Nachbau der Natur im Labor


Totalsynthese von Muricatetrocin geglückt, einem potenziellen neuen Wirkstoff gegen Krebs

Muricatetrocin lautet der Name eines Naturstoffes, der vielleicht einmal wichtige Siege erringen wird – im Kampf gegen bestimmte Krebsarten der Prostata, der Bauchspeicheldrüse und der Lunge. Entdeckt wurde er in Blättern von Rollina mucosa, einer magnolienartigen Pflanze des tropischen Regenwaldes, die zu den Rahmapfel- oder auch Flaschenbaumgewächsen (Annonaceae) zählt. Größere Mengen des Wirkstoffes können daraus jedoch nicht gewonnen werden. Kein Wunder, dass Forscher diesen Naturstoff nachbauen wollen. Nun kommt frohe Botschaft aus Cambridge: Ein Chemikerteam um Steven V. Ley kann die erste geglückte Totalsynthese von Muricatetrocin für sich verbuchen.

Unter einer Totalsynthese versteht man den kompletten Nachbau einer aus Mikroorganismen, Pflanzen oder Tieren isolierten hochkomplexen Substanz im Labor. Früher stand dabei der Beweis ihrer chemischen Struktur im Vordergrund. Dank unserer heutigen leistungsfähigen Analysenmethoden ist dieses Motiv mittlerweile in den Hintergrund getreten. Dennoch ist die Königsklasse der organischen Synthese heute nicht weniger wichtig. Sie stellt Naturstoffe, die sonst nur in winzigen Mengen isolierbar sind, in ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass ihre Eigenschaften und Wirkungen genauer untersucht werden können.

Erster Schritt auf dem Weg zur Totalsynthese ist ein Schritt rückwärts, die so genannte Retrosynthese: Ausgehend vom Zielmolekül werden gedanklich Bindungen entknüpft, das Molekül in Bruchstücke zerlegt, um so im Rückwärtsgang zu geeigneten, leicht erhältlichen, möglichst billigen Ausgangsmaterialien zu finden. Diese müssen dann in der Realität in guter Ausbeute schrittweise zu der gewünschten Struktur reagieren. Kein leichtes Unterfangen. Naturstoffe sind meist aus einer ganzen Vielzahl von asymmetrischen Kohlenstoffzentren aufgebaut. Sie sind die größte Herausforderung bei der Naturstoffsynthese. Liegt auch nur eines dieser Zentren etwa in der Rechts- statt in der Linksform vor, stimmt das Ergebnis nicht mit dem gesuchten Naturstoff überein.

„Die Synthesemethode, die wir zur Herstellung von Muricatetrocin entwickelt haben, werden wir nun leicht variieren, um auch verwandte Naturstoffe zugänglich zu machen,“ sagt Ley. Eine vielversprechende Aufgabe, denn diese Stofffamilie, Acetogenine genannt, umfasst etliche biologisch aktive Mitglieder, die für ihre Wirkung gegen Tumoren, aber auch Bakterien, Malaria und Parasiten bekannt sind.

Kontakt:

Prof. Dr. S. V. Ley
Department of Chemistry
University of Cambridge
Lensfield Road
Cambridge, CB2 1EW
UK

Fax: (+44) 1223-336-442

E-Mail: SVL1000@cam.ac.uk


Quelle: Angewandte Chemie 2000, 112 (20), 3768 – 3772
Hrsg.: Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)

Media Contact

Dr. Kurt Begitt idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…