Spitzenforschung an der LMU: Gemeinsam BSE den Kampf ansagen


Verbraucher fürchten um ihre Gesundheit, Landwirte um ihre Existenz – die Rinderseuche BSE hat zu einer tiefen Verunsicherung der Bürger geführt. Die Bayerische Staatsregierung hat nun zehn Millionen Mark für ein koordiniertes BSE-Forschungsprogramm, das alle vorhandenen Kapazitäten und Einrichtungen beteiligen soll, zur Verfügung gestellt. Die Universität München betreibt auf diesem Gebiet seit langem Spitzenforschung. Nicht von ungefähr also stammen zwei von drei Vorstandsmitgliedern des neu gegründeten BSE-Forschungsverbunds in Bayern von der LMU: Professor Hans Kretzschmar, Leiter des Instituts für Neuropathologie, und der Tiermediziner Professor Eckhard Wolf vom Genzentrum in Großhadern. Mitte Januar hat Wissenschaftsminister Hans Zehetmaier die beiden Münchner Spezialisten gemeinsam mit Professor Volker ter Meulen von der Universität Würzburg in dieses Amt berufen.

Die drei Wissenschaftler sichten alle Anträge zur Förderung von BSE-Forschungsprojekten, die bayernweit bis Ende Januar eingereicht worden sind, und entscheiden, welche einer externen Begutachtung unterzogen werden sollen. In diesem Wettbewerb um Forschungsförderung hat die Universität eine gute Ausgangsposition. Sie bündelt seit langem ihre erfolgreichen Aktivitäten in der BSE-Forschung. „Wir stehen mit unseren Leistungen auf diesem Gebiet an der Spitze der Entwicklung“, erklärt Professor Walter Neupert, Prodekan der Medizinischen Fakultät. Seit Jahren wird an der LMU die Proteinforschung in verschiedenen Disziplinen wie Human- und Tiermedizin, Genetik und Biochemie erfolgreich vorangetrieben. Zudem hat die LMU bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zwei Sonderforschungsbereiche und ein Schwerpunktprogramm beantragt.


Der hohe Forschungsbedarf auf dem Gebiet der Erkrankungen, die durch Prion-Proteine ausgelöst werden, rührt auch daher, dass es sich dabei um einen neuartigen Erregertyp handelt. Der amerikanische Neurologe Stanley Prusiner brach mit der überlieferten Theorie, wonach sich Infektionen nur über Partikel verbreiten können, die eine Nukleinsäure wie die DNA enthalten. Er hatte ein neues infektiöses Agens gefunden, das nur aus Protein besteht: das Prion. Für diese Entdeckung wurde er 1997 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Hans Kretzschmar, der an der LMU Humanmedizin studiert und später dort auch habilitiert hat, arbeitete drei Jahre in Prusiners Labor an der University of California: „In dieser Zeit wurde auch mein wissenschaftliches Interesse an den Prion-Krankheiten geweckt“, berichtet er.

Mittlerweile ist Kretzschmar selbst ausgewiesener Spezialist für Prion-Erkrankungen und deshalb auch gefragter BSE-Experte in den Medien. „In den letzten Jahren haben wir uns unter anderem mit der Funktion des Prion-Proteins beschäftigt: Neben der infektiösen, gibt es ja auch eine harmlose körpereigene Form“, erklärt der 48-Jährige. In der Diagnostik hat er die so genannte SIFT-Technik entwickelt. Sie hat zum Ziel, den Erreger der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit – auch der durch den BSE-Erreger verursachten neuen Variante – im Blut des Patienten nachzuweisen. Kretzschmar ist Leiter des Deutschen Referenzzentrums für die Erkrankungen des Zentralen Nervensystems.

Ein neues Kompetenzzentrum für BSE-Forschung soll die Wissenschaft auf diesem Gebiet an der LMU weiter vorantreiben. Zusammen mit Dr. Stefan Weiss und Dr. Hermann Schätzl, beide vom Genzentrum der LMU, und Dr. Jörg Tatzelt sowie Professor Franz-Ulrich Hartl, beide Max-Planck-Institut für Biochemie, arbeitet Kretzschmar am Aufbau dieser Forschungsplattform. Den Sonderforschungsbereich „Molekulare Mechanismen der Neurodegeneration“ hat er zusammen mit dem Alzheimer-Experten Professor Christian Haass vom Adolf-Butenandt-Institut der LMU bei der DFG beantragt. Dieser SFB soll sich auch der Erforschung anderer dementieller Erkrankungen wie Morbus Alzheimer und neurodegenerativer Leiden wie Morbus Parkinson widmen.

Prion-Erkrankungen wie BSE und die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit führen dazu, dass sich Partikel im Gehirn ablagern und das Gewebe löchrig wird – die typische schwammartige Struktur entsteht. Begleitet sind diese Verfallserscheinungen von zunehmenden Funktionsstörungen bis hin zur Demenz. Der Prozess der Proteinfaltung steht deshalb im Mittelpunkt eines weiteren von der LMU beantragten Sonderforschungsbereichs „Molekulare Maschinen in Proteinfaltung und Proteintransport“. Federführend ist Professor Walter Neupert.

Auch ein bei der DFG beantragtes Schwerpunktprogramm soll die Aktivitäten zur Erforschung der Rolle von Proteinen in biologischen Prozessen auf diesem Gebiete verstärken. Am Forschungszentrum „Proteine in Gesundheit und Krankheit“ sind unter anderem Professor Rudolf Grosschedl, Leiter des Genzentrums, und die Professoren Neupert, Kretzschmar sowie Haass beteiligt. Weitere Projektpartner sind die TU München, das Max-Planck-Institut für Biochemie und das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit. Das Forschungszentrum will die bestehenden Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen und Institutionen überbrücken und die am Forschungsstandort München versammelten Kompetenzen stärker vernetzen.

Eine Arbeitsgruppe der Tierärztlichen Fakultät – ihr gehören unter anderem Professor Rudolf Hoffmann, Professor Oskar-Rüger Kaaden und Professor Martin Förster an – möchte die in Bayern entdeckten Verdachtsrinder in Quarantäne bringen. Dort sollen die Tiere wissenschaftlich beobachtet werden.

Professor Eckhard Wolf, der vor allem durch sein Klon-Kalb „Uschi“ auch international sehr bekannt wurde, forscht auf dem Gebiet der Tierzucht: Er möchte durch den Einsatz von Klonierungstechniken die Möglichkeiten zur Züchtung von BSE-resistenten Tierarten untersuchen. Erste Ergebnisse mit Mäusen hat er bereits vorzuweisen.

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Cornelia Glees-zur Bonsen idw

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