Neue Erkenntnisse über Immunsystem bei Amphibien

Die Gene des so genannten Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) produzieren Proteine, die ausschlaggebend sind für die Abwehr von Krankheiten. Forscher der Jagiellonen-Universität Krakau und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) untersuchten die genetische Variation und konnten jetzt erstmals bei einem Schwanzlurch mehr als einen MHC-II-Genort nachweisen.

Im Gegensatz zu Säugetieren ist über die Immunabwehr bei Amphibien bisher wenig bekannt. Weltweit gehen die Amphibienpopulationen stark zurück – größtenteils verursacht von sich schnell ausbreitenden Infektionskrankheiten wie der Pilzkrankheit Chytridiomykose. Deshalb könnten künftige Schutzstrategien für Amphibien vom Wissen über artenspezifische Anpassungen profitieren, die verschiedene Genvarianten des MHC-Komplexes anzeigen, schreiben die Forscher im Fachblatt Molecular Ecology.

Die Forscher hatten für ihre Studie verschiedene Populationen des Bergmolches (Mesotriton alpestris) in Polen am nördlichen Rand des Verbreitungsgebietes dieser mitteleuropäischen Art genetisch untersucht. Der Bergmolch ist in Europa die erste und weltweit die dritte Schwanzlurchart, bei der der MHC-Komplex untersucht wurde und die erste, bei der mehrere MHC-II-Gene gefunden werden konnten.

Dass der Haupthistokompatibilitätskomplex (Major Histocompatibility Complex / MHC) eine wichtige Rolle für die Immunabwehr bei Säugetieren spielt, ist inzwischen allgemein anerkannt. Die Entdeckung bei Schwanzlurchen zeigt jedoch, dass die genetische Variation beim MHC auch für diese Gruppe von Bedeutung ist: “Wir konnten in dieser Studie nachweisen, dass es eine positive Selektion gegeben hat”, berichtet Wieslaw Babik von der Jagiellonen-Universität Krakau. “Das bedeutet, dass diese Gene eine wichtige Rolle spielen für das Erkennen und Bekämpfen von Krankheiten durch das Immunsystem.”

Der Hauptautor dieser Studie, Wieslaw Babik, hatte die Untersuchungen während eines Kooperationsprojekts zwischen der Universität Krakau und dem UFZ in Halle/Saale durchgeführt, das durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung finanziert wurde. “Bisher nahm die Wissenschaft an, dass der MHC-Komplex bei Amphibien nicht besonders wichtig wäre. Das ist aber entschieden nicht der Fall”, erläutert Dr. Walter Durka vom UFZ, der Wieslaw Babik während dessen Postdoc-Zeit betreute.

In einer früheren DNA-Studie konnten die Forscher zeigen, dass die polnischen Populationen des Bergmolches am nördlichen Rand des Verbreitungsgebietes in den letzten 10.000 Jahren vergleichsweise schnell eine hohe genetische Vielfalt erreicht haben. Die drei von einander isolierten Populationen in den Sudeten, Karpaten und dem Heiligkreuzgebirge sind wahrscheinlich aus einem einzigen Refugium entstanden, in dem die Tiere während der letzten Eiszeit überlebt haben.

Bergmolche kommen vorwiegend im bewaldeten Hügel- und Bergland Mitteleuropas bis in Höhen von 2500 Metern vor. Daneben gibt es auch noch Unterarten in Spanien, Italien und auf dem Balkan. Zur Fortpflanzung ist die Art auf kleine Gewässer angewiesen, in denen die Weibchen nach der Paarung ihre Eier ablegen und aus denen sich dann die Molchlarven entwickeln. Nach der Metamorphose gehen die Molche an Land, wo sie unter Baumwurzeln oder Steinen überwintern. Die Tiere können bis zu 20 Jahre alt werden. Eine Besonderheit des mit maximal 11 cm kleinsten einheimischen Molches ist die Anzahl der Zehen: Wie bei allen Schwanzlurchen besitzen die Hintergliedmaßen meist fünf, die Vordergliedmaßen vier Zehen.

Tilo Arnhold

Mehr zum Thema Biodiversität finden Sie in einer Spezialausgabe des UFZ-Newsletters zur 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Biologischen Vielfalt (COP9), die vom 19. bis 30. Mai 2008 in Bonn stattgefunden hat.

http://www.ufz.de/index.php?de=10690

Publikationen:
Babik W., Pabijan M., Radwan J. (2008).
Contrasting patterns of variation in MHC loci in the Alpine newt.
Molecular Ecology, 17: 2339-2355
http://www.blackwell-synergy.com/doi/abs/10.1111/j.1365-294X.2008.03757.x
http://www.eko.uj.edu.pl/molecol/babik/Babik_etal_2008.pdf
Die Untersuchungen wurden durch ein Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert.
Pabijan M., Babik W. (2006).
Genetic structure in northeastern populations of the Alpine newt (Triturus alpestris): evidence for post-Pleistocene differentiation.
Molecular Ecology, 15: 2397-2407.
http://www.eko.uj.edu.pl/molecol/babik/03.pdf
Pabijan M., Babik W. , Rafi?ski J. (2005).
Genetic variation in northeastern populations of the Alpine newt (Triturus alpestris). Conservation Genetics, 6: 307-312.

http://www.eko.uj.edu.pl/molecol/babik/07.pdf

Weitere fachliche Informationen:
Dr. Walter Durka
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345-558-5314
http://www.ufz.de/index.php?de=816
und
Wies?aw Babik
Institute of Environmental Sciences
Jagiellonian University Kraków
Phone: +48-12-664-51-49
http://www.eko.uj.edu.pl/molecol/babik/
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1269
E-mail: presse@ufz.de
Weiterführende Links:
Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC):
http://de.wikipedia.org/wiki/Haupthistokompatibilit%C3%A4tskomplex
Bergmolch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bergmolch
Axolot:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ambystoma_mexicanum
Tigersalamander:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ambystoma_tigrinum
Amphibienarche:
http://www.amphibianark.org/German/index.htm
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

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