Sechste Jahresstudie zur Automobilindustrie
Ertragskraft der europäischen Automobilzulieferer um 32 Prozent abgestürzt
In der europäischen Automobilzulieferindustrie besteht nach einem massiven Ertragseinbruch im vergangenen Jahr akuter Handlungsbedarf. Dies ist das Ergebnis einer zum sechsten Mal von der international tätigen Top Managementberatung A.T. Kearney durchgeführten Studie, die heute in Deutschland vorgestellt wurde. Die Gründe für die schlechte Performance liegen im Preisdruck der Hersteller und in strukturellen Schwächen der Zulieferer.
Den hohen Exportzahlen ist es zu verdanken, dass die europäischen Automobilhersteller den auf dem europäischen Markt verzeichneten Nachfragerückgang von 19,7 auf 19,2 Mio. Fahrzeuge kompensieren konnten. Mit einem Rückgang der Ertragskraft (CFRIC – Cash Flow Return on Invested Capital)1) von 10,8 Prozent auf 8,9 Prozent schnitten sie damit nach wie vor besser ab als ihre nordamerikanischen (3,5 Prozent) und japanischen (6,3 Prozent) Wettbewerber. Gerade die deutschen Premiumanbieter Porsche und BMW konnten weltweit die besten Ergebnisse verbuchen. Im Gegensatz dazu brachen die Ergebnisse der europäischen Zulieferer von 12 Prozent auf 8,2 Prozent massiv ein und fielen unter die Ertragskraft der europäischen Automobilhersteller. Damit ist die europäische Zulieferindustrie zwar noch profitabler als die stagnierende japanische mit 6,8 Prozent, liegt aber hinter der nordamerikanischen mit 8,9 Prozent – und dies, obwohl sie in Technologie und Globalisierung führend ist.
Hersteller setzen Zulieferer unter Druck
Nach dem Ergebnis der A.T. Kearney-Studie sind 36 Prozent der Zulieferer durch hohe Verschuldung und schlechte Eigenkapitalausstattung existenziell bedroht.
A.T. Kearney Automotive-Experte Dr. Martin Haubensak: „Natürlich liegen Ursachen im massiven Preisdruck der Automobilhersteller. Diese werden aber ihr Einkaufsverhalten nicht verändern. Im Gegenteil: Aufwändige Entwicklungsarbeiten und kapitalintensive Fertigungen werden weiter an die Zulieferer ausgelagert.“ Das legt strukturelle Schwächen bei Zulieferern schonungslos offen. Beispielsweise haben Zulieferer große Probleme, die von Automobilherstellern aggressiv durchgesetzten Preisreduktionen an die eigenen Sublieferanten weiterzugeben. Der Grund dafür liegt in wenig ausgebauten Beschaffungsfunktionen.
Gewährleistungskosten sind das nächste Ertragsrisiko
Eine weitere Gefahr ist, dass die europäischen Automobilhersteller ihre Zulieferer bei Gewährleistungskosten stärker in die Pflicht nehmen. Damit folgen sie dem Beispiel Nordamerikas, wo mittlerweile aufgrund von Qualitätsproblemen und daraus folgenden Rückrufaktionen jährliche Gewährleistungskosten von EUR 10 Mrd. anfallen, die von den Automobilherstellern zunehmend auf ihre Zulieferer abgewälzt werden. Haubensak: „Das wird zur Nagelprobe der vielfach propagierten Partnerschaft. Das verursachungsgerechte Beteiligen der Zulieferer an den Gewährleistungskosten bedingt klare, von vornherein festgelegte Regeln und ein sauberes Zusammenarbeiten bei Entwicklung, Anlauf und Fertigung.“
Maßnahmen gegen den Abwärtstrend
Auswege aus der schlechten Ertragskraft der europäischen Zulieferer sieht Haubensak in massiven strukturellen Verbesserungen. „Zulieferer quetschen die geforderten Preissenkungen häufig aus der eigenen Wertschöpfung. Erforderlich ist, dass die Zulieferer durch strategisches Beschaffungs- und Lieferkettenmanagement rigoros Potenziale auch bei ihren eigenen Sublieferanten erschließen.“ Dazu gehört gezieltes Outsourcing. In der Konzentration auf Kernfähigkeiten und im Verlagern anderer Aktivitäten auf Sublieferanten und Dienstleister bestehen nach Ansicht von A.T. Kearney erhebliche noch nicht erschlossene Einsparungspotenziale.
Die technologiegetriebenen Zulieferer müssen lernen, aus den von den Herstellern übertragenen neuen Aktivitäten Gewinn zu generieren. Haubensak weiter: „Dazu gehört, auf hoffnungslos unrentable Aufträge zu verzichten, selbst wenn sie strategisch als bedeutsam erscheinen.“
Letztlich müssen die Zulieferer die Wachstumsmöglichkeiten durch innovative Entwicklungen in den Bereichen Sicherheit und Komfort sowie einen umfassenden Einsatz von Elektronik ausschöpfen.
1)CFRIC: Cash Flow Return on Invested Capital; der Cash Flow wird mit dem zu seiner Erwirtschaftung eingesetzten Kapital in Beziehung gesetzt
Cash Flow: Jahresüberschuss + Abschreibungen + Zinsaufwand + Erträge aus Minderheitsbeteiligungen + Sonderausgaben nach Steuern
Invested Capital: Aktiva + Aufgelaufene Abschreibungen – Verbindlichkeiten der Aktivseite – Latente Steueransprüche
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Weitere Informationen:
http://www.atkearney.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Automotive
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