Deutsche Forscher endecken Muskelbefestigungs-Gen
Einem Forschungsteam der Bonner Universität ist es gelungen, in der Fruchtfliege und in Säugetieren ein Gen zu identifizieren, das für die Befestigung von Muskeln im Körper verantwortlich ist. Mutationen des Gens führen zum völligen Verlust der Muskelverankerung wodurch die Körpermuskeln keine Zugkraft entwickeln können, sich abrunden und letztlich degenerieren. In ähnlicher Form existiert das Gen auch beim Menschen, berichten die Forscher um den Entwicklungsbiologen Michael Hoch in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature Cell Biology.
Die Wissenschaftler haben dem Gen, das in der Fruchtfliege und im Menschen in nur einer Kopie vorkommt, den Namen „Wech“ gegeben. Der Funktionsverlust könne möglicherweise neben Muskeldefekten auch schwerste Hauterkrankungen und Metastasierung und Tumorbildung zur Folge haben, berichten die Forscher. Wie wichtig dieses Gen eigentlich ist, schildern die Forscher anhand von Versuchen mit dem Modellorganismus, der Fruchtfliege Drosophila. „Wenn wir das Gen in der Fruchtfliege ausschalten, wird die Fliegenmuskulatur nicht mehr an der Körperwand befestigt und die Tiere sterben noch im Embryonalstadium, da sich die gesamte Körpermuskulatur ablöst und letztendlich degeneriert“, erklärt Hoch. Höhere Organismen können nämlich nur dann funktionieren, wenn ihre Bausteine – das sind die Zellen – geordnete Verbünde bilden. Wech spielt dabei offensichtlich eine wesentliche Rolle, da es dafür sorgt, dass Zellen sich auf Oberflächen oder an anderen Zellen festhalten können.
Hoch konnte gemeinsam mit dem Forscherkollegen Waldemar Kolanus nachweisen, dass das Gen auch in Mäusen vorkommt und dort ebenfalls in der Körpermuskulatur aktiv ist. Schließlich ist es dem Forscherteam in Untersuchungen gelungen, das Gen auch beim Menschen zu identifizieren. Dabei stießen sie auf eine weitere Besonderheit: Wech hat sich seit mehreren hundert Millionen Jahren kaum verändert. Dass es Gene gibt, die sowohl in der Fruchtfliege als auch in ähnlicher Form beim Menschen vorkommen, ist nichts Außergewöhnliches. Häufig ist es aber so, dass sich Erbanlagen im Laufe der Evolution vervielfachen und aus einem einzigen Fliegen-Gen beim Menschen eine ganze Genfamilie, deren Mitglieder mit der Zeit völlig verschiedene Aufgaben übernehmen können, entstehen. „Bei dem Wech-Gen ist das anders“, erklärt Hoch. Es komme sowohl bei der Maus als auch beim Menschen nur in einer einzigen Kopie vor. „Das macht es wahrscheinlich, dass es bei Säugetieren dieselbe Funktion übernimmt wie in der Fruchtfliege.“
Nun wollen die Forscher, die sich seit einigen Jahren zum Bonner Life & Medical Sciences Institut LIMES zusammengeschlossen haben, gemeinsam mit dem Humanmediziner Joachim Schultze untersuchen, welche Rolle Wech bei der Entstehung von menschlichen Muskel- und Hauterkrankungen sowie bei Krebs spielt. Ein Beispiel ist die Hautkrankheit Epidermolysis bullosa. Bei dieser ist die Verankerung zwischen den Hautschichten unzureichend ausgebildet. Folge sind großflächige schlecht heilende Wunden, die tödlich enden können. „Aber auch in vielen Tumoren ist die Zellhaftung gestört. Daher können sich einzelne Krebszellen aus der Geschwulst lösen und an anderen Stellen im Körper Metastasen bilden“, erklärt Hoch. Das neu entdeckte Wech-Gen könnte hier ein Schlüsselregulator sein.
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