier grundsätzlich keine Einschränkungen für die Verwendung von NawaRo-Dämmstoffen gibt.
Die hohe Speicherfähigkeit von Naturdämmstoffen wirkt sich nicht nur beim Wärmeschutz, sondern auch beim Feuchteschutz positiv aus, insbesondere in Holzkonstruktionen und im Dachbau. Während mineralische Faserdämmstoffe und erdölbasierte Hartschäume praktisch keine Feuchtigkeit aufnehmen können, sind Naturdämmstoffe in der Lage, kurzzeitige Feuchteschwankungen während der Bauphase oder im Gebrauch abzupuffern, ohne dass sich die Materialfeuchte merklich erhöht. Die Konstruktion wird dadurch deutlich sicherer.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten routinemäßig potenzielle Emissionen und konnten kein grundsätzliches Hindernis für die Verwendung finden. Außerdem ermittelten sie Datensätze zur Ökobilanz, die in die Datenbank ÖKOBAUDAT des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) eingepflegt wurden. Die Projektbeteiligten arbeiteten mit zahlreichen Praxispartnern aus Unternehmen und Verbänden zusammen.
Die Gesamtfördersumme des Verbundprojekts „Mehr als nur Dämmung – Zusatznutzen von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen“ belief sich auf über 4 Millionen Euro bei einer Laufzeit von dreieinhalb Jahren.
Gefördert wurde es im Rahmen des Schwerpunktes „Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen“ im Förderbereich „Stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen“ des Förderprogramms „Nachwachsende Rohstoffe“ des BMEL über den Projektträger FNR.
Hintergrund
Naturdämmstoffe werden neben Holz und Zellulose aus pflanzlichen Rohstoffen wie Hanf, Jute, Flachs, Stroh, Seegras, Wiesengras, Kork oder Schilf hergestellt. Auf dem Markt gibt es bereits druckfeste Platten, flexible Matten, lose Einblasdämmung sowie Stopfdämmung.
Der Schutz von Ressourcen und die Verwendung von organischen, recyclingfähigen Rohstoffen gewinnt auch in der Baubranche eine immer größere Bedeutung. Bisher war der Einsatz von NawaRo-Dämmstoffen in baurechtlichen Vorschriften und Normen nicht berücksichtigt und machte z. B. umfangreiche und aufwändige Bauteilprüfungen notwendig.
Nachhaltigkeit durch Nutzung nachwachsender Rohstoffe steht seit über 70 Jahren im Fokus des Fraunhofer WKI. Das Institut mit Standorten in Braunschweig, Hannover und Wolfsburg ist spezialisiert auf Verfahrenstechnik, Naturfaser-Verbundkunststoffe, Oberflächentechnologie, Holz- und Emissionsschutz, Qualitätssicherung von Holzprodukten, Werkstoff- und Produktprüfungen, Recyclingverfahren sowie den Einsatz von organischen Baustoffen und Holz im Bau. Nahezu alle Verfahren und Werkstoffe, die aus der Forschungstätigkeit hervorgehen, werden industriell genutzt.
Die FNR ist seit 1993 als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe aktiv. Sie unterstützt außerdem Forschungsthemen in den Bereichen nachhaltige Forstwirtschaft und innovative Holzverwendung.
Verbundvorhaben: Mehr als nur Dämmung – Zusatznutzen von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (NawaRo-Dämmstoffe)
• Fraunhofer Wilhelm Klauditz-Institut WKI Braunschweig
Teilvorhaben 1: Wärme-, Feuchte- und Brandschutz, Emissionen sowie Koordination
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22011615
• Institut für Holztechnologie Dresden gGmbH
TV 2: Feuchte- und Wärmeschutz
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22004216
• Technische Hochschule Rosenheim (Fakultät für Angewandte Natur- und Geisteswissenschaften)
TV 3: Schallschutz
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22005516
• Technische Universität Braunschweig (Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz, Fachgebiet Brandschutz & Institut für Ökologische und Nachhaltige Chemie)
TV 4: Brandschutz/Glimmen
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22005716
• Hochschule Magdeburg-Stendal (Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit)
TV 5: Brandschutz und Glimmverhalten https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22005616
• Physikalisch-Technische Bundesanstalt
TV 6: Schallschutz
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22005716
• Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V.
TV 7. Nachhaltigkeitsbewertung
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22006216
• Papiertechnische Stiftung
TV 8: Wärmeschutz
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22005016
• Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (Thünen-Institut für Holzforschung)
TV9: Nachhaltigkeitsbewertung
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22004916
• Universität Stuttgart (Lehrstuhl für Bauphysik, Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung)
TV 10: Nachhaltigkeitsbewertung
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22006316
• Technische Universität Dresden (Institut für Holz- und Papiertechnik)
TV 11: Wärme- und Brandschutz
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22005816
• Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen
TV 12: Wärmeschutz
https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22006216
Fachliche Ansprechpartner:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.
Birgit Herrmann
Tel.: +49 3843 6930-334
E-Mail: b.herrmann@fnr.de
Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut, WKI
Norbert Rüther
Tel.: +49 531 2155-402
Mail: fraunhofer.de | norbert.ruether@wki.fraunhofer.de
Pressekontakte:
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.
Martina Plothe
Tel.: +49 3843 6930-311
Mail: m.plothe@fnr.de
Fraunhofer-Institut für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut, WKI
Anna Lissel
Tel.: +49 531 2155-438
Mail: fraunhofer.de | anna.lissel@wki.fraunhofer.de
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