TU München präsentiert Fahrzeugkonzept für die urbane Elektromobilität
Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben daher ein Fahrzeugkonzept entwickelt, das alle Aspekte der Elektromobilität in einem umfassenden Ansatz neu denkt und optimiert. Ergebnis ist ein konkurrenzfähiges Fahrzeug, das schon in naher Zukunft große Teile der urbanen Mobilität abdecken könnte.
Wenn Erdölprodukte in naher Zukunft knapper und erheblich teurer werden, dann ist die Elektromobilität der Schlüssel dazu, die individuelle Mobilität weiterhin gewährleisten zu können. Aufgrund nicht zufriedenstellend lösbarer technischer Herausforderungen und mangelnder Kundennachfrage erreichte allerdings keines der bisher entwickelten Konzepte einen nennenswerten Marktanteil. Hauptsächlich durch Fortschritte in der Batterietechnologie sind seit ein paar Jahren Fahrzeuge wie beispielsweise der Tesla Roadster verfügbar, die eindrucksvoll zeigen, dass Elektromobilität und zeitgemäße Fahrleistungen prinzipiell miteinander vereinbar sind. Das Problem der Verfügbarkeit von Elektromobilität für breite Bevölkerungsschichten wird durch solche Fahrzeuge allerdings nicht gelöst.
20 Lehrstühle des Wissenschaftszentrums Elektromobilität (WZE) der Technischen Universität München haben sich nun zusammengeschlossen, um an einem Pilotprojekt zu zeigen, dass in naher Zukunft bezahlbare Elektromobilität auch für die Massenanwendung funktioniert. Das Projekt trägt den Namen MUTE (engl.: gedämpft, leise). Zum ersten Mal werden hier in einem umfassenden Forschungsansatz technische Herausforderungen mit sozioökonomischen Rahmenbedingungen verknüpft. Das daraus resultierende kostengünstige und innovative Fahrzeugkonzept für den Einsatz im städtischen Großraum und dessen Umland soll 2011 in Form eines ersten fahrbaren Prototyps auf der IAA in Frankfurt vorgestellt werden.
Eine große Herausforderung an die Elektromobilität stellt derzeit die im Vergleich zu Benzin wesentlich geringere Energiedichte elektrischer Energiespeicher dar. Gleichzeitig ist der Akkumulator der größte Kostenfaktor. Das Projekt MUTE erreicht eine deutliche Reduzierung der Kosten bei gleichbleibender Reichweite des Fahrzeugs vor allem über die Minimierung des Gesamtfahrzeuggewichts. Auch ein geringer Rollwiderstand und eine gute Aerodynamik tragen ihren Teil dazu bei. Hierdurch können Größe und Leistung der für ein Elektrofahrzeug kostenintensiven Komponenten, wie beispielsweise Akku, Antriebsmaschine und Leistungselektronik, niedrig gehalten werden. Das MUTE-Team entwickelt daher ein Elektrokleinfahrzeug der Zulassungsklasse L7E (max. Leergewicht 400kg, max. Antriebsleistung 15kW).
Als Energiespeicher nutzt MUTE einen Lithium-Ionen-Akkumulator mit einem neu entwickelten Batteriemanagement und innovativem Sicherheits- und Kühlsystem. Die Reichweite wird durch die Integration eines elektrischen Range-Extenders erhöht. Eine mögliche Variante ist die Verwendung einer Zink-Luft-Batterie. Ein ganzheitliches Energiemanagement ermöglicht eine effiziente Verteilung der Energie im Fahrzeug sowie ein optimales Nachladen der Batterie.
Ein innovativer differentialbasierter Antrieb mit Torque-Vectoring-Einheit erhöht die Fahrsicherheit und verbessert die Energierückgewinnung beim Bremsen. Das Betriebsverhalten des Elektromotors ist speziell auf die Anforderungen an ein Stadtfahrzeug der Klasse L7E (Gewicht, Betriebspunkte) ausgelegt ist. Trotz seiner sparsamen 15 kW beschert diese Kombination dem leichten Fahrzeug eine sportliche Beschleunigung und eine Höchstgeschwindigkeit von immerhin 120 km/h. Betrieben mit Strom aus dem heutigen deutschen Stromnetz, entspricht sein Kohlendioxid-Ausstoß 42g/km. Im Rahmen des Projekts werden aber auch Szenarien entwickelt, wie das Fahrzeug zu 100 Prozent mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden kann.
Auch bei der Sicherheit kann MUTE mit seinen in der Regel sehr viel schwereren Konkurrenten mithalten. Ein integrales Sicherheitskonzept, das unter anderem leichte und kostengünstig produzierbare CFK-Crashsysteme und Airbags einsetzt, schafft ein hohes Sicherheitsniveau. Eine Mobilfunkanbindung des Fahrzeugs an einen zentralen Server ermöglicht es, IT-basierte Mehrwertdienste anzubieten. Für die Elektromobilität sind dies Services wie etwa Sicherheitsfunktionen durch Verkehrslagedaten verschiedener Fahrzeuge, eine energieoptimale Routenführung, eine adaptive Reichweitenprognose oder eine flexible Anpassung der Ladestrategie. Aufgrund der Client-Server-Infrastruktur sind diese Mehrwertdienste für den Kunden personalisiert einsetzbar und nachträglich in das Fahrzeug integrierbar.
Heutige Automobile sind in der Regel für verschiedenste Einsatzfälle ausgelegt, von der langsamen Kurzstrecke bis hin zur schnellen Langstreckenfahrt. Im urbanen Bereich, der durch Kurzstreckeneinsatz mit ein bis zwei zu transportierenden Personen und wenig Gepäck geprägt ist, wäre der Elektroantrieb schon in absehbarer Zeit konkurrenzfähig einsetzbar; im Kurzstreckenlieferverkehr rechnet er sich schon heute. Ausgehend von Marktforschungsanalysen realisiert das MUTE-Projekt für die urbane Mobilität sozioökonomisch vorteilhafte Angebote. Dabei sind Konzepte für den Einsatz von Elektrofahrzeugen für den individuellen Transfer zwischen zwei Orten (Car-on-Demand) oder Konzepte mit einer Kopplung von öffentlichem Nahverkehr und Individualverkehr mit Elektrofahrzeugen angedacht.
In den kommenden zwölf Monaten soll das MUTE-Fahrzeugkonzept den Stand eines serienfähigen Prototyps erreichen, der von Industriepartnern anschließend zu einem marktfähigen Angebot weiterentwickelt werden kann. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Innovationen werden von den beteiligten Industriepartnern zu marktfähigen Lösungen weiterentwickelt. Mit der Realisierung des Fahrzeugs- und des Mobilitätskonzepts MUTE schaffen die Wissenschaftler neue Ansätze für weitere Forschungsthemen an der TU München auf dem Gebiet der Elektromobilität , die mit dem Fahrzeug als Demonstrator untersucht werden können.
Das Wissenschaftszentrum Elektromobilität der TU München bündelt die in mehr als 50 Lehrstühlen an acht Fakultäten bereits vorhandenen, teils langjährigen Forschungsaktivitäten zu Themen der Elektromobilität zu einem Kompetenzzentrum mit internationaler Strahlkraft. Es stellt Versuchsinfrastruktur, zentrale Prüfstände und Möglichkeiten zum Aufbau gemeinsamer Prototypen zur Verfügung und ist Andockstelle für nationale und internationale Kooperationen mit Forschungsstellen in Industrie und Wissenschaft.
Eine weitere zentrale Aufgabe des WZE ist die Erweiterung der universitären Ausbildung im Bereich Elektromobilität, um den zukünftigen Bedarf an Ingenieuren decken zu können. Dazu wird das Wissenschaftszentrum um zusätzliche Lehrstühle in relevanten Forschungsgebieten erweitert und Themen der Elektromobilität werden stärker in das bisherige Lehrangebot integriert. Eingebunden ist das Wissenschaftszentrum Elektromobilität in die neue ingenieurwissenschaftliche Fakultät Munich School of Engineering (MSE), die den Schwerpunkt Energie mit den drei Säulen Elektromobilität, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz hat.
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