Alzheimer-Impfung in greifbarer Nähe
Das Wiener Biotech-Unternehmen Affiris will binnen der nächsten fünf bis sechs Jahre eine wirksame und verträgliche Immunisierungsmethode gegen Alzheimer zur Marktreife bringen. Dies teilte das Unternehmen heute, Donnerstag, mit.
Derzeit werden zwei Studien mit Impfstoffen zum Faktor Sicherheit und Verträglichkeit an Patienten mit leichter und mittelschwerer Alzheimer-Erkrankung am Wiener Allgemeinen Krankenhaus und dem Institut für Psychosomatik durchgeführt. „Alle Patienten, die bisher geimpft wurden, haben den Wirkstoff gut vertragen“, fasst Universitätsprofessor Achim Schneeberger, Leiter der Klinischen Forschung und Entwicklung bei Affiris, gegenüber pressetext zusammen.
Während die Zahl der an Demenz Erkrankten in Österreich bis 2050 von derzeit 100.000 Betroffenen auf gut 250.000 Fälle steigen werde, wie Andreas Winkler vom Wiener Haus der Barmherzigkeit aufzeigte, stünden demgegenüber nur moderat wirksame Medikamente. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts sei Alzheimer bekannt, es gebe aber erst seit zehn Jahren Medikamente. „Leider wirken die bisherigen Medikamente nur auf die Symptome der Erkrankung, auf die Ursachen können sie nicht einwirken“, erklärt der Neurologe Winkler. Zudem sei deren Wirksamkeit nur über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren nachweisbar. Hier wolle Affiris ansetzen und einen aktiven Impfstoff schaffen, der in den ursächlichen Krankheitsverlauf eingreife, so Schneeberger.
Heute gelten die sogenannten Beta-Amyloide, giftige Bruchstücke eines körpereigenen Eiweißes, das auf jeder Gehirnzelle zu finden ist, als wesentliche Ursache der Entstehung von Alzheimer. Im Hirngewebe von Alzheimer-Patienten kämen diese Bruchstücke in großer Zahl vor und bilden Eiweißklumpen, die Amyloid-Plaques. Ein solches Überangebot von Beta-Amyloiden führt zum Absterben von Gehirnzellen und somit zum schleichenden Verlust der Fähigkeit Informationen abspeichern und verarbeiten zu können. Das Vorhaben der Biologen von Affiris ist es, einen Wirkstoff zu entwickeln, der den Beta-Amyloiden synthetisch nachempfunden ist und nach Impfung eine Immunabwehr des Körpers hervorrufen soll – gegen die originären schädlichen Beta-Amyloide. Die Schwierigkeit an diesem Verfahren sei es aber eine solche Substanz herzustellen, die bewirkt, dass ausschließlich die toxischen Eiweiße von den Antikörpern angegriffen und zerstört werden und nicht etwa auch das körpereigene Eiweiß APP, von dem die Beta Amyloide abgespalten werden.
Mittlerweile seien zwei Impfstoffe hergestellt worden und befinden sich seit September 2007 bzw. Ende Februar 2008 in der klinischen Untersuchung. Die Studie zur Sicherheit der Impfstoffe sei deshalb so wichtig, weil bereits vor einigen Jahren das amerikanisch-irische Pharma-Unternehmen Elan/Wyeth http://www.elan.com bei einem Impfstoff-Test an den Nebenwirkungen gescheitert sei. Aufgrund von Gehirnentzündungen hatte die Untersuchung abgebrochen werden müssen. Bei einem Teil der Patienten hatte man jedoch feststellen können, dass die Impfung gewirkt hatte und schützende Antikörper entwickelt wurden. Bei den Impfstoffen von Affiris seien bisher jedoch keine derartigen Nebenwirkungen aufgetreten. „Das Verfahren hat sich bisher als wirksam erwiesen. Es werden bereits Patienten geimpft und die Daten sehen gut aus“, sagt Winkler. Ende des Jahres werde man die Studie zur Sicherheit der Wirkstoffe abschließen können und Untersuchungen zur Wirksamkeit beginnen. Bis dahin werde man aber bereits Trends ableiten können. Tests an Mäusen haben bereits positive Resultate ergeben: Die Amyloid-Plaques konnten hier durch den Impfstoff um 70 Prozent reduziert werden. In Hirnleistungstests hätten die Tiere signifikant besser abgeschnitten.
Sollte sich das Medikament als wirksam und in der Großzahl der Fälle als verträglich erweisen, würde man es zur vorbeugenden Behandlung empfehlen, so Schneeberger. Mit den ersten drei bis vier Impfungen – die derzeit in den Studien kontrolliert verabreicht werden – soll eine Immunantwort des Körpers hervorgerufen werden. Dann müsste die Impfung zur Aufrechterhaltung des Schutzes in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. „Das ist allerdings noch Zukunftsmusik“, sagte Schneeberger abschließend.
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