Wie Killerzellen auf die richtige Spur kommen

Die Forscher hoffen nun auch auf neue Therapien gegen Autoimmunkrankheiten wie Diabetes vom Typ I. Ihre Studie erscheint am 30. März online in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature Immunology (http://dx.doi.org/10.1038/ni.1601).

Im Immunsystem gibt es manche Parallelen zur Verbrecherjagd. Gegen Viren und Tumoren, in diesem Bild die Verbrecher, alarmiert das Immunsystem als Spürhunde die zytotoxischen T-Zellen, auch „Killerzellen“ genannt. Sie können virusinfizierte Zellen oder Krebszellen erkennen und in den Selbstmord treiben oder direkt zerstören. Dazu müssen sie aber zunächst wissen, gegen welchen Feind sie kämpfen sollen.

Diese Aktivierung übernehmen die so genannten dendritischen Zellen. Sie nehmen Proteine von Viren oder Tumoren („Antigene“) auf und zerkleinern sie. Danach transportieren sie die Bruchstücke an ihre Oberfläche und präsentieren sie den zytotoxischen T-Zellen. Dadurch wissen diese nun, welche Verbrecher sie jagen sollen. Sie vermehren sich dann massiv und schwärmen in alle Gewebe aus, um ihre Aufgabe zu verrichten: nämlich die virusinfizierten oder bösartig veränderten Zellen zu bekämpfen.

Dieser Aktivierungsmechanismus heißt Kreuzpräsentation. Vor mehr als zehn Jahren wurde er in Melbourne, Australien, erstmals beschrieben – unter anderem durch den Immunologen Professor Dr. Christian Kurts. Kurts ist inzwischen am Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie der Uni Bonn tätig. Seine Mitarbeiter und er untersuchen dort unter anderem, wie die Kreuzpräsentation im Detail abläuft.

Ein neues Zellorganell als Antigen-Verladebahnhof

Ungeklärt war bislang nämlich vor allem, auf welche Weise die dendritischen Zellen die Antigene zerlegen und dann an ihre Oberfläche bringen. Man kannte zwar das Transportvehikel, die „MHC Klasse I“-Moleküle. Doch wo dieser Transporter beladen wird, war unbekannt. In der aktuellen Studie konnten Dr. Sven Burgdorf und Professor Kurts zusammen mit Kollegen der Universität Frankfurt dieses Rätsel lüften. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Organellen, von deren Existenz man erst seit zwei Jahren weiß, deren Funktion aber bislang unbekannt war: Die so genannten „Stable Early Endosomes“.

Organellen sind Strukturen innerhalb der Zellen, die spezifische Funktionen übernehmen – ähnlich wie das im Körper die Organe tun, z.B. der Magen oder die Niere. Das bekannteste Organell ist der Zellkern, in dem die Erbinformation gespeichert ist. Endosomen („innere Körper“) sind dagegen membranumhüllte Hohlräume, die unter anderem der Aufnahme und dem Transport von Molekülen dienen. Sie sind also beispielsweise an der Nahrungsaufnahme der Zelle beteiligt. In den dendritischen Zellen werden sie jedoch auch zur Antigenaufnahme eingesetzt, wie die Bonner Wissenschaftler bereits vor einem Jahr in einer „Science“-Publikation zeigen konnten. In der aktuellen Studie weisen sie nun nach, dass ein Teil der innerhalb der dendritischen Zelle zerkleinerten Antigene über einen Kanal in die Stable Early Endosomes gelangt und dort auf MHC Klasse I Moleküle geladen wird. Danach wandern diese Endosomen mit ihrem Inhalt zur Zelloberfläche und verschmelzen mit der Zellmembran. Die mit Antigenen beladenen MHC-Transporter befinden sich nun auf der Zelloberfläche und können von Killerzellen erkannt werden.

„Unsere Erkenntnisse sind grundlegend für das Verständnis der Funktion dendritischer Zellen“, erklärt Professor Kurts. „Sie ermöglichen so die Entwicklung effektiverer Impfstoffe gegen Viren und Krebs.“ Außerdem sehen die Forscher neue Ansatzpunkte für die Behandlung von so genannten Autoimmunkrankheiten. „Bei Erkrankungen wie Typ I Diabetes kämpft das Immunsystem fälschlicherweise gegen körpereigene Zellen“, erläutert Dr. Burgdorf. „Grund ist eine fehlerhafte Aktivierung von Killerzellen. Wenn man die Kreuzpräsentation hemmt, kann man diese Aktivierung vielleicht unterbinden.“

Die Bonner Wissenschaftler haben ihre Erkenntnisse nutzen können, um spezifische Hemmstoffe der Kreuzpräsentation zu entwickeln. Außerdem konnten Dr. Burgdorf und sein Assistent Andreas Kautz in Zellkulturexperimenten zeigen, dass das Malariamittel Primaquin den Transport von Endosomen an die Zelloberfläche verhindert. Das Medikament stoppt so die Antigenpräsentation und damit auch die Aktivierung der T-Killerzellen. „Möglicherweise ist das ein neuer Weg, um Autoimmunerkrankungen zu behandeln“, hofft Burgdorf.

Ermöglicht wurde die Studie durch den Bonner immunologischen Sonderforschungsbereich 704 und die Nachwuchsförderung der medizinischen Fakultät (Bonfor = Bonner Forschung). Beteiligt waren zudem Forscher des Frankfurter Sonderforschungsbereiches 628 und des dortigen Instituts für Biochemie unter Leitung von Professor Dr. Robert Tampé.

Kontakt:
Professor Dr. Christian Kurts und Dr. Sven Burgdorf
Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie
Universität Bonn
Telefon: 0228/287-11031 oder -11019
E-Mail: ckurts@uni-bonn.de, sven.burgdorf@ukb.uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://dx.doi.org/10.1038/ni.1601

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