Jülicher Forscher optimieren Halbleiterprozess für Fahrerassistenzsystem
Mikrochip im Goldmantel
Das moderne Auto denkt mit: Es hält automatisch den richtigen Sicherheitsabstand zu vorausfahrenden Objekten. Wenn nötig, bremst es, ist die Bahn frei, beschleunigt es auf eine vorgewählte Geschwindigkeit. Ein elektronischer Beifahrer beobachtet dazu die Umgebung und gibt Motor und Bremssystem dann die entsprechenden Befehle.
Adaptive Cruise Control (ACC) heißt das vorausschauende Fahrerassistenzsystem der Robert Bosch GmbH. Dessen zweite Generation ist diesen Herbst auf den Markt gekommen und wird im Jahr 2006 zu ACCplus erweitert werden. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben ein Herzstück davon mitentwickelt.
Nur 70 Mikrometer ist der Durchmesser des winzigen Chips, dessen Herstellungsprozess Professor Arno Förster am Institut für Schichten und Grenzflächen (ISG-1) mit seinen Mitarbeitern entwickelt hat. Im Inneren des Bauteils steckt eine so genannte Gunn-Diode. Sie sendet Mikrowellen aus, die an anderen Autos reflektiert werden. Aus Laufzeit und Dopplerverschiebung der Wellen bestimmt das ACC dann Position und Geschwindigkeit eines vorausfahrenden Fahrzeugs.
„Wir mussten die Eigenschaften der Diode an die Anforderungen im Fahrerassistenzsystem anpassen“, sagt Förster. So muss das Bauteil etwa in der Lage sein, sehr präzise Frequenzen zu erzeugen, damit auch das Antwortsignal eindeutig interpretierbar ist.
Das lässt sich durch eine ausgeklügelte Abfolge unterschiedlicher Halbleiter-Schichten erreichen. Förster und seine Mitarbeiter haben einen Prozess entwickelt, mit dem sie diesen Aufbau reproduzierbar herstellen. „Die Schwierigkeit war, dass der Chip prozesstechnologisch von zwei Seiten bearbeitet werden muss, um von beiden Seiten elektrische Kontakte anzubringen im Ganzen ist er aber nur drei Mikrometer dick“, erklärt Förster.
Einzelne Halbleiterschichten liegen sogar im Bereich von Nanometern. Diese haben die Forscher mit einem speziellen Aufdampfverfahren, der so genannten Molekularstrahlepitaxie, auf einem Trägermaterial, einem Galliumarsenid-Wafer, aufgebaut. Dabei dampfen sie im Ultrahochvakuum einen Strahl der gewünschten Atome auf die Waferoberfläche. Damit sie am Ende das fertige Bauteil von der Galliumarsenid-Plattform lösen können, ist eine extra Ablöseschicht zwischen Wafer und Schichtaufbau eingefügt. Sie ermöglicht ein nanometergenaues Abtrennen der Schicht mittels Ätzen, ohne den hauchdünnen Chip zu beschädigen.
In einem weiteren Schritt betten die Forscher das Bauteil dann zwischen zwei Goldschichten. Da die Gunn-Diode nur bei großen elektrischen Feldstärken Mikrowellenstrahlung erzeugt, entsteht eine hohe Leistungsdichte von über 100 000 Watt pro Quadratzentimeter, die das Bauteil stark erwärmt. Das Gold leitet diese Wärme an der Oberfläche schnell ab und sorgt so ebenfalls für eine reibungslose Funktion der Diode. Mit der Machbarkeitsstudie der Jülicher Forscher ließen sich bereits 5000 Chips auf einem Wafer fertigen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg übertragen den Prozess nun in eine Serienfertigung. Im kommenden Jahr soll der Chip dann bereits in die zweite Generation der ACC-Systeme eingebaut werden.
Rund zwei Drittel kleiner als die erste Generation ist die neue ACC-Sensor-Regler-Einheit (Abmessungen ca. 70 x 70 x 60 mm). Sie wird zentral im Bereich des Kühlergrills in verschiedenen Modellreihen von BMW und Audi eingebaut. Von dort ortet sie Fahrzeuge in einem Abstand von bis zu 200 Metern. Während die erste Generation eher für den Einsatz auf Autobahnen und Schnellstraßen geeignet war, eigne sich das neue System auch für Landstraßen, sagen die Hersteller. Grund ist der verdoppelte Winkelbereich, in dem der Sensor Fahrzeuge erfasst statt vorher 8° umfasst er nun 16°. Damit kann er auch Fahrzeuge in engeren Kurven eindeutig zuordnen und erkennen, ob sie auf der eigenen oder der Gegenfahrbahn unterwegs sind.
ACCplus wird den Geschwindigkeitsbereich erweitern, in dem das Fahrerassistenzsystem arbeitet. Bisher schaltet es sich unter 30 km/h ab. Mit ACCplus wird das System auch im Stop-and-Go-Verkehr funktionieren. Es kann dann das Auto bis zum völligen Stillstand bremsen. Fließt der Verkehr wieder, gibt es dem Fahrer ein Signal zur Weiterfahren.
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