Bakterielle Toxine im Darm
Bei Infektion kann eine Penizillingabe zu hämorrhagischem Durchfall führen. Diese seltene, aber extrem unangenehme Nebenwirkung wird dem Enterotoxin Tilivallin zugeschrieben, einem Metaboliten eines natürlichen Darmbakteriums.
Österreichische Wissenschaftler haben jetzt die Biosynthese des Toxins sorgfältig untersucht. Aus den Ergebnissen, die sie in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie präsentieren, lassen sich neue Erkenntnisse über bakterielle Toxine und die biologischen Mechanismen von Antibiotika-Nebenwirkungen ableiten.
Manche Bakterien reagieren auf Penizillin, manche nicht. Wenn Patienten Antibiotika schlucken, um bakterielle Erreger abzutöten, verändert sich ihre gesamte Darmflora. Führt das dadurch entstehende bakterielle Ungleichgewicht dazu, dass eine Bakterienart überhandnimmt, die selbst Toxine produziert, können Darm- und Stoffwechselerkrankungen auftreten.
In einer fachübergreifenden Kooperation haben nun Ellen Zechner von der Universität Graz und ihre Kollegen untersucht, welche Rolle das Penizillin-resistente Enterobakterium Klebsiella oxytoca bei der Antibiotika-induzierten hämorrhagischen Kolitis (AAHC) spielt.
Als erstes Enterotoxin identifizierten die Wissenschaftler Tilivallin, das in höheren Dosen die Darmschleimhaut angreift und Kolitis auslösen kann. Überraschenderweise besitzt Tilivallin das chemische Grundgerüst der Pyrrolobenzodiazepine, aus Bodenbakterien isolierten Metaboliten.
Diese werden derzeit als Antikrebsmittel intensiv untersucht und in klinischen Tests erprobt. Nachdem die Wissenschaftler die Gencluster für die Toxinbiosynthese identifiziert hatten, ermittelten sie den vollständigen Biosyntheseweg von Tilivallin in Klebsiella durch biomolekulare und molekulargenetische Versuche.
Tilivallin selbst besitzt keine DNA-schädigende Wirkung wie seine Antitumor-Antibiotika-Verwandten, da das chemisch aktive Zentrum, über das die DNA angegriffen wird, in der Tilivallin-Struktur blockiert ist. Die blockierende chemische Gruppe, ein Indol, kommt jedoch erst im letzten Schritt der Biosynthese hinzu, wie die Wissenschaftler herausfanden.
Davor wird eine Substanz gebildet, die die Forscher Tilimycin nannten, und die sogar ein noch stärkeres Toxin als das Endprodukt Tilivallin ist. Dazu kommt, dass die Indolanlagerung spontan abläuft, ohne Hilfe eines Enzyms. Die Autoren stellten daher fest: „Klebsiella oxytoca ist in der Lage, zwei Pyrrolobenzodiazepine mit unterschiedlicher Funktionalität zu produzieren, je nachdem, ob Indol in der Umgebung verfügbar ist.“ Indol ist eine natürliche Komponente im menschlichen Darm.
Beide Hauptergebnisse, der Arbeit, der aufgeklärte Biosyntheseweg von Tilivallin und die Entdeckung des Toxins Tilimycin als stabiles Zwischenprodukt, haben wichtige physiologische und pharmakologische Auswirkungen.
Zunächst lassen sich aus den Erkenntnissen über die Entstehung von AAHC neue Behandlungsstrategien dieser Krankheit ableiten. Unerwünschte Nebenwirkungen von Antibiotika ließen sich vermeiden oder abmildern. Und zweitens könnte der ungewöhnliche Biosyntheseweg für Pyrrolobenzodiazepine den Forschern neue Ideen liefern, um Antikrebsmittel zu entwickeln.
Angewandte Chemie: Presseinfo 45/2017
Autor: Ellen L. Zechner, Universität Graz (Austria), http://dk.uni-graz.at/index.php?item=supervisors_details&id=1
Link zum Originalbeitrag: https://doi.org/10.1002/ange.201707737
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