Proteinfaltung am Computer
Proteine – nur richtig gefaltet funktionieren sie
Wie Schlüssel und Schloss müssen Substrat und Enzym passgenau harmonieren, damit eine enzymatische Reaktion ablaufen kann. Entscheidend für die Funktion eines Enzyms und eines jeden Proteins ist dessen räumliche Struktur. Die Kette aus Aminosäuren, aus der ein Protein besteht, muss sich dazu in einer ganz bestimmten Art und Weise falten. Dabei darf nichts schief gehen. Die Rinderseuche BSE etwa soll auf einem falsch gefalteten Protein beruhen. Wie der Faltungsprozess von Proteinen auf atomarer Ebene abläuft, ist experimentell bisher nicht zu verfolgen. Mit Computersimulationen ist ein Chemikerteam um Wilfred van Gunsteren der Proteinfaltung nun dicht auf der Spur.
Die Zahl der möglichen Konformationen, die ein Protein prinzipiell annehmen kann, steigt exponentiell mit der Kettenlänge. Schnell werden astronomische Größenordnungen erreicht. Unmöglich, alle am Rechner durchzutesten! Dank der enormen Rechenleistung heutiger Großcomputer kann inzwischen zumindest die Faltung sehr kurzer Peptidketten simuliert werden. Abstoßung und Anziehung zwischen den einzelnen Atomen des Proteins bestimmen das Gleichgewicht zwischen gefaltetem (nativem) und entfaltetem (denaturiertem) Zustand. Die Gesamtheit der räumlichen Charakteristika all dieser Kräfte wird als Kraftfeld bezeichnet. Um den Verlauf eines Faltungsprozesses zu simulieren, muss nicht nur der eine gefaltete Endzustand, sondern insbesondere auch der entfaltete Ausgangszustand des Proteins in Form eines Kraftfeldes genau charakterisiert werden, erkannte van Gunsteren. Ein hoffnungsloses Unterfangen, wie es bisher schien – die Zahl der theoretisch möglichen entfalteten Zustände ist einfach zu riesig.
Eben diese Annahme entpuppte sich nun als Irrtum. In Wahrheit ist die Zahl sogar vergleichsweise gering, wie sich anhand von Simulationsrechnungen für mehrere kleine Peptide herausstellte. „Diese Erkenntnis rückt die Simulation des Faltungsprozesses eines Proteins auf atomarer Ebene in greifbare Nähe,“ zeigt sich van Gunsteren optimistisch.
Aber wie kommt man zum benötigten Kraftfeld für das entfaltete Protein, wenn keine experimentellen Daten dazu vorliegen? Van Gunsteren und seine Mitstreiter behalfen sich mit Daten über die Wechselwirkungen innerhalb und zwischen kleinen Molekülen in Lösung. Ausgehend von dem so ausgetüftelten Kraftfeld war das Team in der Lage, die Faltung einer Reihe von Peptiden zu simulieren.
Sollte die Simulation des Faltungsprozesses auf diese Weise auch für größere Proteine funktionieren, rückt eine der grundlegenden Herausforderungen der Molekularbiologie in greifbare Nähe: die Vorhersage der räumlichen Strukturen unbekannter Proteine.
Kontakt:
Prof. Dr.W. F. van Gunsteren
Laboratorium für
Physikalische Chemie
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
ETH-Zentrum
CH-8092 Zürich
Schweiz
Fax: (+41) 1-632-1039
E-Mail: wfvgn@igc.phys.chem.ethz.ch
Quelle: Angewandte Chemie, Ausgabe 02/2001 (113), 363 – 367
Hrsg.: Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)
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