Kristalle aus dem Rührkessel

Das Kanalsystem eines Zeolithen <br>Abb.: Dr. Ralph Herrmann

Neues Verfahren der Züchtung von Zeolithen

Prof. Dr. Wilhelm Schwieger vom Institut für Bio- und Chemieingenieurwesen der Universität Erlangen-Nürnberg ist ehrlich: „Nach dreijähriger Arbeit in einem Projekt mit der ESA (European Space Agency) wurden nicht alle Annahmen bestätigt.“ Jedoch ein Teilergebnis – gewissermaßen ein experimentelles „Nebenprodukt“ – hat sich statt dessen zu einem echten „Volltreffer“ entwickelt. Mittels Ultraschall kann in einem weltweit einmaligen Verfahren die Züchtung von Zeolithkristallen erstmals überwacht und dadurch auch gesteuert werden.

Zeolithe sind kristalline Silikatverbindungen mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Über eine Million Tonnen werden jährlich synthetisch hergestellt. In der petrochemischen Industrie helfen Zeolithe als Katalysatoren z.B. beim so genannten Cracken von Erdöldestillaten zur Treibstoffherstellung oder bei der Umwandlung von Methanol in Kohlenwasserstoffe. Der mengenmäßig größte Abnehmer von Zeolithen ist die Waschmittelindustrie mit ca. 700.000 Tonnen pro Jahr. Dort dienen sie als Ersatz von Phosphaten und tragen damit wesentlich zur Reduzierung der Überdüngung unserer Gewässer bei. Weiterhin kommen sie als Trocknungsmittel bei der Isolierglasherstellung oder in der Luftfilterung zum Einsatz. In jüngster Zeit finden sie bei zahlreichen High-Tech-Produkten Verwendung. So werden etwa in Mikrosensoren und Mikroschaltern chemisch oder photochemisch sensitive Moleküle in die Zeolithstrukturen eingeschlossen.

Zeolithe werden technisch in riesigen Rührkesseln mit bis zu zwanzig Kubikmetern Fassungsvermögen hergestellt. Darin werden alle benötigten Ausgangsstoffe eingerührt, die ein dickflüssiges yoghurtartiges Reaktionsgel bilden. Erhitzt man dieses Gel, so wachsen darin die gewünschten Zeolithkristalle. Die Problematik besteht darin, dass für jeden Anwendungszweck eine andere Kristallart benötigt wird. Sollen die Zeolithe als molekulare Siebe fungieren und – wie beispielsweise bei der Abgasreinigung – in ihren Hohlräumen relativ kleine Moleküle wie Stickoxide aufnehmen, so muss der Kristallzüch- tungsprozess entsprechend der späteren Anwendung exakt gesteuert werden.

„Den richtigen Zeitpunkt für das Reaktionsende zu finden, war aber reine Erfahrungssache. Praktikable Messmethoden gab es nicht“, erklärt Prof. Schwieger. So musste der Chemieingenieur bislang regelmäßig Proben entnehmen, diese filtrieren, trocknen und anschließend analysieren. Bis das Ergebnis vorlag, lief der Prozess mindestens dreißig Minuten weiter. „Mit unserer Methode können wir jedoch in den Herstellungsprozess ’hineinlauschen’ und zeitnah eingreifen“, so Prof. Schwieger: „Das Ergebnis liegt uns nun on-line vor.“

Ähnlich wie Fledermäuse oder Wale zur Ortung und Orientierung benutzen die Erlanger Forscher hochfrequente Schallwellen. Jede Sekunde wird von einer Sonde, die an einem repräsentativen Punkt im Rührkessel eingebracht ist, ein Ultraschallimpuls in den erhitzten „Yoghurt“ gegeben. Die ausgesandten Ultraschallwellen ändern auf dem Weg durch die Reaktionslösung ihre Geschwindigkeit und „Lautstärke“. Wird das empfangene Signal mit dem Zustand der Lösung in Verbindung gebracht – man sagt korreliert, so lassen sich bei geschickter Einstellung der „frische Yoghurt“ zu Reaktionsbeginn und verschiedene Stadien „fertiger“ Zeolithkristalle unterscheiden.

Von der „Zufallsentdeckung“ zur Anwendungsreife

Die Entwicklung dieser „künstlichen Fledermaus“ war keineswegs geplant. Prof. Schwieger: „Eigentlich suchten wir für die ESA (European Space Agency) nach einem Weg, die Zeolithherstellung schneller durchzuführen und Kristalle mit besserer Qualität zu erhalten. Deshalb experimentierten wir unter anderem mit Mikrowellen als Wärmequelle.“ Für die Versuche im elektrische Feld der Mikrowellen wurde jedoch eine geeignete Untersuchungsmethode benötigt. Die Entdeckung der unterschiedlichen Reaktion des Ultraschalls auf den Zustand der Reaktionslösung erweiterte schließlich die Zielrichtung der Erlanger Forscher. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Leipzig und einem Industriepartner entwickelten sie das Verfahren – gewissermaßen als ’Spin-off’ des ESA-Projektes – bis zur Anwendungsreife. Seit Juni vergangenen Jahres ist es in einem Pilotprojekt im Chemiepark Bitterfeld zur Qualitätssicherung bei der Zeolithherstellung im Einsatz. Wie das einjährige „Anwendungsjubiläum“ stilecht mit einer Resourcen schonenden energetischen Anwendung gefeiert werden kann, steht auch schon fest. Prof. Schwieger: „Werden Zeolithe in eine speziell präparierte Isolierschicht eingebracht, so lässt sich damit Bier auch stromlos kühlen. Ein selbstkühlendes Bierfass gibt es bereits.“

Natürlich vorkommende Zeolithe wurden 1756 vom schwedischen Hobbymineralogen Baron Axel F. Cronstedt entdeckt. Er beobachtete, dass das Mineral Stilbit beim Erhitzen dampfte, als ob es sieden würde. Daher stammt der Name Zeolith (griech. Zeo = ich siede, lithos = Stein), siedender Stein. Seit ca. fünfzig Jahren werden Zeolithe synthetisch hergestellt und in den verschiedensten Industriezweigen eingesetzt. Die Abbildung zeigt die Struktur eines typischen Zeolithen. Die Öffnungen der Kanäle haben einen Durchmesser in Moleküldimensionen. Dies erlaubt das sogenannte „Sieben“ von Molekülen. Würde man das Kanalsystem von einem Gramm Zeolith (siehe Abbildung) aneinander reihen, so ergäbe sich eine Strecke, die der Entfernung von der Erde zur Sonne – immerhin rund 150 Millionen Kilometer – entspricht. Als Katalysator sind Zeolithkristalle mit einer Größe von 500 nm bis 10 µm erwünscht. Für neuartige Anwendungen (Sensoren, Schalter) sind große Kristalle (größer 20 µm) erforderlich.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Wilhelm Schwieger
Lehrstuhl für
Technische Chemie I
Tel.: 09131/85-28910
schwieger@tc.uni-erlangen.de

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Heidi Kurth idw

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