Stickstoff – Zeitbombe im globalen Kohlenstoff-Kreislauf
Rapide steigender Stickstoff durch Düngung und fossile Brennstoffe beeinflusst Kohlenstoff-Speicherung im Boden und die Entstehung von Treibhausgas
Der Erdboden enthält das größte Reservoir an terrestrischem Kohlenstoff. Um die Veränderungen im globalen Kohlenstoffkreislauf zu verstehen, ist es deshalb wichtig, auch die Faktoren zu erforschen, die Speicherung und Umsatz des Kohlenstoffs im Boden beeinflussen. Bereits heute gut dokumentiert ist der Einfluss des Klimas auf den Abbau des Bodenkohlenstoffs; weitgehend unklar ist jedoch die Frage, wie dieser Kohlenstoff auf den schnellen globalen Anstieg reaktiven Stickstoffs, hauptsächlich durch Düngemittel in der Landwirtschaft und die Verbrennung fossiler Energieträger, reagiert. Forschern des amerikanischen United States Geological Survey in Denver, der University of Colorado und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena ist es jetzt gelungen, diese Veränderungen in der organischen Bodensubstanz mit einer neuen am Max-Planck-Institut entwickelten Analysemethode auf molekularer Basis genau zu messen. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass im Boden ein sehr komplexes Recycling von Kohlenstoff abläuft, dass äußerst sensibel auf Veränderungen im Stickstoff-Kreislauf reagiert, was den Ausstoß an Kohlendioxid aus den Böden entscheidend beeinflussen kann. Doch weitere detaillierte Messungen sowie neue Modellverfahren sind erforderlich, um die weltweiten Auswirkungen des erhöhten Stickstoff-Angebots auf die Kohlenstoff-Speicherung in Ökosystemen modellieren zu können (Nature, 31. Oktober 2002).
Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass im Erdboden drei Mal mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in Form von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Jedes Jahr setzen die Böden weltweit 20 Mal mehr Kohlenstoff durch Auf- und Abbau organischer Substanz um als alle industriellen Aktivitäten des Menschen zusammen. Doch zugleich wird durch intensive menschliche Tätigkeit pro Jahr mehr atmosphärischer Stickstoff in biologisch verfügbare Formen gebunden als durch alle natürlichen Prozesse zusammengenommen. Das führt – kaskadenartig – zu verschiedensten Umweltveränderungen, mit stimuliertem Pflanzenwachstums auf der einen und intensivem Abbau organischer Substanz im Boden auf der anderen Seite. Entsprechend wird die Bildung von Kohlenstoffsenken durch erhöhtes Pflanzenwachstum verstärkt oder reduziert – je nachdem, in welche Richtung der Boden tatsächlich reagiert.
Über die Kopplung zwischen Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf im Boden ist bisher nur wenig bekannt: Einerseits wird durch erhöhte Produktion von Pflanzen atmosphärisches CO2 gebunden, andererseits setzt der beschleunigte Abbau der organischen Bodensubstanz CO2 in die Atmosphäre frei. Vorhersagen, welche Wirkung eine Stickstoffdüngung auf die Kohlenstoffspeicherung in Ökosystemen hat, sind daher nur bedingt möglich. Viele Wissenschaftler gingen bisher sogar davon aus, dass die Böden nur unwesentlich auf Veränderungen bei Stickstoff reagieren würden.
Jason C. Neff vom amerikanischen US Geological Survey und Alan R. Townsend von der University of Colorado haben daher die Auswirkung von erhöhtem Stickstoffeintrag auf die Kohlenstoffspeicherung im Boden eines terrestrischen Ökosystems – in diesem Fall alpines Grasland – untersucht. Sie stellten fest, dass sich der Gesamtpool des Bodenkohlenstoffs trotz steigenden Kohlenstoffeintrags infolge verbesserten Pflanzenwachstums nicht signifikant erhöhte. Ein Vergleich des Gehalts an Kohlenstoff- 14C in dem an Mineralien gebundenen Kohlenstoffs sowie in dem in Biomasse vorhandenen Kohlenstoffs ergab, dass das Alters des in der Biomasse gebundenen Bodenkohlenstoffs stieg – trotz intensiverer Pflanzenproduktion, die vermehrt „jungen“ Kohlenstoff in den Boden überführt. Im Gegensatz dazu wurde der mineralisch-assozierte Bodenkohlenstoff durch die Stickstoff-Düngung jünger. In der Summe hoben sich beide Prozesse auf, so dass im Gesamtboden scheinbar kein Effekt eingetreten war.
Erst der Einsatz einer von Gerd Gleixner am Jenaer Max-Planck-Institut für Biogeochemie entwickelten Methode ermöglichte es, die komplexe Reaktionsabfolge im Boden zu ergründen (vgl. Max-Planck-Forschung 3/99, 20-21). Diese Technik erlaubt es, das Verhältnis zwischen den verschiedenen Kohlenstoff-Isotopen in der organischer Bodensubstanz mit Hilfe so genannter Biomarker zu bestimmen. Als Biomarker fungieren nicht abgebaute Bestandteile der Biomasse, mit deren Hilfe die Wissenschaftler – konkret für Zellulose und Lignin – „den Weg des Holzes“ verfolgen können.
In dieser Mess-Anlage werden Struktureinheiten aus der organischen Bodensubstanz durch Erhitzung freigesetzt und anschließend gaschromatographisch isoliert. Simultan wird in einem Massenspektrometer die Struktur und in einem Isotopenverhältnis-Massenspektrometer der Isotopengehalt dieser Substanzen bestimmt. Die verwendeten Biomarker für Kohlenhydrate und nicht abgebautes Lignin verdeutlichten, dass die pflanzlichen Bestandteile des in der Biomasse vorhandenen Bodenkohlenstoffs durch die Stickstoff-Düngung stark abgebaut wurden. Der „junge“ Kohlenstoff wird als CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, während der „ältere“ Kohlenstoff, der aus dem Umsatz des an Mineralien gebundenen Kohlenstoffs im Boden stammt, in die schnell wachsende Fraktion überführt wurde, deren Alter entsprechend anstieg. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der beiden Biomarker in dem an Mineralien gebundenen Kohlenstoff – und das Alter dieser Fraktion verjüngte sich entsprechend durch die Zufuhr jungen Kohlenstoffs.
„Wir wissen heute, dass der Kohlenstoff-Kreislauf nicht allein, sondern in seiner Verquickung mit dem Stickstoff-Kreislauf betrachtet werden muss. Ohne Stickstoff ist kein Leben möglich,“ sagt Gerd Gleixner vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. „Unsere Studie zeigt, dass die kalten Tundra-Böden unerwartet empfindlich auf zusätzlichen Stickstoff reagieren, was die Frage aufwirft, wie dieses Mehr an Stickstoff weltweit die Kohlenstoff-Speicher oder Senken an Land beeinflusst. Stickstoff fördert den biologischen Abbau des Bodenkohlenstoffs, was durch intensiveres Wachstum der Pflanzen ausgeglichen werden kann. Die wachsende Verfügbarkeit an Stickstoff kann dieses Gleichgewicht im Ökosystem stark verändern.“
„Das gestiegene Angebot an reaktivem Stickstoff im Boden wirkt wie ein Dünger und lässt die Pflanzen schneller wachsen, zumindest eine Zeit lang, in der auch mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden wird,“ sagt Professor Alan Townsend von der University of Colorado. „Doch es kann auch bewirken, dass die Böden einen Teil ihres Kohlenstoffs verlieren, der sich dann dem Kohlendioxid in der Atmosphäre hinzu addiert. Da der Kohlenstoff-Pool im Boden sehr groß ist, kann bereits eine kleine Veränderung große Auswirkungen auf die Atmosphäre und damit auf das Klima haben“
Die Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass Kohlenstoff in Böden nicht als ein homogener Pool vorliegt, sondern dass es unterschiedliche molekulare Kohlenstoff-Fraktionen gibt, die verschiedenen biologischen Quellen zuzuorden sind und mit spezifischer Geschwindigkeit im Boden umgesetzt werden. Bisherige Modelle über den Umsatz von Kohlenstoff im Boden sind nicht in der Lage, diese auf der molekularen Ebene des Kohlenstoffs ablaufenden Prozesse abzubilden. Erst eine neue Generation von Modellen wird es ermöglichen, diese komplexen Zusammenhänge zu simulieren und somit verlässliche Aussagen darüber zu treffen, wie die organische Bodensubstanz, der weitaus größte terrestrischen Kohlenstoff-Pool, auf veränderte Umweltbedingungen, wie erhöhtes Angebot an Stickstoff und steigende Temperaturen, reagiert.
„Ich glaube, die Probleme, die der veränderte Stickstoff-Zyklus mit sich bringt, sind gravierender als das, was wir – zumindest derzeit – beim Klimawandel beobachten können. Die Hälfte des Stickstoff-Düngers, den wir insgesamt in der Geschichte der Menschheit eingesetzt haben, wurde erst nach 1990 eingesetzt. Und ein Großteil dieses Düngers geht nicht dorthin wo er hingehen sollte, was eine Serie von Umweltproblemen provoziert, die sich in alarmierender Geschwindigkeit verschärfen,“ sagt Townsend.
„Noch ist es zu früh, um sagen zu können, ob mehr Stickstoff in den Böden weltweit zu mehr oder weniger Kohlendioxid in der Atmosphäre führt. Doch wir wissen jetzt, dass der Boden einen viel breiteren Mix an unterschiedlichem Kohlenstoff enthält, als bisher angenommen, und dass dieser Kohlenstoff in ganz unterschiedlicher Weise auf den steigenden Stickstoff reagiert,“ stellt Gleixner fest.
Originalarbeit:
Jason C. Neff, Alan R. Townsend, Gerd Gleixner, Scott J. Lehman, Jocelyn Turnbull, William D. Bowman: Variable effects of nitrogen additions on the stability and turnover of soil carbon, Nature, 31. Oktober 2002
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Gerd Gleixner
Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
Tel.: 0 36 41 – 57 -61 72
Fax: 0 36 41 -57 -78 93
E-Mail: gerd.gleixner@bgc-jena.mpg.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…