Wann wird Hefe klebrig? Göttinger Forscher entschlüsseln molekulare Vorgänge

Warum und wann werden Hefen klebrig? Wissenschaftler der Universität Göttingen haben die molekularen Zusammenhänge bei der Produktion eines „Klebstoffs“ entschlüsselt, der für das Aneinanderhaften von Hefezellen verantwortlich ist.

Dabei entdeckten Prof. Dr. Gerhard Braus und Prof. Dr. Hans-Ulrich Mösch vom Institut für Mikrobiologie und Genetik Moleküle, die in ähnlicher Form nicht nur in der Hefe, sondern auch in höheren Organismen vorkommen. Die beiden Forscher wollen in ihren Arbeitsgruppen nun untersuchen, ob sich aus der Regulation der so genannten Adhäsion bei Pilzen das Verständnis bestimmter Vorgänge zum Beispiel beim Nervenwachstum ableiten lässt. „Mit unseren Entdeckungen an der Hefe haben wir dafür die besten Voraussetzungen geschaffen“, betont Prof. Braus. Die Forschungsergebnisse werden am heutigen Mittwoch in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Molecular Biology of the Cell“ veröffentlicht.

Bäcker-, Bier- oder Weinhefen können in zwei verschiedenen Erscheinungsformen vorkommen – diese Erkenntnis ist von der Wissenschaft fast 100 Jahre vergessen und erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt worden. In ihrem „Hefeprogramm“ wachsen sie als runde Zellen; wenn sie sich aber ausbreiten oder in Substrate eindringen, wechseln sie zum „Filamentprogramm“: Die Zellen werden länger und haften aneinander. Dazu produzieren sie als „Klebstoff“ das so genannte Adhäsionsprotein Flo11p. Prof. Braus und seine Kollegen haben festgestellt, dass ein Teilprogramm des filamentösen Wachstums bei Hefen, die Klebstoffproduktion, durch Aminosäuremangel hervorgerufen werden kann. Ein „Master-Regulator“ der Aminosäureknappheit ist das Protein Gcn4p: Es reguliert in dieser Mangelsituation die Aktivierung von mehr als 1.000 verschiedenen Genen. In ihren jüngsten Untersuchungen entdeckten die Göttinger Forscher, dass Gcn4p auch an der Regulation des Zelladhäsionsproteins Flo11p beteiligt ist. Die Besonderheit: Gcn4p kommt in ähnlicher Form auch in den Zellen höherer Formen von Tieren vor, hier unter der Bezeichnung „jun“.

Bei jun handelt es sich ebenfalls um einen „Master-Regulator“, der unterschiedliche Programme steuern kann. Unter anderem geht die Regeneration nach der Verletzung von Nervengewebe – die Ausbildung von Axonen und neuen neuronalen Verbindungen – mit der Aktivierung von jun einher. Prof. Braus: „Auch Nervenzellen müssen Klebstoffe produzieren, damit ihre Axone anwachsen und sie mit anderen Zellen Kontakte bilden können.“ Mit ihren Forschungsergebnissen haben die Göttinger Forscher die Grundlage dafür geschaffen, weitere Komponenten der Adhäsion und die dazugehörigen Regulatoren in einem leicht zugänglichen Organismus zu untersuchen. „Wenn diese Gene identifiziert sind, kann wissenschaftlich weiter entschlüsselt werden, welche von ihnen auch in höheren Organismen und beim Menschen eine ähnliche Aufgabe haben“, betont Prof. Braus.

Kontaktadresse:

Prof. Dr. Gerhard Braus
Georg-August-Universität Göttingen
Biologische Fakultät
Institut für Mikrobiologie und Genetik
Grisebachstraße 8, 37077 Göttingen
Telefon 0551 – 39-3771, Fax -3330
e-mail: gbraus@gwdg.de

Media Contact

Marietta Fuhrmann-Koch idw

Weitere Informationen:

http://www.gwdg.de/~molmibio

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