Wer malt im Herbst die Blätter bunt?
Jedes Jahr können wir im Herbst diesen Vorgang beobachten: Die Blätter der Laubbäume verlieren ihre grüne Farbe, färben sich bunt und fallen schließlich zur Erde. Die sommergrünen Pflanzen bereiten sich auf die Ruheperiode im Winter vor. Die Laubfärbung wird durch verschiedene Pflanzenpigmente hervorgerufen. Sie stehen immer mehr im Blickpunkt der Forschung, weil sie unter anderem für die Bekämpfung von Krebserkrankungen beim Menschen zunehmende Bedeutung erlangen.
Es ist wieder soweit: Die Blätter der sommergrünen Pflanzen färben sich und fallen ab. Die Laubfärbung, die diese Phase einleitet, ist das äußere Zeichen für die Blattalterung. Hierbei handelt es sich nicht um ein „Vergammeln“ der Blätter, sondern um einen komplizierten Prozess, der durch spezielle Enzyme in der Pflanze gesteuert wird. Den Vorgang des Alterns bezeichnen die Biologen auch als Seneszenz. Er wird in der Regel durch die abnehmende Tageslänge im Herbst und dem damit verbundenen Nachlassen der Dauer und der Intensität der Sonneneinstrahlung ausgelöst. Die sinkenden Temperaturen beschleunigen den Prozess.
Als erster Schritt erfolgt der Abbau des Chlorophylls. Chlorophyll ist ein Pflanzenfarbstoff, der für das Grün der Blätter verantwortlich ist. Der deutsche Chemiker Richard Willstätter (1872 bis 1942), der 1915 den Nobelpreis für Chemie erhielt, isolierte diese Substanz, die chemisch mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin verwandt ist. Mit Hilfe des Chlorophylls sind grüne Pflanzen in der Lage, alle für ihre Entwicklung notwendigen Verbindungen aus den in der Natur vorhandenen anorganischen Verbindungen aufzubauen. Die dazu benötigte Energie stammt aus dem Sonnenlicht. Bei diesem Photosyntheseprozess wird Kohlendioxid (CO2) aus der Luft aufgenommen und mit Wassermolekülen zu Kohlenhydraten umgewandelt. Dabei wird Sauerstoff (O2) freigesetzt, ohne den Menschen und Tiere auf der Erde nicht leben könnten. Zusammen mit den über die Wurzeln aufgenommenen Nährstoffen, wie zum Beispiel Stickstoff und Phosphor aus dem Boden oder Schwefel aus der Luft, werden durch komplizierte Stoffwechselprozesse in den Pflanzen Stärke, Eiweiße und Fette gebildet.
Mit dem Schwinden des Chlorophylls und damit der grünen Blattfarbe setzt die typische Herbstfärbung mit ihren leuchtenden gelben und roten Farben ein. Sie wird durch weitere im Blatt enthaltene Farbpigmente hervorgerufen, die während des Sommers durch das Chlorophyll überlagert waren und nun zum Vorschein kommen. Für die gelben und roten Farben sind die Karotine und ihre Abkömmlinge, die Xanthophylle, verantwortlich.
Parallel zu dem Vorgang erfolgt der Prozess der Blattablösung. Nach Ausbildung einer korkartigen Trennschicht zwischen Blattstiel und Zweig, die die Wasserversorgung allmählich unterbindet, stirbt das Blatt endgültig ab. Jetzt genügt ein kleiner Windstoß und es fällt zu Boden. Der äußere Verschluss am Zweig ist ein Schutzmechanismus, der den Eintritt von Krankheitserregern wie Pilzen und Viren sowie von tierischen Schädlingen in das Innere der Pflanze verhindern soll. Während unter den mitteleuropäischen Bedingungen die Laubbäume jedes Jahr im Herbst ihr Laub abwerfen, sind die „Blätter“ der Nadelbäume – außer die der Lärche – ausdauernder. Die Lebensdauer der Nadeln von Fichten beträgt etwa 7 Jahre, von Kiefern etwa 5 und von Tannen etwa 8 bis 9 Jahre. Es fallen immer die ältesten Nadeln in der Reihenfolge ihrer natürlichen Alterung ab. Fallen Blätter sommergrüner Pflanzen vorzeitig ab, haben sich in ihnen Ballaststoffe und Stoffwechselschlacken angereichert, durch die das Blatt geschädigt wurde. Auf diese Weise verlieren die Bäume auch die in den Blättern angereicherten Umweltgifte.
Ähnlich wie bei den Blättern verläuft die Ablösung von Früchten und die Entfernung nicht mehr funktionsfähiger Organe, wie zum Beispiel nicht befruchteter Blüten. Eine Besonderheit bilden dabei viele Orchideen: Werden die Blüten nicht bestäubt, wird die Seneszenz der Blütenblätter extrem verzögert, sodass die Blüten ungewöhnlich lange, mitunter mehrere Wochen, erhalten bleiben.
Warum aber wirft die Pflanze ihre Blätter ab? Der herbstliche Blattfall ist ein unerlässlicher Vorgang für das Überleben der ausdauernden Pflanzen. Allgemein bekannt ist, dass der Blattfall eine Anpassung an den Wassermangel während der Frostperiode ist. Weniger bekannt ist aber, dass die Seneszenz wichtig für die Optimierung der Nahrungsqualität ist. Mit dem Einsetzen des Chlorophyllabbaus werden keine organischen Stoffe mehr produziert. Die Pflanze beginnt, die in den Blättern befindlichen Proteine, Kohlenhydrate und Fette abzubauen und zusammen mit den Mineralien abzutransportieren und an bestimmten Orten, zum Beispiel der Wurzel, in bestimmten Teilen des Stamms und in den Knospen anzureichern. Je mehr Stoffe aus den Blättern abtransportiert werden können, umso weniger Nährstoffe gehen den Pflanzen verloren. Deshalb ist ein Ziel der Pflanzenzüchtung, die Seneszenz der Blätter möglichst lange hinauszuzögern, um so eine große Ausbeute an wichtigen Nährstoffen zu erreichen. Damit kann zum Beispiel der Stärkegehalt in den Kartoffelknollen oder der Zuckergehalt in den Zuckerrüben erhöht werden, was sich auf die Qualität unserer Nahrungsmittel auswirkt.
Chlorophylle, Karotine und Xanthophylle sind wichtige Substanzklassen, die nicht nur bei der Laubfärbung eine Rolle spielen. Die Arbeitsgruppe Pflanzenphysiologie des Botanischen Instituts der Universität Leipzig unter Leitung von Professor Christian Wilhelm erforscht seit längerem diese Substanzen, da diese nicht nur für die Pflanzen selbst, sondern auch für die menschliche Gesundheit von Bedeutung sind. So wird Betakarotin in unserem Körper zum Vitamin A, das eine wichtige Rolle beim Sehvorgang spielt, umgewandelt (Nachtblindheit bei Vitamin-A-Mangel). Zunehmende Bedeutung erlangt das Vitamin – ähnlich wie das Chlorophyll – bei der Krebsvorbeugung. Personen, die regelmäßig Betakarotin einnehmen, erkranken weniger häufig an Krebs als diejenigen ohne diesen Schutz. Der Bedarf an diesem Provitamin ist enorm. Um der ständig steigenden Nachfrage gerecht zu werden, können entweder neue, besonders Betakarotin-reiche Pflanzen gezüchtet werden oder die Wissenschaftler lernen zu verstehen, unter welchen Kulturbedingungen besonders viel von dieser Substanz gebildet wird. Für diese Forschungen sind neue Methoden der pflanzlichen Inhaltsstoffanalyse notwendig, um die sich die Leipziger Wissenschaftler bemühen. Sobald Ergebnisse vorliegen, werden wir über sie berichten. H. T.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Christian Wilhelm
Telefon: 0341 97 36874
E-Mail: cwilhelm@uni-leipzig.de
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