Erfolgreiche Proteininventur am Zentrosom

Abb. 1: Immunfluoreszenzmikroskopische Aufnahme einer sich teilenden menschlichen Zelle. Die Chromosomen sind blau, die Mikrotubuli der Teilungsspindel grün und die beiden Zentrosomen gelb/orange eingefärbt. Skala: 10 Mikrometer <br>Bild: Max-Planck-Institut für Biochemie

Deutsch-dänisches Forscherteam identifiziert große Zahl von Proteinen, die in der Steuerungszentrale der Zellteilung enthalten sind

Es ist zwar nur ein Tausendstel Millimeter groß, spielt aber eine wichtige Rolle in allen Zellen – das Zentrosom, ein aus Proteinen bestehendes Zellkörperchen, das bei der Teilung, der Formgebung und Bewegung von Zellen unbedingt gebraucht wird. In jeder Zelle ist es in einer bzw. – vor der Teilung – zwei Kopien vorhanden und organisiert das „Skelett“ der Zelle, das Mikrotubuli-Zytoskelett. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried bei München und der Universität von Süd-Dänemark in Odense haben jetzt mit einem Mal eine beträchtliche Zahl bisher unbekannter Proteine des Zentrosoms in menschlichen Zellen gefunden – ein Erfolg von großer medizinischer Bedeutung, da Störungen des Zentrosoms bei Krebserkrankungen, aber auch Fettleibigkeit oder Diabetes 2 ein Rolle spielen (Nature, 4. Dezember 2003). So führt eine fehlerhafte Zusammensetzung der Zentrosomen, in deren Folge wichtige Proteine falsch arbeiten oder ganz fehlen, zu einer Störung der Zellteilung und der Entstehung von Tumoren.

Im menschlichen Organismus finden jede Sekunde mehrere Millionen Zellteilungen (z.B. bei Blut-, Darm-, und Hautzellen) statt: Bei jeder Zellteilung wird der Inhalt der Zelle verdoppelt und auf zwei neue Tochterzellen verteilt. Gleiches geschieht auch mit den Chromosomen, den Trägern der genetischen Information der Zelle (DNA). Hierbei bildet das Zytoskelett aus Mikrotubuli ein feines Netzwerk, die Teilungsspindel, die von den beiden Zentrosomen der Zelle organisiert wird (vgl. Abb. 1). Das Zentrosom als „Zermonienmeister“ der Zellteilung steuert die Teilungsspindel und sorgt dafür, dass die bei der Zellteilung doppelt vorhandenen Chromosomen gleichmäßig auf die neu entstehenden beiden Tochterzellen aufgeteilt und damit auch alle Information und Funktionen der ursprünglichen Zelle „vererbt“ werden. Bei Tumorzellen ist diese Aufteilung der Chromosomen und Zentrosomen häufig gestört und es können Zellen mit zu viel oder zu wenig Chromosomen entstehen.

Seit mehr als hundert Jahren wissen Wissenschaftler von dieser zentralen Bedeutung des Zentrosoms in der Zelle. Doch über seine Struktur und Funktion ist bis heute nur sehr wenig bekannt. Jetzt gelang es den Martinsrieder Zellbiologen in der Abteilung von Erich Nigg, die Zusammensetzung der Proteine (Proteomics) des Zentrosoms in einem einzigen Forschungsprojekt zu bestimmen. Dazu isolierten die Forscher die Zentrosomen aus Zellkulturen und bestimmten danach gemeinsam mit ihren dänischen Kollegen die einzelnen Proteine, die im Zentrosom vorkommen. Die Wissenschaftler aus Odense sind Spezialisten auf dem Gebiet der Proteinanalyse mit Hilfe der Massenspektrometrie: Hierbei werden Proteine ionisiert und dann in der Gasphase auf ihre Masse hin analysiert und identifiziert. Wurden bisher immer nur wenige Proteine oder Proteinbestandteile (Peptide) durch massenspektrometrische Methoden aufgeklärt, so haben die Wissenschaftler um Matthias Mann in Odense jetzt eine Methoden entwickelt, mit der sie in der Lage sind, aus einer Mischung von vielen hundert Proteinen oder Peptiden dann einzelne Proteine oder Peptide zu identifizieren und zu quantifizieren („Protein Correlation Profiling“).

Die Herausforderung bei der Untersuchung der Zentrosom-Proteine bestand nun zuerst darin, diese in hoher Qualität zu isolieren. Die hierbei insgesamt 1.000 gefundenen Proteinen wurden anschließend in Datenbanken mit den bereits bekannten Zentrosom-Proteinen verglichen. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass sie zusätzlich zu den bereits bekannten etwa 60 Proteinen noch weitere, völlig unbekannte 19 Proteine identifiziert und darüber hinaus 41 Proteine gefunden hatten, die mit großer Wahrscheinlichkeit im Zentrosom vorkommen. Damit ist es den beiden Forschungsgruppen gelungen, die Zahl der bekannten Zentrosom-Proteine mit ihrer nur knapp zwei Jahre dauernden Studie zu verdoppeln.

Die eindeutige Zuordnung der Proteine zum Zentrosom führten Christopher J. Wilkinson und seine Martinsrieder Kollegen durch. Die von Erich Nigg geleitete Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem menschlichen Zentrosom und insbesondere mit seiner Rolle bei der Zellteilung und Tumor-Entstehung. Mit Hilfe der Immunofluoreszenz-Mikroskopie gelang es den Forschern, für 19 Proteine die Lokalisation im Zentrosom eindeutig nachzuweisen. Dazu verknüpften die Wissenschaftler die Proteine mit einem anderen Protein, das unter Lichteinwirkung einer bestimmten Wellenlänge fluoresziert (GFP = „green fluorescent protein“). Auf diese Weise konnte die Proteine bei der Zellteilung im Mikroskop verfolgt und beobachtet werden, dass diese 19 Proteine tatsächlich im Zentrosom vorkommen (vgl. Beispiel in Abb.2).

„Uns ist es gelungen, in sehr kurzer Zeit eine große Menge von Proteinen zu identifizieren“, so Wilkinson. „War es bisher immer nur möglich, sich in einer Studie auf ein einziges Protein zu konzentrieren, so konnten wir durch die effektive Zusammenarbeit mit dem Team um Matthias Mann das Proteom, also die gesamte Proteinzusammensetzung des Zentrosoms untersuchen. Dies ist zuvor noch nie gelungen. Mit unseren Ergebnissen sind wir jetzt nicht mehr weit davon entfernt, die gesamte Protein-Zusammensetzung des Zentrosoms zu kennen.“

Welche Bedeutung diese neuen Erkenntnisse für die Erforschung von menschlichen Krankheiten haben, ist naheliegend: So wird eines der von den Wissenschaftlern jetzt als zentrosomal identifierten Proteine mit der Entstehung von Lymphknotenkrebs (B- und T-Zellen-Lymphom) in Zusammenhang gebracht. Die Wissenschaftler fanden auch einen Teil eines Proteins, das dem so genannten Alström-Syndrom-Protein zugeordnet wird und an der Entstehung von Fettleibigkeit, Diabetes Typ 2 und neurosensorischer Degeneration beteiligt ist.

Die Identifizierung dieser großen Anzahl von Komponenten des Zentrosoms eröffnet völlig neue Perspektiven, um in weiteren Studien ihre Regulation, Funktion und Wechselwirkung miteinander sowie mit anderen zellulären Proteinen aufzuklären.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Eva-Maria Diehl (Öffentlichkeitsarbeit)
Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
Tel.: 089 8578-2824
Fax: 089 8578-2943
E-Mail: diehl@biochem.mpg.de

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Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

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