Gut geheizte Kinderstube macht Bienen klüger
Honigbienen können das Lernverhalten und die Kommunikationsfähigkeit ihrer Nachkommen selbst bestimmen.
Entscheidend dabei ist die Temperatur, bei der sich die Bienenpuppen entwickeln. Das berichtet die Arbeitsgruppe des Zoologen Prof. Dr. Jürgen Tautz von der Uni Würzburg in der neuen Ausgabe des US-amerikanischen Wissenschaftsblatts PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences).
Kluge Bienen sammeln effektiv Nektar, erzeugen damit genug Wärme für den Nachwuchs (unten eine Puppe) und bringen auf diese Weise wieder kluge Bienen hervor. Das haben Würzburger Zoologen entdeckt. Bilder: Bujok, Groh, Kleinhenz, Rössler, Tautz
Eine Kolonie Honigbienen sammelt im Laufe eines Sommers Blütennektar mit einem Energiegehalt von insgesamt fünf Millionen Kilo-Joules. Um dies möglichst effektiv erledigen zu können, müssen die Bienen über hoch entwickelte Lern- und Kommunikationsfähigkeiten verfügen: Sie müssen sich die Landschaft einprägen, um vom Stock zur Blütenwiese und zurück zu finden. Außerdem müssen sie den Umgang mit den unterschiedlichen Blütentypen lernen. Auch der Schwänzeltanz, mit dem sie ihren Nestgenossinnen die Lage einer Futterstelle mitteilen, ist eine komplexe Kommunikationsform, die höchste Leistungen vom Nervensystem der Bienen fordert.
Die Ausbildung all dieser Fähigkeiten hängt von der Temperatur im Brutnest ab, wo sich die Larven über Puppen zu erwachsenen Bienen entwickeln. Eine Kolonie verwendet etwa 40 Prozent der im Nektar steckenden Energie, um das Brutnest auf eine mittlere Temperatur von 35 Grad Celsius zu klimatisieren. Dieser statistische Mittelwert lässt sich aufdröseln, wie die Arbeiten im Labor von Jürgen Tautz gezeigt haben: In Wirklichkeit stellt sich das Brutnest wie eine Art Flickenteppich mit unterschiedlich temperierten Brutbereichen dar.
Um zu testen, welche Folgen das für die Bienen hat, überführten die Zoologen Bienenpuppen in Brutschränke, in denen die Temperaturunterschiede imitiert wurden. Ein Teil der Puppen wurde Temperaturen bis zu höchstens 34,5 Grad Celsius ausgesetzt, was unter natürlichen Bedingungen regelmäßig vorkommt. Aus ihnen entstanden Bienen, die ihr angelerntes Wissen leichter vergessen und deren Schwänzeltänze weniger wirksam sind. Die „klügsten“ Bienen entwickelten sich dagegen aus Puppen, die bei 36 Grad Celsius gehalten wurden.
Schon der Altmeister der Bienenforschung, der Nobelpreisträger Karl von Frisch, hatte vor 80 Jahren in seinen Notizen verwundert die Beobachtung von „guten“ und „schlechten“ Tänzerinnen festgehalten. Er war also damals schon dem heute nun etwas besser verstandenen Phänomen auf der Spur.
„Man kann vermuten, dass es rein äußere Bedingungen wie eine ungünstige Position der Brutzellen innerhalb des Nestes sind, die eine durchgehend optimale Temperierung verhindern“, so Tautz. Doch der Professor geht davon aus, dass eine Kolonie die Anzahl der hoch begabten Bienen durch die Klimatisierung steuern kann. Das sei sinnvoll, weil es sehr von den inneren und äußeren Bedingungen abhängt, wie effektiv eine Kolonie Nektar sammeln muss.
„Mit diesen Experimenten haben wir einen spannenden Fall der Rückkopplung von Nervensystemen auf Nervensysteme entdeckt.“ Besondere Leistungen des Zentralnervensystems der Biene – Lernen und Kommunizieren – dienen der Ansammlung von Energie in Form von Nektar. Aus der Umsetzung dieser Energie in Wärme für die Brut der Bienen – ebenfalls eine Verhaltensleistung und somit Produkt des Nervensystems – entstehen wiederum „kluge“ Bienen, die dieses „Rad“ durch bestmögliche Lernfähigkeit und hochwirksame Kommunikation leistungsfähig weiterdrehen können.
Die Arbeiten der Würzburger Bienenforscher werden finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jürgen Tautz
Telefon 0931 – 888-4319, Fax 0931 – 888-4309
E-Mail: tautz@biozentrum.uni-wuerzburg.de
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