Und der Haifisch, der hat Zähne


Haifische haben das Glück, dass ihre Zähne ständig nachwachsen. Außerdem haben sich die Haifischzähne als besonders haltbar erwiesen – als Fossilien im sandigen Sediment nördlich der Alpen sogar über viele Jahrmillionen. Der Tübinger Geologe Dr. Torsten Vennemann untersucht den Aufbau der Zähne mit geochemischen Methoden. Dabei sind Rückschlüsse auf das Meeresklima vor 20 Millionen Jahren möglich, das zu Lebzeiten der frühen Haie herrschte.

Fossile Fundstücke lassen Rückschlüsse auf Paläoklima zu

Nachdem sich die Alpen in einem 60 Millionen Jahre dauernden Prozess bis zu ihrer heutigen Höhe von knapp fünf Kilometern gehoben hatten, war auch die Fläche des heutigen Baden-Württembergs und Bayerns verlandet. Doch noch vor 20 Millionen Jahren lebten in diesem Gebiet Haifische im Randmeer Paratethys. Ihre Zähne sind als Fossilien über die Jahrmillionen erhalten geblieben und dienen dem Tübinger Geologen und Geochemiker Dr. Torsten Vennemann als Zeugen des früheren Meerwasserklimas. Mit ihrer Hilfe untersucht der Wissenschaftler die Auswirkungen der Alpenhebung auf das Klima.

Erste Haifischzähne von süddeutschen Fundorten, in Ballendorf bei Langenau und Äpfingen bei Biberach, hat Vennemann bereits genauer analysiert: Während die Ballendorfer Zähne vor rund 22 Millionen Jahren im Molasse-Sediment abgelagert wurden, sind die Äpfinger Fundstücke rund 17 Millionen Jahre alt. In dieser Zeit hat sich das Meerwasser um vier Grad abgekühlt. Möglicherweise ging diese Änderung auf die Alpenhebung zurück. Doch auch Änderungen der Meeresströme könnten dabei eine Rolle spielen. „Eine solche Abkühlung haben andere Forscher, die das terrestrische Klima untersuchen, für diese Zeit nicht feststellen können. Eventuell lief die Temperaturentwicklung bei Meer und Land unterschiedlich“, sagt Vennemann. Der Forscher konnte anhand der Zähne außerdem feststellen, dass das Randmeer Paratethys nördlich der Alpen nicht völlig vom Ozean abgetrennt war, sondern wahrscheinlich über den Rheingraben Verbindung zum Atlantik hatte.

Diese Informationen sind den Haifischzähnen nicht so einfach anzusehen. Vielmehr müssen sie ihnen mit aufwändigen Verfahren wie Isotopenmessungen entlockt werden. Isotope heißen die unterschiedlich schweren Atome eines chemischen Elementes. Das Verhältnis von leichteren zu schwereren Isotopen im Haifischzahn spiegelt das Isotopenverhältnis und die Temperatur des umgebenden Meerwassers wider. Unterschiedlich schwere Sauerstoff-Isotope werden temperaturabhängig in das Zahnmaterial eingebaut. Ihr Verhältnis gibt Auskunft über das Fischleben in warmem oder kaltem Meerwasser. Vennemann kommt außerdem zugute, dass sich die Haifische in der Evolution nur wenig verändert haben. Die heutigen Arten zeigen, in welcher Meerestiefe auch die verschiedenen Arten der frühen Haifische gelebt haben. Da aus anderen Untersuchungen bekannt ist, wie sich das Isotopenverhältnis etwa beim Element Strontium über die Jahrmillionen verändert hat, lässt sich daran auch das Alter der Haifischzähne abschätzen.

Die Paläoklima-Forschungen in Süddeutschland will Vennemann auf Fundstellen von Haifischzähnen bis nach Griechenland ausweiten. „Dann lässt sich auch das Paläoklima nördlich und südlich der Alpen vergleichen und das jeweilige lokale Klima mit heutigen Daten“, erklärt der Geochemiker. Die Untersuchungen zum Paläoklima gehen auch in Klimamodelle ein, mit denen Vorhersagen für das künftige Klima auf der Erde getroffen werden sollen. Denn die Forschungsinteressen sind global: „Wir wissen bisher noch wenig darüber, wie heutige große Gebirge, Rocky Mountains und Himalaya, das Klima bestimmen. Ob zum Beispiel der Monsun durch das Himalaya-Gebirge verursacht wird“, erklärt Vennemann.

Was Atome verraten können
(7254 Zeichen)

Tübinger Geologen erforschen Paläoklima anhand fossiler Haifischzähne

Im Miozän, vor rund 20 Millionen Jahren, waren Teile des heutigen Baden-Württembergs und Bayerns noch von Ozeanwasser überflutet. Paratethys wird dieses Randmeer nördlich der Alpen rückblickend genannt, das vom größeren Ozean Tethys durch die Hebung der Alpen abgetrennt wurde. Damals ragten die Alpen erst etwa zwei Kilometer aus dem Meer. Bis sie die heutige Höhe von knapp fünf Kilometern erreichten, wurden bei den Verschiebungsprozessen auch die umliegenden Landmassen aus dem Meer gehoben. Die Land- und Wasser-Verteilung änderte sich während dieses Prozesses. Doch die Nachkommen lebendiger Zeitzeugen existieren noch heute: die Haifische. Die Zähne ihrer Ahnen haben sich über Jahrmillionen als Fossilien im sandigen Sediment Baden-Württembergs und Bayerns, Molasse genannt, erhalten. Dr. Torsten Vennemann vom Institut für Mineralogie, Petrologie und Geochemie der Universität Tübingen kann aus der Untersuchung der Zähne auf das Klima schließen, das zu Lebzeiten der Haie herrschte. Dabei soll sich zeigen, welchen Einfluss die Hebung der Alpen auf das lokale und möglicherweise globale Klima hatte.

Wie hängen aber Haifischzahn und Meeresklima zusammen? „Ein Haifischzahn wächst über einige Tage bis Wochen und wandert dann über die bis zu acht Zahnreihen im Gebiss hinaus bis zur vordersten Reihe. Dies dauert etwa zwei Monate bis anderthalb Jahre je nach Haiart und Alter“, sagt Vennemann. Dabei werden verschiedene Stoffe in das Dentin und den Schmelz des Zahnes eingebaut. Der Aufbau des Haifischzahnes ähnelt dem menschlichen und besteht größtenteils aus Calciumphosphat. Sauerstoff bildet zusammen mit Phosphor und Calcium die Struktur des Phosphats. Unter anderem gelangt Strontium in das Zahnmaterial, das wegen seiner ähnlichen Atomstruktur manchmal statt Calcium in das Phosphat eingebaut wird, außerdem Neodym. Die einzelnen Atome der Elemente gleichen sich chemisch gesehen wie das eine sprichwörtliche Ei dem anderen. Doch lassen sie sich physikalisch in verschiedene Gruppen teilen: ein kleiner Anteil der chemischen Elemente ist etwas schwerer als die anderen, da zusätzliche, ungeladene Teilchen im Kern enthalten sind. Die unterschiedlich schweren Atome eines Elements heißen auch Isotope. Die Anteile der verschiedenen Isotope des Strontiums haben sich über die Millionen von Jahren der Erdzeitalter hinweg verändert, die Verteilung im Meerwasser ist den Wissenschaftlern aus anderen Untersuchungen an Sedimenten und Fossilien bekannt. Außerdem haben Strontium- und Neodym-Isotopen-Studien gezeigt, dass Fischzähne die Isotopenmuster des umgebenden Meerwassers widerspiegeln: „Das Verhältnis von schweren zu leichten Atomen eines Elements wie Strontium oder Neodym ist im umgebenden Meereswasser und im Haifischzahn gleich“, erklärt der Geologe und Geochemiker. Daher kann der Forscher vom Muster der Strontium-Isotope auf das Alter bestimmter Haifischzähne schließen.

Auch vom Element Sauerstoff gibt es verschiedene Isotope. Hier ist der Einbau der verschieden schweren Atome in den Zahn von der Temperatur abhängig. Aus dem Isotopenmuster kann Vennemann daher auf das Leben des Haifisches in einer Warm- oder Kaltzeit schließen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Isotopen-Zusammensetzungen der Zähne zwischen ihrer Bildung und schließlich ihrem Fund nach Millionen Jahren nicht verändert haben, das Zahnmaterial ist sehr resistent gegen Verwitterung und haltbarer als Knochen“, sagt der Geochemiker.

Die Haifische sind aber nicht nur wegen ihrer haltbaren Zähne ein gutes Objekt für die Erforschung des Paläoklimas. Den Wissenschaftlern kommt auch zugute, dass sich die Tiere während der Evolution nur wenig verändert haben. „Ausgehend von der Lebensweise der rezenten, jetzt lebenden Arten lassen sich recht genaue Rückschlüsse auf die früheren Haie ziehen“, erklärt Vennemann, der mit Biologen zusammen arbeitet. Spezialisten können die unterschiedlichen Haifischarten am Bau der Zähne unterscheiden. Unterschiedliche Haifischarten wie etwa Tigerhai oder Weißer Hai halten sich überwiegend jeweils in einer bestimmten Wassertiefe auf. Vennemann kann deswegen aus diesen Daten und den Isotopenmessungen abschätzen, welche Temperaturen das Meerwasser bestimmter Tiefe zu Lebzeiten der Haie hatte.

Vennemann hat zunächst Haifischzähne in Süddeutschland, in Ballendorf bei Langenau und in Äpfingen bei Biberach, gesammelt und auf die Isotopenmuster der verschiedenen Elemente untersucht. Selten sind die uralten Zähne nicht. „An guten Fundorten kann man in zwei Stunden 40 bis 60 Haifischzähne aus dem Sediment heraussieben“, sagt Vennemann. An schlechteren Fundstellen sind es deutlich weniger. Doch dem Geologen und Geochemiker reichen für seine Analysen wenige Zähne aus. Die Haifischzähne finden sich in den Molasse-Sedimenten, die sich in den rund 60 Millionen Jahren der Hebung des Landes aus dem Meer, des heutigen Deutschlands nördlich und Italiens südlich der Alpen, abgelagert haben.

Nach der Strontium-Messung sind die Zähne aus Ballendorf rund 22 Millionen Jahre alt, die aus Äpfingen rund 17 Millionen Jahre. „Hier ergibt sich die Gelegenheit, die Verbindungen zwischen der Gebirgshebung und Klimaschwankungen zu untersuchen“, erklärt der Wissenschaftler. Tatsächlich hat sich die Meerwassertemperatur nach den Isotopenmessungen an den Haifischzähnen in dieser Zeit von 20 auf 16 Grad abgekühlt. Nun bleibt zu klären, ob die Abkühlung mit der Alpenhebung zusammenhing oder ob sich die Meeresströmungen verändert hatten. „Bei Vergleichen mit dem terrestrischen Klima in dieser Zeit ließ sich eine solche Temperaturänderung dort nicht finden. Allerdings können sich die Temperaturen im Ozean und an Land unterschiedlich entwickeln. Aktuell gibt es eine solche Situation zum Beispiel in Namibia: Das Land ist warm, im Meer dominiert ein Kaltwasserstrom“, sagt Vennemann. Das Paratethys-Randmeer war nach den Untersuchungen an den Fundorten Äpfingen und Ballendorf nicht völlig vom offenen Ozean abgetrennt. „Wahrscheinlich gab es eine Verbindung über den Rheingraben, das Wasser über den Flächen des heutigen Baden-Württembergs und Bayerns war chemisch dem Atlantikwasser sehr ähnlich“, so Vennemann.

Die Untersuchungen zum Paläoklima gehen auch in Klimamodelle ein, mit denen Vorhersagen über das künftige Klima auf der Erde getroffen werden sollen. „Studien über den Zusammenhang zwischen Gebirgshebungen und Klimaschwankungen gibt es bisher wenig. Wir wissen auch wenig darüber, wie heutige große Gebirge, Rocky Mountains und Himalaya, das Klima bestimmen. Ob zum Beispiel der Monsun durch das Himalaya-Gebirge verursacht wird“, erklärt Vennemann. Die Untersuchungen in Süddeutschland sollen daher auf weitere Fundstellen von Haifischzähnen bis nach Griechenland ausgeweitet werden. „Dann lässt sich auch das Paläoklima nördlich und südlich der Alpen vergleichen und das jeweilige lokale Klima mit heutigen Daten“, erklärt der Geochemiker. Aber auch zeitlich will er die Untersuchungen in Süddeutschland ausweiten und das Klima vor etwa 15 Millionen Jahren erforschen: „Damals war das Paratethys-Meer in Baden-Württemberg und Bayern dann verschwunden und Haie gab es auch nicht mehr. Bei den Untersuchungen müssen wir daher auf Knochen und Zähne von Huftieren, insbesondere Pferden, zurückgreifen.“

Nähere Informationen:

Dr. Torsten Vennemann
Institut für Mineralogie, Petrologie und Geochemie
Wilhelmstraße 56
72074 Tübingen
Tel. 0 70 71/2 97 49 92
Fax 0 70 71/29 30 60

Der Pressedienst im Internet: http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/pd/pd.html

Unter dieser Adresse ist auch eine Abbildung einsehbar, die auf Wunsch per e-mail verschickt werden kann.

Media Contact

Michael Seifert

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…