Bekämpfung lebensbedrohlicher Pilzinfektionen durch RNA-Modifikationen
Die Bedeutung von RNA-Modifikationen für die Entwicklung von Resistenzen bei Pilzen lässt auf eine wirksamere Behandlung von Pilzinfektionen hoffen.
Ein oft übersehener Mechanismus der Genregulation könnte an dem Scheitern von Antimykotika in der klinischen Anwendung beteiligt sein. Dies haben ein deutsch-österreichisches Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans Knöll Institut (Leibniz-HKI) herausgefunden. Die Studie konzentrierte sich auf den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, der insbesondere bei immungeschwächten Menschen lebensbedrohliche Infektionen verursachen kann. Zielgerichtete Veränderungen der pilzlichen RNA ermöglichen ein besseres Verständnis der molekularen Mechanismen, die für die Entwicklung von Resistenzen und die Abwehrmechanismen des Pilzes gegen Medikamente verantwortlich sind.
Seit langem ist bekannt, dass Bakterien zunehmend resistent gegen Antibiotika werden. Das Risiko, bakterielle Infektionen nicht mehr erfolgreich behandeln zu können, steigt ständig. Ebenso kritisch – wenn auch nicht im öffentlichen Fokus – ist die Resistenz von Pilzpathogenen gegen Antimykotika, die durch den massiven Einsatz ähnlicher Wirkstoffe in der Landwirtschaft verschärft wird. Dieses Problem spiegelt sich in alarmierenden Daten wider: Mit über einer Milliarde Infektionen und rund 3,75 Millionen Todesfällen pro Jahr stellen Pilzinfektionen eine erhebliche Bedrohung für den Menschen dar – der Trend steigt weiter.
Die Behandlung von Pilzinfektionen basiert derzeit auf einigen wenigen Gruppen medizinischer Wirkstoffe wie Echinocandine, Polyene, Azole oder der synthetischen Verbindung Fluorocytosin. Das Team unter der Leitung von Matthew Blango, Leiter einer Juniorforschungsgruppe am Leibniz-HKI, nutzte die bekannte Wirkungsweise von Fluorocytosin bei Aspergillus fumigatus als Grundlage für die Untersuchung der Entwicklung pilzlicher Resistenzen.
Großer Wert Zellkontrolle
Ribonukleinsäure, kurz RNA, kommt in allen lebenden Organismen vor und reguliert die Speicherung, Übertragung und Nutzung genetischer Informationen, einschließlich der Proteinproduktion. Es wird zwischen verschiedenen RNA-Typen mit unterschiedlichen Funktionen unterschieden. Zum Beispiel ist tRNA (Transfer-RNA) ein Adaptermolekül, das den genetischen Code auf mRNA (Messenger-RNA) in ein funktionales Produkt (Protein) am Ribosom entschlüsselt.
Die RNA-Forschung erlebt derzeit eine kleine Revolution, da zahlreiche Kontrollfunktionen von RNA-Molekülen – einschließlich solcher zwischen verschiedenen Organismen – noch nicht gut bekannt sind.
Alle chemischen Veränderungen der RNA in der Zelle zusammen bilden das Epitranskriptom, das oft wie ein Dimmer-Schalter dient, um die Genexpression anzupassen. Während der Genexpression liest die Zelle die Bauanleitungen für ein Protein aus der DNA-Sequenz eines Gens und setzt sie um. Dies ermöglicht der Zelle, zu funktionieren und auf ihre Umgebung zu reagieren.
Dieses grundlegende Wissen darüber, wie RNA funktioniert, half den Forschern, einen präzisen Ausgangspunkt für die Untersuchung der Rolle von Modifikationen in der Pilzbiologie zu finden.
Großer Wert für Geld Resistenz?
In der Studie untersuchte das Forschungsteam zunächst das Enzym Mod5 im Pilz Aspergillus fumigatus. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Modifikation von tRNA. Diese chemischen Veränderungen der tRNA helfen der Zelle, korrekt Proteine zu produzieren, die für ihre Funktion wichtig sind. „Im ersten Schritt haben wir das Mod5-Enzym aus dem Pilz entfernt“, berichtet Alexander Bruch, einer der Autoren. „Infolgedessen reagierte der Pilz negativ auf Stress und schaltete frühzeitig auf ein Schutzsystem namens Cross-Pathway-Control um.“ „Normalerweise wird dieses System aktiviert, wenn die Zelle unter Stress steht, zum Beispiel während der Nahrungsmittelknappheit oder der Verabreichung von Medikamenten“, fügt seine Kollegin Valentina Lazarova hinzu. Bruch erklärt weiter: „Mit dem Protein NmeA haben wir eine neue Komponente entdeckt, die von diesem Schutzsystem stimuliert wird. Es hilft dem Pilz, schädliche Substanzen aus der Zelle zu transportieren. In diesem Fall ermöglicht es dem Pilz, das Antimykotikum Fluorocytosin zu überleben.“
„Wir konnten zeigen, dass Proteine wie NmeA dem Pilz helfen, sich der Medikamentenbehandlung zu entziehen und eine Option bieten, vorübergehend resistent gegen Antimykotika zu werden“, sagt Matthew Blango. „Unsere Erkenntnisse könnten für bessere Behandlungsstrategien gegen Pilzinfektionen genutzt werden. Wir stehen jedoch erst am Anfang der Forschung in diesem Bereich.“
Die Studie ist Teil des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ in Jena, der die Regulation und das Gleichgewicht mikrobieller Gemeinschaften erforscht, und wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Juniorforschungsgruppe von Dr. Matthew Blango wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Junior Research Groups in Infection Research“ gefördert.
Institutionen
- Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans Knöll Institut (Leibniz-HKI)
- Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
- Medizinische Universität Innsbruck
Expertenkontakt
Dr. Matthew Blango
E-Mail: matthew.blango@leibniz-hki.de
Telefonnummer: +49 3641 532-1072
Originalveröffentlichung
Alexander Bruch, Valentina Lazarova, Maximilian Berg, Thomas Krüger, Sascha Schäuble, Abdulrahman A. Kelani, Birte Mertens, Pamela Lehenberger, Olaf Kniemeyer, Stefanie Kaiser, Gianni Panagiotou, Fabio Gsaller, Matthew G. Blango
Zeitschrift: Nucleic Acids Research
Artikel Titel: tRNA hypomodification facilitates 5-fluorocytosine resistance via cross-pathway control system activation in Aspergillus fumigatus
Artikel Veröffentlichungsdatum: 23. Dezember 2024
DOI: https://doi.org/10.1093/nar/gkae1205
Quelle: IDW
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