Die Macht der Pilze – Neue Entwicklungen in der Wirkstoff-Forschung

10.000 Pilze einer aus der ganzen Welt zusammengetragenen „Stammsammlung“ schlummern in den Kühlschränken des Institutes für Biotechnologie und Wirkstoff-Forschung e.V. (IBWF) an der Universität Kaiserslautern und warten darauf, auf neue Wirkstoffe hin „gescreent“ zu werden.

Was Sir Alexander Flemming 1928 eher zufällig mit der Entdeckung des Penicillins gelang, versuchen die Professoren Timm und Heidrun Anke zusammen mit ihren Mitarbeitern am IBWF systematisch auszubauen: sie untersuchen Pilze auf Wirkstoffe, die im Pflanzenschutz oder in der Medizin Verwendung finden können.Warum gerade Pilze? „Pilze bilden ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Naturstoffen“, erklärt Eckhard Thines, wissenschaftlicher Assistent im Lehrbereich Biotechnologie. Wenn man bedenkt, dass beinahe jeder Pilz als kleine chemische Fabrik circa 20 verschiedene, für ihn charakteristische, Naturstoffe synthetisiert, wird bei einer geschätzten Gesamtzahl der Pilze auf 1,5 Millionen Arten das Potenzial an nützlichen Wirkstoffen offensichtlich.

Warum produzieren Pilze solche Verbindungen? Da sie weder fliehen können noch über Zähne und Klauen verfügen, halten sie sich z.B. mit Hilfe dieser Substanzen die Konkurrenten vom Leib. Oder aber sie töten einen Wirtsorganismus, z. B. ein Insekt oder eine Pflanze, den sie besiedeln möchten. Nach dem Screening auf ihre biologische Wirkung muss aus dem komplexen Gemisch an Naturstoffen der biologisch aktive Wirkstoff über eine Reihe von z.T. sehr aufwändigen Trennmethoden isoliert und rein dargestellt werden. „Selbst wenn die Struktur der Stoffe schon bekannt ist, finden wir häufig neue Wirkungen bzw. neue Wirkorte“.

Die Suche nach neuen Wirkstoffen aus Pilzen wird von den Ankes an der Universität Kaiserslautern schon seit 1981 im Lehrbereich Biotechnologie und seit 1998 am IBWF betrieben. Ein großer Erfolg basiert auf den von Timm Anke entdeckten Strobilurinen. Die Markteinführung der Fungizide vom „Strobilurin-Typ“ gelang zusammen mit der BASF 1997, wofür Anke 1996 den Karl Heinz Beckurts-Preis erhielt. Diese Stoffe des Kiefernzapfenrüblings haben keine toxische Wirkung auf Säugetiere und sind daher ideal zur Bekämpfung von Pilzen im Pflanzenbau.Fungizidforschung lohnt sich. Aufgrund von Resistenzbildung werden neue Fungizide dringend gesucht. Eine Gruppe am IBWF forscht an einem Fungizid zur Bekämpfung des Erregers von Reisbrand (Magnaporthe grisea). Reisbrand vernichtet bis zu 30% der jährlichen Reisernte und es überrascht daher nicht, dass das IBWF mit der Zheijang University in Hangzhou in China zusammenarbeitet. Die Wissenschaftler sind auf der Suche nach nicht toxischen Wirkstoffen die selektiv an einem bestimmten Wirkort (Target) eingreifen. „Wirkstoffe, die derart targetspezifisch wirken, sind besonders umweltschonend, da sie Pflanzen und Tieren nicht schaden.“

Genauso erfolgreich verläuft die Zusammenarbeit in einem BMBF-Verbundprojekt (Bundesministerium für Bildung und Forschung) zur Bekämpfung von Wurzelälchen (Nematoden). Nematoden parasitieren fast alle Pflanzen und führen weltweit zu jährlichen Ertragsverlusten von 70 bis 80 Milliarden Euro. Der Ölbaumtrichterling bildet in Kultur Omphalotine, die in geringster Verdünnung Wurzelälchen abtöten. Das schöne daran ist, dass unschädliche Nematoden, die sich von totem Pflanzenmaterial ernähren, von dem Wirkstoff nicht beeinträchtigt werden. Derzeit arbeitet das Team am IBWF an der Isolierung und Veränderung der für die Biosynthese von Omphalotine verantwortlichen Gene – eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Produktion eines neuen umweltfreundlichen Neamtizids.Die „Fabrik Pilz“ produziert auch für den Menschen heilsame Stoffe z.B. Galiellalacton, ein entzündungshemmender Naturstoff aus dem Pilz Galiella rufa, der am IBWF entdeckt wurde und durch internationale Patente geschützt wird. Die Forschung macht aber bei der Entdeckung nicht halt. Zum einen wird Galiellalacton für weiterführende Untersuchungen am Institut vorbereitet und an der Produktionssteigerung gearbeitet. Zum anderen entwickeln die Forscher derzeit „molekularbiologische“ Testsysteme, die es ermöglichen sollen z.B. die Hemmung des für eine Krankheit wichtigen Stoffwechselweges zu erkennen und die Wirkungsweise von Medikamenten zu charakterisieren. Damit könnten Wirkstoffe im großen Stil auf ihre klinische Bedeutung hin untersucht werden.

20 Patente und 400 Publikationen zeugen von dem erfolgreichen Forschen am IBWF. Es ist offensichtlich, dass diese Art der Forschung für die agrochemische Industrie und die Pharmaindustrie von großem Interesse ist. Nicht zuletzt deshalb sind Vertreter von BASF und Bayer Mitglieder im Kuratorium des IBWF. Dr. Bernhard Hauer, Wissenschaftlicher Direktor bei der BASF ist begeistert: „Für die BASF ist das IBWF als einzigartiges Kompetenzzentrum für die Biologie der Pilze von Bedeutung. In unseren Kooperationen mit dem IBWF haben wir Zugang zur Pilzsammlung aber auch zum molekularbiologischen und biochemischen Know-how der Forschergruppe, die uns die Erschließung dieses „Schatzes“ ermöglicht.“In den Kühlschränken des IBWF ruht ein unschätzbares Potenzial zur Entwicklung moderner Wirkstoffe für die Landwirtschaft und die Medizin – 10.000 Pilze.

Media Contact

Thomas Jung idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-kl.de

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