Deutsche Genomforscher publizieren ersten Gen-Atlas von Chromosom 21 in der Maus

Parallel zu der fast vollständigen Sequenz der Maus publizieren Wissenschaftler aus dem NGFN und dem DHGP gemeinsam mit internationalen Kooperationspartnern erste Funktionsanalysen von Maus-Genen. Die Aktivitätsmuster von 160 Genen, die beim Menschen auf dem Chromosom 21 liegen, wurden in der Maus untersucht und zu einer Genexpressions-Karte zusammengefasst (Nature 420, 586-590 und 582-586).

Mit der fast vollständigen Sequenz der Maus, einem der wichtigsten Modellorganismen der Genomforscher, eröffnet sich für die Wissenschaft die Möglichkeit, Krankheiten noch besser studieren zu können. Die Maus ist ein bevorzugtes Forschungsobjekt, weil sie weitgehende Parallelen zu Anatomie, Körperbau, Stoffwechsel und Genetik des Menschen hat.
Etwa 99 % der Gene der Maus haben ein funktionelles Pendant im Menschen. Das etwa 14 % kleinere Maus Genom enthält mit etwa 30.000 Gene vergleichbar viele Gene wie der Mensch, verfügt aber über weniger Basen im nicht codierenden Bereich des Genoms. Die jetzt publizierte Arbeitsversion wurde vom öffentlich finanzierten ’Mouse Genome Sequencing Consortium’ erstellt, dem vornehmlich britisch-amerikanische Wissenschaftler angehören (Nature 420, 520-562).

Aufgrund der Bedeutung der Maus als Modellorganismus starteten bereits 1996 im Deutschen Humangenomprojekt große Forschungsvorhaben zur Analyse der Maus, die im Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN) fortgeführt werden. DHGP und NGFN konzentrieren sich von Beginn auf die Funktionsanalyse der Gene.

In der aktuellen Arbeit untersuchen die an zwei internationalen Konsortien beteiligten deutschen Gruppen (Gregor Eichele, Max-Planck-Institute für experimentelle Endokrinologie Hannover; Marie-Laure Yaspo, MPI für molekulare Genetik, Berlin und Bernhard Herrmann, MPI für Immunbiologie, Freiburg) die Genaktivität von Maus-Genen, die ortholog (funktionelles Pendant) zu den menschlichen Genen auf dem Chromosom 21 sind.

Chromosom 21 ist mit etwa 34 Millionen Bausteinen ist das kleinste menschliche Chromosom. Die Analyse seiner Gene ist medizinisch von hoher Bedeutung, denn Kinder, deren Zellen drei Kopien des Chromosoms 21 besitzen, leiden an dem so genannten Down-Syndrom. Bereits im Mai 2000 wurde – unter wesentlicher Beteiligung von Wissenschaftlern aus dem Deutschen Humangenomprojekt – die Sequenz des menschlichen Chromosoms 21 veröffentlicht.

Die Sequenz eines Genoms zu kennen ist allerdings nur der erste Schritt. Ein weitgehendes Verständnis der Funktion der Gene setzt eine Analyse ihrer Aktivität voraus: Wann und in welchen Geweben sind sie aktiv? Das Muster der Genaktivität, der Genexpression, ist ein entscheidender Schritt zum Verständnis der Funktion der Gene in der lebenden Zelle. Die drei Forschergruppen aus NGFN und DHGP haben mit verschiedenen Technologien komplementär die Aktivitätsmuster der Gene auf dem humanen Chromosom 21 entschlüsselt, in dem sie die homologen Sequenzabschnitte auf den Maus-Chromosomen 10, 16 und 17 untersucht haben. 160 der 178 bestätigten menschlichen Gene wurden in den beiden vorliegenden Arbeiten analysiert.

Sie identifizierten mehrere Gene, die an bestimmten Aspekten des Down-Syndroms beteiligt sein könnten. Dazu gehören Gene, die spezifisch im Herz exprimiert werden und an den bei Down-Syndrom-Patienten häufig beobachteten Herzfehlbildungen mitwirken könnten. Für andere Gene wurde eine spezifische Expression in jenen Gehirnregionen beobachtet, in denen bei Down-Syndrom-Patienten ebenfalls Veränderungen beobachtet werden. Mit der vorliegenden Karte der Aktivitätsmuster, bestehen somit gute Voraussetzungen, um den Ursachen, die zum Krankheitsbild Down-Syndrom beitragen, nachgehen zu können.

Bei einer der eingesetzten Methoden, der so genannten ’whole-mount in-situ Hybridisierung’ wird der gesamte Mausembryo mit einer Gen-spezifischen Sonde markiert, die durch Anfärbung sichtbar gemacht wird. Dadurch wird das Muster der Genexpression im gesamten Embryo erfasst. Darüber hinaus wurde die Genexpression in Schnitten des Gehirns zwei Tage nach der Geburt detailliert untersucht. Schließlich wurde ein computerbasiertes Verfahren, der so genannte ’elektronische Northern-blot’, eingesetzt. Dabei wird das Muster der Genexpression aus den im Rahmen der weltweit verfügbaren Datensätzen abgeleitet.

Eine andere im Rahmen des DHGP von der Arbeitsgruppe von Gregor Eichele (Max-Planck-Institute für experimentelle Endokrinologie Hannover) neu entwickelte Technik, dem ’GenePaint’, macht die Expressionsmuster von Tausenden von Genen in relativ kurzer Zeit sichtbar. Hierzu isolierten die Wissenschaftler zunächst geeignete Abschnitte der entsprechenden Maus-Gene und stellten spezifische Gen-Sonden her. Über so genannte RNA-in situ-Hybridisierungen (ISH) wurden an Schnitten von Mäuseembryonen dann die Expressionsmuster detektiert. Die daraus resultierenden ausgesprochen detailreichen Informationen ermöglichen die Rekonstruktion eines Gesamtbildes der Genaktivität im Gehirn und in verschiedenen Organen. Mit dieser Methode wurde insgesamt etwa 6.500 Gewebeschnitte aus Mäuse-Embryonen analysiert.

Veröffentlichung 1:

A gene expression map of human chromosome 21 orthologues in the mouse
The HSA21 expression map initiative
*Group 1:Yorick Gitton, Nadia Dahmane, Sonya Baik, Ariel Ruiz i Altaba
*Group 2:Lorenz Neidhardt, Manuela Scholze, Bernhard G. Herrmann
*Group 3:Pascal Kahlem, Alia Ben Kahla, Sabine Schrinner, Reha Yildirimman, Ralf Herwig, Hans Lehrach & Marie-Laure Yaspo
Nature 420, 586-590, 05.12.02

Veröffentlichung 2:

Human chromosome 21 gene expression atlas in the mouse
Alexandre Reymond, Valeria Marigo, Murat B. Yaylaoglu, Antonio Leoni, Catherine Ucla, Nathalie Scamuffa, Cristina Caccioppoli, Emmanouil T. Dermitzakis, Robert Lyle, Sandro Banfi, Gregor Eichele, Stylianos E. Antonarakis & Andrea Ballabio
Nature 420, 582-586, 05.12.02

Media Contact

Dr. Jörg Wadzack idw

Weitere Informationen:

http://www.dhgp.de http://www.ngfn.de

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