Mit Druck in Form
Autos leichter und sicherer zu machen, ist ein Ziel der Autohersteller. Hier könnte ein neues Verfahren helfen: Mit Innenhochdruck geformte Bauteile sind besonders steif und crash-sicher. Über die aktuellen Forschungsergebnisse informiert das Kolloquium „Innenhochdruck-Umformen für Karosseriekomponenten“ am 25. und 26. September in Chemnitz.
Elektronische Scheibenheber, Klimaanlage, Antiblockiersysteme und Airbags gehören bei den meisten Wagen zur Standardausrüstung. Doch die elektronischen Bauteile machen das Auto nicht nur sicherer und komfortabler, sondern auch schwerer. Deutlich mehr als eine Tonne bringen heute bereits Kleinwagen wie Opel Corsa, VW Polo und Audi A2 auf die Waage. Und je schwerer ein Auto ist, desto mehr Benzin verbraucht es auch. Die Lösung heißt: runter mit dem Gewicht. Da aber kaum ein Autofahrer die elektronischen Helfer mehr missen will, versuchen die Hersteller die Karosserie „abzuspecken“. Leichtmetalle wie Aluminium und Magnesium sollen die alten, schweren Materialien ersetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass die „leichte“ Karosserie genauso crashsicher ist. Dazu kann ein neues Fertigungsverfahren, das Innenhochdruck-Umformen (IHU), beitragen. Beim IHU, auch Hydroforming genannt, wird Metall durch hydrostatischen Druck in Form gepresst. So gefertigte Bauteile sind besonders steif. „Werkstücke aus leichterem Material können daher die gleiche Sicherheit bieten, wie herkömmlich gefertigte Bauteile aus schweren Werkstoffen. Das macht das Verfahren für den Leichtbau interessant“, meint Hans Bräunlich vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz.
Ganz neu ist das Innenhochdruck-Umformen nicht. Die Industrie setzt das Verfahren bereits in einigen Bereichen ein. „Ein klassisches Beispiel ist die Fertigung von T-Stücken“, berichtet Ingenieur Bräunlich. Diese Bauteile wurden früher geschweißt. Heute bringt immer häufiger das IHU die Rohre in die richtige Form. Dazu wird ein gerades Rohr in ein T-förmiges Werkzeug gelegt. An die beiden Enden des Werkstücks werden Axialstempel herangefahren. Sie dichten das Bauteil ab. Dann wird Flüssigkeit in das Rohr eingeleitet. Im Bauteil baut sich ein Innendruck auf und verformt das Metall. Das Rohr weicht in den vom Werkzeug vorgegebenen Hohlraum aus – ähnlich wie Kuchenteig, der die Geometrie der Kuchenform ausfüllt. Über die Axialstempel wird das Rohr kontinuierlich nachgeschoben, bis das Bauteil in die T-Form des Werkzeugs gepresst ist.
Mit dem Innenhochdruck-Umformen lassen sich jedoch nicht nur einfache Formen wie T-Stücke fertigen, sondern auch komplexe Geometrien wie zum Beispiel Längsträger, Querlenker und Achsträger für Automobile umformen. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Verfahren ist, dass zusätzliche Fertigungsschritte wie etwa Schweißen entfallen.
Bräunlich und sein Team bearbeiten mit der neuen Technik neben Rohren und Profilen, auch Bleche. So lassen sich weitere Karosserie-Teile für die Automobil-Industrie herstellen. Ein Beispiel: die B-Säule, das Verbindungsstück zwischen Vorder- und Hintertür. Die B-Säule besteht aus einem Innen- und Außenteil. Den Mitarbeitern am IWU ist es gelungen, beide Bauteile in einem Arbeitsschritt mit dem Innenhochdruck-Blechumformen (IHB) zu fertigen. Der Trick: Die untere Seite des Werkzeugs hat eine andere Form als die obere. Die beiden Bleche werden zusammen eingespannt und abgedichtet. Der Innendruck presst dann jedes Bauteil in seine Form. „So lassen sich niedrigere Taktzeiten realisieren und passgenaue Bauteile fertigen“, nennt Bräunlich die wesentlichen Vorteile. Mit dieser Technik können sogar das Innen- und Außenteil einer Motorhaube in einem Arbeitsgang aus einer Doppelplatine gefertigt werden. Kein Wunder also, dass sich die Industrie immer stärker für das Innenhochdruck-Blechumformen interessiert.
„Das Innenhochdruck-Umformen von Rohren, Profilen und Blechen ist zu einem festen Bestandteil bei der Herstellung zahlreicher Karosserieteile geworden“, betont Prof. Dr. Reimund Neugebauer, Institutsleiter des IWU. Denn die Fertigungstechnologie hilft zunehmend, Autos leichter und sicher zu machen. Auf dem Kolloquium „Innenhochdruck-Umformen für Karosseriekomponenten“ geben 21 Referenten in Fachvorträgen einen Überblick über die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet.
Ansprechpartner:
Hans Bräunlich
Telefon 03 71 / 53 97-2 10, braeunlich@iwu.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
Reichenhainer Straße 88
09126 Chemnitz
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Weitere Informationen:
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