Bestandteile des Schlüsselenzyms für Alzheimer identifiziert

Es ist fast wie ein Puzzle: Harald Steiner und Dieter Edbauer im Labor von Professor Christian Haass am Adolf-Butenandt-Institut der LMU ist es erstmals gelungen, die vier Bestandteile der g-Sekretase zu einer funktionsfähigen Einheit zusammenzusetzen, wie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Cell Biology berichtet.

Dieses Schlüsselenzym der Alzheimer-Erkrankung schneidet in einem bisher noch unverstandenen Mechanismus wie eine Schere das Amyloid ß-Peptid aus einem großen Eiweiß heraus. Die Peptide veklumpen dann im Gehirn mit sich selbst zu den charakteristischen Plaques, was zum Untergang der benachbarten Nervenzellen führt. Alzheimer ist eine nach wie vor unheilbare Krankheit, bei der es meist in hohem Alter zu einem starken Verlust der Gedächtnisleistung kommt. „Diese neu entdeckten Proteine sind natürlich hervorragende Zielmoleküle für die Suche nach neuen Alzheimer-Medikamenten“, so Christian Haass.

Wenn die g-Sekretase das Amyloid aus dem Vorläuferprotein schneidet, findet dieser Prozess innerhalb der äußeren Zellmembran statt. „Das ist ein biochemisch äußerst schwieriger Vorgang“, so Edbauer. „Das Enzym ist deshalb auch sehr komplex aus mehreren Bestandteilen aufgebaut – Funktionsweise und Aufbau waren bisher aber unbekannt.“ Die Forscher haben nun erstmals die einzelnen Bestandteile g-Sekretase identifiziert und zu einer aktiven Einheit zusammengesetzt. Damit ist dieses etwas mysteriöse Enzym, das bereits 1992 postuliert wurde, endlich identifiziert.

Optimales Objekt für die Experimente war die Bäckerhefe. Ihr Genom ist komplett entschlüsselt, wobei sich zeigte, dass sie einer der wenigen Organismen ohne g-Sekretase ist. Die Forscher konnten nun alle Kandidatengene für eine Untereinheit des Enzyms in die Bäckerhefe einschleusen. Die Bäckerhefe kann wie jeder andere Organismus fremdes genetisches Material – in diesem Fall die Gene der einzelnen Untereinheiten der g-Sekretase – ablesen. „Wir haben ein künstliches Substrat der v in der Membran der Hefe verankert“, erklärt Steiner. „Nur ein korrekt zusammengesetztes Enzym konnte dieses Substrat schneiden. Dadurch wurde ein Faktor freigesetzt, der zu einer deutlich sichtbaren Blaufärbung der lebenden Hefezellen führte – als Erfolgsmeldung für uns.“

Das Team um Haass konnte zeigen, dass insgesamt vier verschiedene Gene für die vier Untereinheiten der g-Sekretase codieren. Ist das Enzym die Schere, so übernehmen seine Untereinheiten die Funktionen der Schneiden, des Griffs, einer Schraube und einer Mutter. Die Schneiden dieser molekularen Schere sind die Presenilin-Proteine. Ihre Gene wurden bereits im Zusammenhang mit einer seltenen familiären Alzheimer-Erkrankung identifiziert, die im jungen Erwachsenenalter einsetzt. Die bei dieser Erbkrankheit auftretenden Veränderungen in den Presenilinen verschieben die Schnittgenauigkeit der Enzymschere, was das entstehende Amyloid noch schneller verklumpen lässt.

Jedes der vier Gene ist absolut notwendig, um die g-Sekretase zusammenzusetzen. Fehlt auch nur einer der Partner, kann das Enzym nicht funktionieren. In der Hefe soll jetzt auch die genaue Funktion der einzelnen Gene untersucht werden. „Gleichzeitig wollen wir natürlich auch eine mögliche Blockierung einzelner Bestandteile der Enzym-Schere in der Hefe untersuchen“, so Haass. „Das ist ein viel versprechender Ansatz, um möglichst rasch neue Medikamente gegen Alzheimer zu entwickeln.“ Sechs Jahre harte Arbeit haben die Forscher in die Experimente investiert. „Unsere langfristig angelegten und hartnäckigen Untersuchungen waren nur aufgrund der kontinuierlichen Unterstützung der Deutschen Forschungs-gemeinschaft möglich“, so Haass. „Das zeigt auch, dass kompetitive Forschung in Deutschland durchaus noch möglich ist.“

Media Contact

Cornelia Glees-zur Bonsen idw

Weitere Informationen:

http://www.med.uni-muenchen.de/haass

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