Rekombinante Antikörper eröffnen neue Dimensionen für die Wirkstoffforschung
Das immense Potenzial menschlicher Antikörper macht Prof. Stefan Dübel von der Technischen Universität Braunschweig für die Entwicklung neuer Heilmethoden nutzbar.
Jeder menschliche Körper verfügt über eine kaum vorstellbare Zahl von unterschiedlichen Antikörpern. Von Natur aus für die Abwehr unbekannter Infektionen erschaffen, können sie beinahe jedes Molekül, dass von außen in den Körper eindringt, binden und dadurch unschädlich machen. Wissenschaftler versuchen seit langem, sich dieses faszinierende natürliche Potenzial für die Entwicklung von Heilmethoden zu Nutze zu machen.
Es ist bereits möglich, durch die Imitation des menschlichen Immunsystems Antikörper mit ganz neuen Eigenschaften oder mit Kombinationen bisheriger Vorteile zu konstruieren. Doch bislang konnten nur wenige Medikamente bis zum klinischen Einsatz gebracht werden. Der Grund: Die Proteine wurden in nicht-menschlichem Gewebe gezüchtet und von der Immunabwehr des Patienten daher selbst als körperfremd bekämpft.
Ein Forscherteam um Prof. Stefan Dübel, den die Technische Universität Braunschweig zum 1. Oktober 2002 an das traditionsreiche Institut für Biochemie und Biotechnologie berufen konnte, hat hier einen Durchbruch erzielt. Der Arbeitsgruppe ist es während der Tätigkeit in Heidelberg gelungen, neuartige Antikörper zu erzeugen, die zu 100 Prozent als menschliche Proteine gelten können, nicht abgestoßen werden und nicht zu den üblichen Nebenwirkungen führen. Diese so genannten rekombinanten Antiköper weisen noch weitere Vorteile auf: Sie können ohne Tierversuche und aus einer kleinen menschlichen Blutprobe oder sogar synthetisch erzeugt und preiswert konstruiert werden. Mehr noch: Bei Anwendungsreife werden sie zukünftig gegen eine Vielzahl von gesundheitsgefährdenden oder gar hoch giftigen Substanzen zum Einsatz kommen können. Da sie speziell und zielgerecht entworfen werden, können sie sogar um vieles wirksamer sein als ihre natürlichen „Artgenossen“.
„In unserer Arbeit gleichen wir den Ingenieuren“, so Prof. Dübel, „wir konstruieren mit modernen Technologien neue Werkzeuge, nur in viel kleineren Dimensionen. Unsere Werkstoffe sind die Bausteine des Lebens.“
Die Methode, die er gemeinsam mit seinem Kollegen Frank Breitling entwickelt hat, nennt sich „Antikörper-Phagendisplay“. Dafür werden aus den relevanten Zellen nur die Antikörper selbst und die für sie verantwortliche Gensequenz in so genannten Phagen kloniert. Viele Millionen verschiedener Phagen können gleichzeitig auf ihre Wirksamkeit gegen Substanzen getestet werden. Dass dies der modernen Medizin ungeahnte Möglichkeiten eröffnet hat, ist offensichtlich. Insbesondere als Passiv-Impfstoffe gegen infektiöse Erkrankungen werden die Antikörper zum Einsatz kommen. „Viele der Anwendungen, die auf dieser Technologie beruhen, sind bisher noch Zukunftsvisionen. Nur wenige sind Antikörper-Medikamente sind schon jetzt auf dem Markt, die meisten solcher Wirkstoffe werden noch Jahre brauchen, um in die klinische Anwendung zu gelangen.“, so Prof. Dübel.
Aber die Forscher denken noch weiter: Biochips, so genannte „Microarrays“, werden auf Basis der Phagendisplay-Methode tausende von verschiedenen Stoffen aus einer Zelle gleichzeitig messen und damit ein ganzheitliches Bild biochemischer Prozesse innerhalb kurzer Zeit ermöglichen.
Einen Einblick in das Forschungsspektrum von Prof. Stefan Dübel können Interessierte am
„Tag der Forschung im Biozentrum“
am kommenden Samstag, 9. November 2002, ab 10 Uhr,
Spielmannstraße 7, 38106 Braunschweig,
gewinnen. Dort wird Prof. Dübel um 14.30 Uhr über „Rekombinante Antikörper – Eine molekulare Werkzeugkiste“ berichten. Neun weitere Vorträge, Institutsbesichtigungen und Gespräche mit den Wissenschaftlern des Biozentrums stehen auf dem Programm.
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