E-Mobility-Projekt Visio.M präsentiert ferngesteuertes Fahren: Der unsichtbare Fahrer

VisioM fährt ferngesteuert auf dem Vorplatz der Fakultät für Maschinenwesen. Bild: Andreas Battenberg<br>

Der Fahrer sitzt wahrscheinlich eher in der Mietwagenzentrale und lenkt den Wagen per Fernsteuerung. Bereits in einigen Jahren könnten solche Services zur Verfügung stehen. Denn während der Traum vom vollautonom fahrenden Auto noch in weiter Ferne liegt, sehen Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) eine reale Chance, dass ferngesteuerte Fahrzeuge innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahren auf die Straße kommen.

Die Forscher des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik der TUM haben in Ihrem Projekt gezeigt, dass das so genannte teleoperierte Fahren im öffentlichen Straßenverkehr sicher funktioniert. Dafür haben sie das Elektroauto Visio.M mit sechs Videokameras ausgerüstet und sämtliche Funktionen über ein zentrales Steuergerät schaltbar gemacht. Die Videobilder laufen in einem Computer zusammen und werden dann codiert über LTE zu der Fernsteuerung, dem Operatorarbeitsplatz, gesendet.

Dort sitzt der Fahrer wie in einem Fahrsimulator mit Lenkrad, Schalttafel und Pedalen vor drei riesigen Monitoren. Diese zeigen die Bilder von bis zu fünf nach vorn und zur Seite gerichteten Kameras, die in der Mitte der Windschutzscheibe vor dem Rückspiegel angebracht sind. Eine weitere Kamera zeigt den Blick nach hinten. Das Lenkrad ist ein Force-Feedback-Wheel, das über Stellmotoren Haltekräfte zurückmeldet und so ein sehr realistisches Fahrgefühl vermittelt. Ebenso echt fühlt sich die Bremse an, die ganz wie im Auto auf den ausgeübten Druck am Pedal anspricht. Neben einer kompletten Rundumsicht wird dem Fahrer an seinem Operatorplatz auch der Ton aus dem Wageninneren über Dolby 5.1 räumlich korrekt dargestellt.

In vielen Großstädten ist das LTE-Netz inzwischen großräumig ausgebaut, so dass schon heute ausreichend Bandbreite für die Übertragung der Videobilder, des Tons und der Steuerdaten zur Verfügung steht. Außerdem schreitet der Ausbau der Mobilfunknetze weiter fort. Die Kapazitäten nehmen zu und gleichzeitig steht mit dem nächsten Video-Codec H.265 eine noch effizientere Komprimierung der Bilder auf nur noch 50 Prozent der jetzigen Größe bevor. Notfalls wäre aber auch heute schon eine Übertragung über das viel langsamere UMTS-Netz möglich. Auch die Verzögerung liegt dabei immer noch weit unter einer halben Sekunde.

Sollte die Bandbreite aber tatsächlich einmal nicht ausreichen oder die Verbindung sogar ganz abreißen, wird das Fahrzeug automatisch bis zum Stillstand abgebremst. Trotz aller technischen Machbarkeit müssen vor einem möglichen regulären Einsatz solcher Systeme noch juristische Hürden genommen werden. Dennoch sind die Forscher der TU München davon überzeugt, dass das teleoperierte Fahren schon innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre Realität werden könnte. Denn die Kosten sind überschaubar. Kamera und Elektronik für die Fernsteuerung kosten inzwischen nicht mehr als manch anderes Ausrüstungspaket. Und Anwendungsmöglichkeiten gibt es genug. Vom Car Sharing Fahrzeug, dass vor die Haustür bereitgestellt wird über Parkservices in Innenstädten bis hin zur ferngelenkten Fahrt von Elektroautos zur nächsten Ladesäule.

Am Forschungsprojekt „Visio.M“ beteiligen sich, neben den Automobilkonzernen BMW AG (Konsortialführer) und Daimler AG, die Technische Universität München als wissenschaftlicher Partner, sowie Autoliv B. V. & Co. KG, Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Continental, E.ON AG, die Finepower GmbH, Hyve AG, die IAV GmbH, InnoZ GmbH, Intermap Technologies GmbH, LION Smart GmbH, Amtek Tekfor Holding GmbH, Siemens AG, Texas Instruments Deutschland GmbH und TÜV SÜD AG. Das Projekt wird im Rahmen des Förderprogramms IKT 2020 und des Förderschwerpunkts „Schlüsseltechnologien für die Elektromobilität – STROM“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) über 2,5 Jahre gefördert und hat ein Gesamtvolumen von 10,8 Mio. Euro.

Bildmaterial:
http://mediatum.ub.tum.de/?cfold=1169730&dir=1169730&id=1169730#1169730
Presseinformation:
http://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/30983/
Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Markus Lienkamp
Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik
Technische Universität München
Boltzmannstr. 15, 85747 Garching, Germany
E-Mail: lienkamp@tum.de
Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 500 Professorinnen und Professoren, 9.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 32.000 Studierenden eine der führenden technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunktfelder sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften. Nach zahlreichen Auszeichnungen wurde sie 2006 und 2012 vom Wissenschaftsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Exzellenzuniversität gewählt. In nationalen und internationalen Vergleichsstudien rangiert die TUM jeweils unter den besten Universitäten Deutschlands. Die TUM ist dem Leitbild einer forschungsstarken, unternehmerischen Universität verpflichtet. Weltweit ist die TUM mit einem Forschungscampus in Singapur sowie Niederlassungen in Peking (China), Brüssel (Belgien), Kairo (Ägypten) und Sao Paulo (Brasilien) vertreten.

Media Contact

Andreas Battenberg Technische Universität München

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Automotive

Die wissenschaftliche Automobilforschung untersucht Bereiche des Automobilbaues inklusive Kfz-Teile und -Zubehör als auch die Umweltrelevanz und Sicherheit der Produkte und Produktionsanlagen sowie Produktionsprozesse.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Automobil-Brennstoffzellen, Hybridtechnik, energiesparende Automobile, Russpartikelfilter, Motortechnik, Bremstechnik, Fahrsicherheit und Assistenzsysteme.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Erster Bernsteinfund auf antarktischem Kontinent

Südlichster Fund erlaubt weitere Einblicke in kreidezeitliche Wälder nahe des Südpols. In der Antarktis herrschten vor rund 90 Millionen Jahren Klimabedingungen, unter denen harzproduzierende Bäume überlebten. Ein Team unter Leitung…

Mit kleinen Partikeln Großes bewirken

Projekt NanoSTeW geht neue Wege in der Kupferverarbeitung. Neue kupferbasierte Werkstoffe für den 3D-Druck entwickeln und dabei das Thema Nachhaltigkeit ins Visier nehmen, das ist in den kommenden fünf Jahren…

Ohne Tiernutzung: Antikörper aus Algen für Schwangerschaftstests

Startup entwickelt neues Verfahren – DBU fördert Es kommt nicht alltäglich vor, dass junge Startups aus Deutschland eine Neuheit mit branchenveränderndem Potential auf den Markt bringen. Doch genau das plant…