Arbeitsteilung auf der Bakterienoberfläche
Bakterien der Art Thermus thermophilus besitzen zwei unterschiedliche Typen von Fortsätzen auf ihrer Oberfläche (Pili), um sich fortzubewegen und um DNA aus ihrer Umgebung einzufangen und aufzunehmen.
Das haben jetzt Forscher der Goethe-Universität zusammen mit Kollegen aus Großbritannien herausgefunden. Die Entdeckung des Fortbewegungs-Pilus hilft, die Funktionsweise des DNA-Fänger-Pilus besser zu verstehen. (Nature Communications, DOI 10.1038/s41467-020-15650-w)
Das Bakterium Thermus thermophilus hat es gerne sehr warm. Erstmals wurde es in den heißen Quellen im japanischen Izu entdeckt, wo es bei rund 65 Grad Celsius optimal gedeiht. Wie alle Bakterien hat Thermus thermophilus Mechanismen entwickelt, um sich wechselnden Umweltbedingungen anzupassen.
Dazu verändert das Bakterium sein Erbgut, indem es mit anderen Thermus-Bakterien DNA austauscht oder DNA-Bruchstücke aus seiner Umgebung aufnimmt. Die können von abgestorbenen Bakterien, aber auch von Pflanzen oder Tieren stammen. Das Bakterium baut die DNA-Stücke in sein eigenes Erbgut ein und behält sie, wenn sie sich als nützlich erweisen.
Mikrobiologen der Goethe-Universität um Prof. Beate Averhoff aus der Abteilung für Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik des Instituts für Molekulare Biowissenschaften haben jetzt zusammen mit Wissenschaftlern um Dr. Vicky Gold vom „Living Systems“-Institut der University of Exeter in Großbritannien die Härchen (so genannte Pili) auf den Oberflächen von Thermus-Bakterien untersucht.
Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass es sich um zwei verschiedene Typen von Pili handelt, die unterschiedliche Funktionen haben. Auf hochauflösenden elektronenmikroskopischen Bildern aus Großbritannien ließen sich dicke und dünne Pili unterscheiden, und mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden wiesen die Frankfurter Forscher nach, dass die dicken Pili zur DNA-Aufnahme und die dünnen Pili der Bewegung auf Oberflächen dienen.
„Wir wollen herausfinden, wie genau Thermus thermophilus über seine Pili DNA aus der Umgebung aufnimmt, denn der genaue Mechanismus ist nicht bekannt“, erklärt Prof. Beate Averhoff vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Goethe-Universität.
„Durch unsere jüngsten Untersuchungen haben wir gelernt, dass Thermus-Bakterien eigene Pili besitzen, mit denen sie sich fortbewegen. Damit dienen die dicken Pili womöglich nur der DNA-Aufnahme, was zeigt, wie wichtig dieser Prozess für die Bakterien ist. In unseren Strukturanalysen haben wir zudem einen Bereich auf den dicken Pili gefunden, an den DNA gut binden könnte.“
Das Zusammenspiel von Elektronenmikroskopie und Molekularbiologie hat die Wissenschaftler auch die Mechanik der Pili besser verstehen lassen. Denn sowohl für Bewegung wie auch für die DNA-Aufnahme müssen die Pili dynamisch sein, also aus- und wieder eingefahren werden können. „Die hochauflösende Struktur der beiden Pili erlaubt uns zum ersten Mal Einblicke nicht nur in den Aufbau der Pili, sondern auch in die Dynamik“, erläutert Averhoff.
Da Pili weit verbreitet sind und auch in pathogenen Bakterien für die Anheftung an den Wirt verantwortlich sind, könnten sich daraus neue Angriffspunkte zur Verhinderung von Infektionsprozessen ergeben.
Publikation: Alexander Neuhaus, Muniyandi Selvaraj, Ralf Salzer, Julian D. Langer, Kerstin Kruse, Lennart Kirchner, Kelly Sanders, Bertram Daum, Beate Averhoff, Vicki A. M. Gold (2020). Cryo-electron microscopy reveals two distinct type-IV pili assembled by the same bacterium. Nature Communications 11, 2231 (2020), https://doi.org/10.1038/s41467-020-15650-w
Bild zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/88063115
Bildtext: Bakterien der Art Thermus thermophilus besitzen unterschiedliche Härchen (Pili), die entweder zum Einfangen von DNA oder zur Fortbewegung genutzt werden. Dies haben Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt und der University of Exeter herausgefunden. Grafik: aduka, Agency Frankfurt am Main(www.aduka.de) für Goethe-Universität Frankfurt.
Weitere Informationen:
Prof. Beate Averhoff
Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik
Tel.: (069) 798-29509
averhoff@bio.uni-frankfurt.de
https://www.mikrobiologie-frankfurt.de
Aktuelle Nachrichten aus Wissenschaft, Lehre und Gesellschaft in GOETHE-UNI online (www.aktuelles.uni-frankfurt.de)
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der drei größten deutschen Universitäten. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist die Goethe-Universität Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. www.goethe-universitaet.de
Herausgeberin: Die Präsidentin der Goethe-Universität Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Prof. Beate Averhoff
Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik
Tel.: (069) 798-29509
averhoff@bio.uni-frankfurt.de
https://www.mikrobiologie-frankfurt.de
Alexander Neuhaus, Muniyandi Selvaraj, Ralf Salzer, Julian D. Langer, Kerstin Kruse, Lennart Kirchner, Kelly Sanders, Bertram Daum, Beate Averhoff, Vicki A. M. Gold (2020). Cryo-electron microscopy reveals two distinct type-IV pili assembled by the same bacterium. Nature Communications 11, 2231 (2020), https://doi.org/10.1038/s41467-020-15650-w
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Selen-Proteine: Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung
Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von Krebs bei Kindern könnte diese…
Pendler-Bike der Zukunft
– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…
Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung
Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…