Rechenkraft enträtselt das Wasser
So alltäglich es erscheint, so rätselhaft ist es immer noch: Gewöhnliches Wasser und seine Eigenschaften unter verschiedenen Bedingungen beschäftigen Forscher weltweit. Einer, der seit langem mit theoretischen Berechnungen dem Wasser auf der Spur ist, ist Prof. Dr. Dominik Marx (Lehrstuhl für Theoretische Chemie der Ruhr-Universität). Ihm wird eine besondere Ehre zuteil: In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science kommentiert er als Experte die Arbeit von Kollegen. In den USA gelang mit einem Großrechner, der etwa zehnmal so viel Rechenkraft besitzt wie die bisher dafür eingesetzten, ein Quantensprung in der Berechnung der Oberflächenstruktur von Wasser.
Mechanismen der Umweltverschmutzung verstehen
Die Hauptfrage der Forscher war, wie genau eine Wasseroberfläche, etwa die eines Wassertropfens, auf der atomaren Skala betrachtet strukturiert ist. Oder mit anderen Worten: Wie ordnen sich die Wassermoleküle im Grenzgebiet zwischen Oberfläche und Gasphase bevorzugt an? Kenntnisse darüber geben z. B. Aufschluss darüber, warum Schadstoffe in der Luft in winzigen Wassertröpfchen plötzlich katalytisch aktiv werden, diese also zu „Nano-Laboratorien“ werden. Ausschlaggebend dafür ist die atomare Beschaffenheit der Wasseroberfläche, über die es bislang in der Wissenschaft verschiedene Ansichten gab. „Die Kollegen haben in punkto Rechenleistung ein wahres Riesenproblem gelöst“, so Prof. Marx, der dieselbe Simulationsmethode (ab initio Car-Parrinello-Simulation) auch in Bochum anwendet und v.a. technisch weiterentwickelt. Etwa 1500 Prozessoren standen den US-Forschern zur Verfügung. Zum Vergleich. Der Großrechner der Bochumer Chemiker, der zu den größten und schnellsten seiner Art in Deutschland gehört, hat „nur“ ca. 150 Prozessoren. „Die Studie zeigt uns auch, dass große Investitionen z. B. in die Rechenkraft nötig sind, um zur Weltspitze zu gehören“, so der international renommierte Experte mit Seitenblick auf die Elite-Uni-Diskussion.
Studie beweist, was heute alles machbar ist
Die neuen Berechnungen klärten die strittige Oberflächenstruktur des Wassers nun auf. „Diese Erkenntnisse werden mit Sicherheit neue Experimente stimulieren“, erläutert Prof. Marx, „Simulation und Experiment befruchten sich immer gegenseitig.“ Er betrachtet die US-Studie auch als Machbarkeitsstudie, die zeigt, was mit Hilfe der theoretischen Simulationen tatsächlich möglich ist, falls die Voraussetzungen stimmen.
Von Eis zu Biomolekülen
Die Simulationen am Lehrstuhl für Theoretische Chemie der RUB haben die Forscher schon auf so manche heiße Spur gebracht. Zusammen mit Experimentalkollegen klären die Forscher im „virtuellen Labor“ auf, wie verschiedene „Sorten“ von Eis molekular aufgebaut sind, wie kleine Proteine sich in flüssigem Wasser verhalten, oder wie biomolekulare Wasserkanäle funktionieren. Am Computer können sie Wassermoleküle unter verschiedenen Bedingungen zerfallen oder miteinander reagieren lassen und sich die Abläufe auf dem Bildschirm wie einen Film ansehen. Informationen und Animationen zu den vielfältigen Arbeiten der Bochumer Theoretiker finden sich in der Mediathek: http://www.theochem.rub.de.
Titelaufnahme
Dominik Marx: Throwing Tetrahedral Dice. In: Science, Vol. 303, S. 634 – 636 (2004)
Weitere Informationen
Prof. Dr. Dominik Marx, Lehrstuhl für Theoretische Chemie, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-28083, Fax: 0234/32-14045, Internet: http://www.theochem.rub.de, E-Mail: dominik.marx@theochem.rub.de
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