Wie Salze Bauwerke zum Bröckeln bringen

Historische Steinbauwerke sind Touristenmagnete. So werden beispielsweise die jordanische Felsenstadt Petra, die mittelalterliche Stadt Rhodos in der Ägäis oder die in Sandstein gebauten Tempelanlagen im ägyptischen Luxor jährlich von mehreren Hunderttausend Personen besucht.

Diese Kulturgüter haben etwas gemeinsam: sie verwittern. Verantwortlich sind dafür Salze, die im Innern der porösen Baumaterialien kristallisieren und dabei eine so grosse Kraft entwickeln, dass sie die Steine sprengen oder zum Bröckeln bringen.

Dasselbe Problem stellt sich auch bei Betonbauwerken hierzulande. Forschende des Instituts für Baustoffe der ETH Zürich sowie der Princeton University haben nun die Wirkung von Salzen unter kontrollierten Bedingungen in einem Experiment nachgestellt. Die Ergebnisse sollen unter anderem Denkmalschützern und Restauratoren von Kulturgütern helfen, Vorhersagen zum Verwitterungsprozess von Bauwerken zu machen.

Salze könnten auf ganz unterschiedliche Weise in die Baumaterialen gelangen, erklärt Francesco Caruso, Postdoc in der Gruppe von Robert Flatt, Professor für Baustoffe. Der Betonbestandteil Zement beispielsweise beinhalte immer auch Gips (Calciumsulfat) und sogenannte Alkalisulfate.

Beides sind Salze. Und auch aus der Umwelt können Salze in Baustoffe gelangen: etwa über oberflächennahes, mineralienhaltiges Grundwasser, das über Kapillarkräfte in poröse Baumaterialien eindringt, oder über den Luftschadstoff Schwefeldioxid, der mit dem Calcium in Kalkstein zu Gips reagieren kann. 

Zudem können auch an der Oberfläche des Bauwerks abgelagerter Meerwasser-Sprühnebel oder Tausalz Schaden anrichten: «Werden diese Salze von Regen gelöst, kann die salzhaltige Flüssigkeit über Poren oder Risse ins Baumaterial eindringen», so Caruso. Verdunstet die Flüssigkeit bei Trockenheit, kristallisieren die Salze dort aus. Dabei können Teile des Mauerwerks weggesprengt werden.

Temperaturunterschiede führen zu Anreicherung

In ihrem Laborexperiment verwendeten die ETH-Forschenden Natriumsulfat, das Salz mit dem grössten bekannten Zerstörungspotenzial. Es existiert in zwei Formen, einer sogenannt anhydrierten und einer hydrierten Form. In mehreren Zyklen stellten sie Kalkstein-Würfel mit einer Seitenlänge von zwei Zentimetern in ein Natriumsulfat-Salzbad, wobei die Salzlösung in die Poren des Kalksteins eindringen konnte.

Anschliessend trockneten sie die Steine bei hoher Temperatur, bevor sie sie für eine nächste Runde erneut bei tieferer Temperatur ins Salzbad stellten. Während den Trocknungsphasen kristallisierte das Salz in anhydrierter Form in den Poren der Steine aus. In den Salzbad-Phasen drang erneut Salzlösung in die Poren ein, wobei das bereits kristallisierte Salz wieder in Lösung überging.

Über diesen kontrollierten zyklischen Prozess gelang es den Wissenschaftlern, das Salz im Innern des Steins stark anzureichern und dort eine in Bezug auf die hydrierte Form übersättigte Salzlösung zu erhalten. Mit einer übersättigten Salzlösung ist eine Flüssigkeit gemeint, in der wegen besonderer Umstände mehr Salz gelöst ist als es unter normalen Umständen möglich wäre.

Wichtige Erkenntnisse für Restauratoren

Das Experiment zeigte: Je grösser die Übersättigung, desto grösser ist das Zerstörungspotenzial des Salzes. Und auch die Temperatur spielte eine Rolle: In Durchläufen, in denen die Temperatur nie unter 25 Grad fiel, brauchte es im Experiment im Schnitt vier Zyklen, bis es zu Schäden kam, fiel die Temperatur auf 3 Grad, reichte ein Zyklus. «Es braucht diese Zyklen von Feuchte und Trockenheit, doch letztlich geht es um die Übersättigung», erklärt der Chemiker Caruso.

Für ein Bauwerk heisst das: Sind die Umweltbedingungen so, dass immer wieder Salzlösung in einen porösen Stein eindringen und die Flüssigkeit zum Beispiel wegen starker Sonnenstrahlung oder starken Winden wieder verdunsten kann, dann kann sich das Salz im Baumaterial stark übersättigen. «In diesem Fall braucht es keine grossen Salzmengen, um grosse Schäden anzurichten», sagt ETH-Professor Flatt. Bei gemässigteren Umweltbedingungen hingegen brauche es grössere Mengen. 

Dank des kontrollierten Experiments konnten die Forschenden das Phänomen dieser Salzsprengung erstmals ausführlich physikalisch-chemisch und mechanisch beschreiben. «Wir haben gezeigt, dass die Salzsprengung und die von ihr verursachten Schäden zumindest unter kontrollierten Bedingungen vorhersagbar sind», sagt Flatt. Die Experimente würden Restaurations- und Konservierungswissenschaftlern beispielsweise helfen zu entschieden, wie viel Salz von einem Bauwerk entfernt werden müsse um Schäden zu verhindern oder – falls das Salz nicht entfernt werden könne – um vorherzusagen, wann ein Gebäude Schaden nehmen werde.

Michelangelos Fresken und Geothermiebohrungen

Sichtbar sind solche auf diese Salzsprengung zurückzuführende Schäden nicht nur bei historischen Steinbauwerken. Auch bei Wandgemälden wie Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan sei Salz ein Problem, sagt Caruso. Sogenannte Salzausblühungen im Mauerwerk, in der Malschicht oder dazwischen führten dort zu Schäden.

Ebenfalls zeigt sich das Problem im grossen Massstab in Erosionsprozessen und bei Geothermiebohrungen. «Die Salzsprengung formt ganze Felslandschaften», sagt Caruso. Und 2007 hat sich bei Erdwärmebohrungen in der Altstadt von Stauffen im Breisgau der Boden angehoben, an einigen Stellen bis zu 26 Zentimetern. In Häuserzeilen bildeten sich Risse. Wie sich im Nachhinein herausstellte, drang wegen der Bohrungen im Untergrund Grundwasser in eine Schicht, in der das Mineral Calciumsulfat in seiner anhydrierten Form vorlag. Durch die Verbindung mit dem Wasser bildete sich daraus Gips. Die Übersättigung dieses Gips erzeugte den Druck, der dazu führte, dass sich der Boden hob.

Anwenden möchten die Forschenden der ETH Zürich ihre Erkenntnisse nun in einem Projekt in der Altstadt von Havanna. Salz sei dort ein grosses Problem und führe dazu, dass bei Restaurierungsarbeiten eingesetzter Spezialputz nach wenigen Jahren bereits von den Fassaden bröckle, sagt Flatt. Im Forschungsprojekt soll es darum gehen, dafür die genauen Ursachen zu finden. Ausserdem möchten die an dieser Forschungsarbeit beteiligten Wissenschaftler der ETH Zürich und der Princeton University nach Möglichkeiten suchen, die Salzsprengung zu reduzieren, beispielsweise durch eine Veränderung der Wände der Poren von Baumaterialen auf der Nanoskala.

Literaturhinweis

Flatt RJ, Caruso F, Aguilar Sanchez AM, Scherer GW: Chemomechanics of salt damage in stone. Nature Communications 2014, doi: 10.1038/ncomms5823 [http://dx.doi.org/10.1038/ncomms5823]

https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2014/09/wie-salze-…

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