Perfekte Antriebe für die Autos der Zukunft kommen aus Graz
Die Welt der Mobilität wird immer vielfältiger und komplexer. Das betrifft besonders die Antriebstechnik. So gesellen sich im Automobilbereich zu den auf immer höhere Effizienz getrimmten Verbrennungsmotoren vermehrt elektrische Antriebe. Besonders Hybridfahrzeuge mit verschiedensten Antriebskonfigurationen stellen für Entwickler zunehmend komplexe Aufgaben dar.
Zugleich fordert der Automobil-Markt immer rascher neue Modelle. Im Wettbewerb um die besten und innovativsten Fahrzeuge bieten Simulationsmodelle eine nicht mehr wegzudenkende Hilfe. Teils kann in der Konstruktionsphase schon gänzlich auf den Einsatz teurer Prototypen und Tests mit realen Bauteilen verzichtet werden.
Das VIRTUAL VEHICLE, Österreichs größtes K2-Forschungszentrum mit über 200 Mitarbeitern und mehr als 150 Partnern weltweit, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit virtuellen Modellen und neuen Methoden der Fahrzeugentwicklung. Diese Bereiche sind weltweit enorm gefragt.
Und genau jene Entwicklungskooperationen, die das VIRTUAL VEHICLE beispielsweise mit der TU Graz und lokalen Industrieunternehmen des steirischen Autoclusters ACstyria wie beispielsweise AVL List oder Magna Steyr eingeht, führen dazu, dass heimisches Know-how erfolgreich am Weltmarkt industrialisiert und vermarktet wird. Damit bleibt Wertschöpfung in Österreich und der Steiermark.
„Das Kompetenzzentrum VIRTUAL VEHICLE prägt durch seine Forschungsprojekte die Zukunft der Mobilität wesentlich mit und trägt mit seinen Partnern dazu bei, dass die Steiermark zu den innovativsten Regionen in Europa gehört.
Die Entwicklung der Co-Simulationsplattform ICOS und die Kooperation mit AVL ist ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Das stärkt den Wirtschaftsstandort Steiermark, sichert Arbeitsplätze und macht die Steiermark für internationale Unternehmen und Spitzenforscher attraktiv!“, erklärt Wirtschaftslandesrat Dr. Christian Buchmann.
Erfolgsstory ICOS
AVL und VIRTUAL VEHICLE unterzeichnen eine Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft zur Weiterentwicklung, Industrialisierung und weltweitem Vertrieb der Technologie ICOS (Independent Co-Simulation), welche am VIRTUAL VEHICLE entstanden ist. Das VIRTUAL VEHICLE wird diese Technologie in enger Zusammenarbeit mit AVL und anderen Industriepartnern weiter entwickeln. AVL übernimmt die Industrialisierung und den weltweiten exklusiven Vertrieb der Technologie im Rahmen der AVL „Integrated Open Development Platform“ (IODP).
Mit dieser Integrated Open Development Platform hat AVL eine Lösung geschaffen einen virtuellen Integrationsprozess im Gesamtfahrzeug stufenweise umzusetzen, um so der wachsenden Notwendigkeit für frühe funktionale Integration gerecht zu werden. Jede Komponente kann virtuell oder real zu einem kombiniert virtuell-realen Prototypen zusammengebaut werden und in jeder Entwicklungsumgebung entlang des gesamten Prozesses getestet werden.
„Der stetig steigenden Komplexität, mit der die Automobilbranche heutzutage konfrontiert ist, müssen wir mit Integration, Konnektivität und Durchgängigkeit begegnen. ICOS ist ein wichtiger Schritt in Richtung dieses Ziels und es freut mich sehr, ICOS nun auch zu industrialisieren und in Kundenanwendungen zu integrieren“, erklärt Dr. Wolfgang Puntigam, Head of Integrated Open Development Platform bei der AVL List GmbH.
Der Experte für Simulationen war schon am Anfang seiner Karriere als Forscher am VIRTUAL VEHICLE intensiv mit der frühen Entwicklung von ICOS von 2004 bis 2007 beschäftigt. Danach ging es in leitenden Funktionen bei AUDI auch um virtuelle Modelle und Simulationen um seit kurzem wieder in Graz bei AVL LIST zu arbeiten. „An der Laufbahn von Wolfgang Puntigam vom Fahrzeugtechnik Studium an der FH Joanneum über das Doktorat an der TU Graz und den Stationen VIRTUAL VEHICLE, AUDI und jetzt AVL zeigt sich auch, dass das Ausbildungskonzept an den Forschungszentren ausgezeichnet funktioniert“, freut sich Prof. Hermann Steffan, wissenschaftlicher Leiter des VIRTUAL VEHICLE.
Das klare Ziel des Forschungszentrums ist es, mit wissenschaftlichen und industriellen Partnern Systeme für den Markt zu entwickeln. ICOS wurde beispielsweise bereits bei BMW zur Entwicklung von Assistenzsystemen für automatisiertes Bremsen eingesetzt. Mittlerweile wird das neue Bremssystem von BMW schon in Serie produziert.
Bernasch: „Science2Market lautet die Devise, also Forschung erfolgreich in marktreife Innovationen umzuwandeln. Gemeinsam mit unserem Partner AVL sehen wir in ICOS besonders im Einsatz als Entwicklungswerkzeug ein enormes Zukunftspotenzial. Schon die Ankündigung der Kooperation mit der AVL in Bezug auf ICOS und IODP hat zu sehr positiver Resonanz geführt.“
Innovationen fordern bedeutet Forschung fördern
Die Früchte des Erfolgs der Grazer Forschungszentrums zeigen sich unter anderem beim seit Anfang 2014 laufenden europäischen Forschungsprogramms Horizon 2020. „Besondere Erfolge erzielen österreichischen Forscherinnen und Forscher hierbei in den industriellen Technologien, die durch die Unterstützung des Technologieressorts über viele Jahre mitaufgebaut und gestärkt wurden“, verkündete erst kürzlich Alois Stöger, Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und erwähnte besonders auch das VIRTUAL VEHICLE, das zum Thema grüne Mobilität sogar bei fünf von sieben millionenschweren europäischen Projekten das Rennen gemacht hat. Eine Auswertung aller EU-Projekte im Bereich „Surface Transport“ der letzten fünf Jahre ergab zudem, dass das VIRTUAL VEHICLE zu den Top 10 der erfolgreichsten Projektpartner in Europa im Mobilitätsbereich gehört – trotz seiner relativ jungen Geschichte und international vergleichsweise geringen Forschungsmittel.
„Unser Forschungszentrum darf sich zu Recht auf Augenhöhe mit etablierten Institutionen sehen, die über jahrzehntelange Reputation und ein Vielfaches der Forschungsmittel unseres Zentrums verfügen. Wir werden als relevanter Player auf der europäischen
Forschungsbühne gesehen, mit dem man gerne zusammenarbeitet.“ betont Geschäftsführer Bernasch.
Eine besonders wichtige Rolle spielt hierbei der Forschungspartner TU Graz. „Unsere Kooperation mit dem VIRTUAL VEHICLE baut mittlerweile auf mehr als zehn Jahren vertrauensvoller Shareholderbeziehung und enger wissenschaftlicher Zusammenarbeit auf.“, sagt Harald Kainz, Rektor der TU Graz und Vorsitzender des VIRTUAL VEHICLE-Aufsichtsrates, „Schon rund 20 Institute der TU Graz arbeiten mit dem VIRTUAL VEHICLE erfolgreich zusammen, um Science2Market zu unterstützen und Innovationen zu realisieren. Diesen Weg wollen wir weiter gemeinsam gehen!“
Das Ziel ist der perfekt abgestimmte Antriebsstrang
Know-how des VIRTUAL VEHICLE fließt mittlerweile schon in 25 EU-Forschungsprojekten (neunmal sogar in der Rolle als Projektkoordinator) mit über 200 Projekt-Partnern aus 20 Nationen und einem Projektvolumen von über 500 Mio. Euro ein. Bei der Vielzahl von Forschungsgebieten des Forschungszentrums im Bereich nachhaltiger Mobilität nimmt der perfekt abgestimmte Antriebsstrang, der mittels Motor, Kupplung, Getriebe, Antriebswellen aber auch Batterie, SuperCaps sowie elektronischer Regelung das Fahrzeug in Bewegung setzt, eine zentrale Rolle ein.
„Nur so können Fahrzeuge in Zukunft noch leiser, spritziger, verbrauchsärmer, sicherer, umweltfreundlicher und komfortabler zugleich sein. Dabei entwickelt sich das Auto immer stärker zum Computer auf vier Rädern.“ betont wissenschaftlicher Leiter Hermann Steffan. Bis 2025 sollen laut Experten der Wertanteil von Elektronik, Elektrik und Software bis zu 65 Prozent der PKW-Herstellungskosten ausmachen. Das betrifft besonders neben der Steuerung des ganzen Antriebsstranges auch viele Sicherheitssysteme wie etwa Bremsassistenten, Fahrerassistenzsysteme und in fernerer Zukunft die Systeme und Funktionen von teil- und vollautonomen Fahrzeugen.
An einer Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebsstrangs führt in der Zukunft kein Weg vorbei. „Hybridantriebe werden in allen Formen wie Mild-, Full- und Plug-in-Hybrid anzutreffen sein“, ist sich Prof. Dr. h.c. Helmut List, CEO von AVL List sicher, „meiner Einschätzung nach werden im Jahr 2020 bereits zwischen 15 und 20 Prozent aller Fahrzeuge mit dieser Technologie ausgestattet sein.“ Ganz klar ist auch der Trend zu einer immer stärker werdenden Interaktion und Kommunikation des Fahrzeuges und damit des Antriebs mit der Umgebung, d.h. mit anderen Fahrzeugen und mit der Infrastruktur. Dadurch eröffnen sich weitere Verbesserungspotenziale in Richtung Verbrauchs- und Emissionsabsenkung oder aber auch zur Ausweitung der elektrischen Reichweite von Plug-in-Hybriden oder Elektrofahrzeugen – z.B. durch ein optimales Batterieenergiemanagement.
Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Komponenten hybrider Antriebe sowie die Interaktion mit der Umgebung erfordert eine neue Klasse von Entwicklungswerkzeugen in einer durchgängigen Entwicklungsumgebung, die reale und virtuelle Experimente mit einander in Echtzeit vernetzt. Hier ist der Einsatz von ICOS als Teil der IODP-Plattform von AVL, die als modulare, flexible Architektur für die virtuelle Fahrzeugentwicklung dient, laut List der Königsweg, um eine solche reale und virtuelle Entwicklungsumgebungen zusammenzuführen und so die große Herausforderung in der Entwicklung – „Mastering Speed and Complexity“, also die immer kürzeren Entwicklungszyklen und die steigende Komplexität der Systeme – zu meistern.
Graz als Forschungsmagnet
Graz zieht jedes Jahr über 1.500 Fach-Besucher zu Fachkongressen, Veranstaltungen und Projektmeetings des VIRTUAL VEHICLE an. Möglich gemacht hat diesen Erfolg die enge Kooperation der Projektpartner in Graz.
„Als Gesellschafter und Miteigentümer sind wir sehr stolz darauf das VIRTUAL VEHICLE als Kompetenzschmiede mit internationalem Netzwerk in der Region zu haben“, betont Gerhard Krachler, Director Advanced Development & Product Strategy bei MAGNA STEYR Engineering AG & Co KG, „die virtuelle Produktabsicherung neuer Technologien, gestützt durch eine wissenschaftliche Kooperation, ist ein wesentlicher Faktor der Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes.“
Als nächste große Veranstaltung findet vom 18.-20. Mai das „8. Grazer Symposium Virtuelles Fahrzeug“ mit dem Leitthema „interdisziplinäre Entwicklung der Fahrzeuge für 2020+“ statt, bei dem mehr als 150 internationale Experten erwartet werden.
„Graz hat sich längst zu einem exzellenten Wissenschaftsstandort entwickelt, an dem Ideen, Forschung und die Umsetzung von Innovationen zu einem international wichtigen Markenzeichen geworden sind“, fügt Steffan hinzu, „die Basis dafür ist, dass sich das VIRTUAL VEHICLE, die TU Graz und die industriellen Partner hervorragend ergänzen.“
Forschungsbeispiele für ICOS
Eine zentrale Rolle in der Entwicklung zukunftsweisender Mobilität spielt die Co-Simulationsplattform ICOS, die schon in zahlreichen Forschungsprojekten zum Einsatz kommt. Eine kleine Auswahl:
Optimierter Gütertransport mittels modularer LKWs
Der Güterverkehr nimmt stetig zu und gerade LKWs bieten reichlich Optimierungspotenzial. Das EU-Projekt „Configurable and Adaptable Trucks and Trailers for Optimal Transport“, kurz TRANSFORMERS, will die Transporteffizienz um bis zu 25 Prozent steigern. LKWs sind heute primär auf das maximale Ladegewicht ausgelegt. Genau hier setzt das Forschungsprojekt an, LKWs sollten auf Ihre aktuelle Transport-Anforderung konfigurierbar sein um deren Effizienz zu erhöhen und Emissionen zu reduzieren. Das Ziel sind modulare, hybride Antriebskonzepte einschließlich einer aerodynamisch angepassten und beladungsoptimierten Fahrzeugarchitektur. Geplant ist etwa auch eine Elektrifizierung von Anhängern, die mit existierenden und auch zukünftigen LKWs beliebig kombinierbar sind. Somit können auch „alte“ LKWs mit Verbrennungsmotor durch „Hybrid-on-Demand“ aufgerüstet werden. Die Auslegung des Gesamtsystems erfolgt mit der Co-Simulations-Plattform ICOS.
Leichtes und komfortables E-Fahrzeug mit maximaler Reichweite
Virtuelle Entwicklungshilfe ist ebenfalls im EU-Projekt „epsilon“ ein wichtiges Thema. Die Forscher konzentrieren sich auf die Entwicklung eines perfekt abgestimmten Antriebsstrangs für elektrische Leichtfahrzeuge. Mit zahlreichen wissenschaftlichen Partnern wie der TU Graz, der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen (FKA) oder dem Fraunhofer IVI sowie Industriepartnern wie Autoliv, Axon oder Centro Ricerche Fiat wird eine optimale Architektur von Komponenten wie E-Motor, Hochspannungsbatterie, Leistungselektronik, Motorsteuerung, mechanische Kraftübertragung und Thermomanagement entworfen. Das Ziel ist, ein möglichst ökologisches, sicheres und komfortables Elektro-Auto mit großer Reichweite zu entwickeln.
Weniger Steuergeräte, geringere Komplexität, weniger Energieverbrauch
Im Rahmen der europäischen Green Vehicle Initiative (EGVI) geht es im vom VIRTUAL VEHICLE geleiteten Projekt „iCOMPOSE“ (Integrated Control of Multiple-Motor and Multiple-Storage Fully Electric Vehicles) besonders um ein Problem: In der Automobilindustrie werden einzelne Fahrzeugkomponenten und zugehörige Steuergeräte zumeist gesondert und teile-spezifisch entwickelt. Um eine optimale Energieeffizienz zu erreichen, muss jedoch in elektrischen Fahrzeugen die Integration und Interaktion aller Bausteine optimiert werden. Für die Fahrzeug-Hersteller ist die schnell wachsende Anzahl von Informations- und Kommunikations-Funktionen in vollelektrischen Fahrzeugen eine besonders große Herausforderung. Vor allem soll deren Integration nicht die Komplexität des Systems erhöhen, um mögliche Fehlerquellen zu vermeiden.
Die Projektpartner, darunter die University of Surrey, Lotus Cars, Skoda, AVL, Infineon und Fraunhofer IVI entwickeln ein verbessertes Gesamtenergiemanagement, das deutliche Energieeinsparungen und somit erhöhte Reichweiten für Elektro-Autos verspricht. Erreicht wird dies durch eine intelligente Zusammenlegung des Energiemanagements, des thermischen Managements, der Steuerung des Fahrverhaltens und der Fahrzeugdynamik in einem einzelnen Überwachungssteuergerät.
In Echtzeit virtuelle und reale Fahrzeugkomponenten als System testen
Dank immer stärkerer Rechnerkapazitäten werden heute auch sogenannte Co-Simulationen möglich. Das bedeutet virtuelle „Bauteile“ werden in Prüfständen mit realen Fahrzeugkomponenten in Echtzeit getestet. Hierzu wurde im COMET K2-Forschungsprojekt ACoRTA mit den Projektpartnern AVL, Porsche und TU Graz die Basis gelegt. Im heuer gestarteten dreijährigen Folgeprojekt ACoRTA-2 konnte nun auch Volkswagen als Partner gewonnen werden. Der Schwerpunkt liegt auf Usability und dem zuverlässigen Einsatz der neu entwickelten Methoden für industrielle Anwendungen im Fahrzeugbau, der Luftfahrt, in der Industrieautomatisierung oder bei Prüfanlagen.
http://www.v2c2.at – Website VIRTUAL VEHICLE
http://www.avl.com – Website AVL List
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