Technik, die stärker ist als Schlaglöcher
In fünf bis zehn Jahren fahren autonome Autos auf deutschen Straßen – davon geht Professor Dr. Jian Song aus. Der Leiter des Labors für Feinsystemtechnik an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe arbeitet gemeinsam mit seinem Team daran, dass bis dahin die Technik ausreichend robust ist, damit der Verkehr sicher fließt.
Seit Juli 2019 forschen die Lemgoer Wissenschaftler gemeinsam mit der Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien EMFT an zuverlässigeren Steckverbindern.
Die Sinnesorgane des autonomen Autos
In autonomen Fahrzeugen gibt es viele Sensoren. Die von ihnen erfassten Daten werden übertragen an einen Steuercomputer. Jede Leitung braucht zwei Steckverbinder. Fällt ein Sensor aus – oder werden seine Daten fehlerhaft übertragen – hat das Auto ein Problem:
„Ein Sinnesorgan funktioniert nicht mehr“, veranschaulicht Song. Bei autonomen Fahrzeugen würde das dazu führen, dass diese angehalten werden. Während ein menschlicher Fahrer bei einer gelben Warnleuchte in der Regel entscheidet, zumindest bis nach Hause oder zur Werkstatt zu fahren, stoppt das autonome Auto sofort:
„Bei autonomen Fahrzeugen haftet der Autohersteller für die Sicherheit. Deshalb werden sie schon bei der kleinsten sicherheitsrelevanten Störung angehalten“, so Song.
Weil der Mensch als Kontrolleur und Entscheider wegfällt, muss die Technik besonders robust sein. Für die Zuverlässigkeit der Steckverbinder beim autonomen Fahren gibt es sogar eine weltweit gültige Vorschrift: Erlaubt ist ein Fehler pro einer Milliarde Betriebsstunden.
„Das klingt sehr streng – aber man muss beachten, dass jedes Auto bis zu 5.000 Steckverbinder hat“, erklärt Song und rechnet vor: Während der von den Herstellern angenommenen Lebensdauer eines Autos von 15 Jahren darf in einem von 30 Fahrzeugen eine Steckverbindung ausfallen.
Vibrationen und Hitze fordern Verbindungen heraus
Schäden in Steckverbindungen können vor allem durch Vibrationen und Hitze entstehen. Fährt ein Auto etwa über ein Schlagloch, so kommen alle Bauteile ins Schwingen. Auch der Motor selber sorgt für Vibrationen. Probleme mit Hitze können beispielsweise auftreten, wenn unterschiedliche Materialien verwendet sind, die sich bei Wärme verschieden stark ausdehnen.
Bisher ist nicht erforscht, welche Art von Vibrationen schädlicher ist für die Steckverbinder: schnelle oder langsame, wechselnde oder gleichförmige. Die Lemgoer Wissenschaftler wollen diese Lücke schließen und testen die Bauteile auf Prüfständen, mit denen sie die Belastungen im Fahrzeug simulieren. Viele der Anlagen im Labor für Feinsystemtechnik sind Maßanfertigungen der Lemgoer Forscher. Auch für das aktuelle Projekt müssen sie zunächst einen passenden Prüfstand entwickeln und aufbauen.
Unterstützt wird die Forschung von einem Ausschuss aus Vertretern von Unternehmen, beispielsweise vom Automobilzulieferer ZF und von Steckverbinderherstellern. Das AiF-Projekt wird von Juli 2019 bis Juni 2021 mit rund 400.000 Euro gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Rund die Hälfte der Fördersumme fließt an die TH OWL.
Forschung im Labor für Feinsystemtechnik
Das Labor für Feinsystemtechnik des Fachbereichs Maschinenbau und Mechatronik gehört zum Forschungsschwerpunkt „Innovative Werkstoffe“ der TH OWL. Im Labor arbeiten knapp 20 Mitarbeiter in Wissenschaft und Technik: Ingenieure aus dem Maschinenbau, der Mechatronik und den Werkstoffwissenschaften, Physiker sowie Physiklaboranten.
Professor Dr. Jian Song und sein Team forschen in enger Kooperation mit der Industrie der elektrischen Verbindungstechnik und mit der Automobilindustrie. Die Schwerpunkte liegen auf der Erforschung und Verbesserung von Funktionsoberflächen und Schichtsystemen für elektrische Kontakte. Häufig geht es außerdem um Verschleißprozesse, Schadensanalysen und Lebensdauerprüfungen.
Kontakt: Professor Dr. Jian Song, Telefon 05261 702-5028, E-Mail jian.song@th-owl.de
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