Bisher unbekannter Abwehrmechanismus gegen Krankheitserreger entdeckt
Weiße Blutkörperchen sind in der Lage, Bakterien in netzartigen Strukturen einzufangen und zu töten, haben Wissenschaftler des Berliner Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie herausgefunden
Spezialisierte Zellen unseres Immunsystems, die Neutrophilen, stellen in der Abwehr von Krankheitserregern die erste Verteidigungslinie dar. Sie nehmen in den Körper eingedrungene Bakterien auf und zerstören diese. Neue Forschungsergebnisse aus dem Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie zeigen nun, daß Neutrophile noch einen ganz anderen Abwehrmechanismus einsetzen: Sie produzieren extrazellulär eine faserige Struktur und werfen gewissermaßen ein Netz aus, in dem die Bakterien gefangen und abgetötet werden. Die von Professor Arturo Zychlinsky, Direktor der Abteilung Zelluläre Mikrobiologie, und dem Mikroskopie-Team um Volker Brinkmann entdeckten Strukturen wurden von den Wissenschaftlern NETs (Neutrophil Extracellular Traps) getauft. Diese Forschungsergebnisse werden in der neuen Ausgabe von „Science“ (Science, 5. März 2004) veröffentlicht.
Neutrophile machen mit 50 bis 80 Prozent den größten Teil der weißen Blutkörperchen aus. In ihrem Zellinneren befinden sich Granula, d. h. membranumhüllte „Körnchen“, die ein regelrechtes Arsenal an enzymatischen und chemischen Abwehrstoffen gegen Mikroorganismen enthalten. Treffen Neutrophile nun auf Krankheitserreger, umfließen sie diesen zuerst mit ihrer Zellmembran und nehmen ihn auf diese Weise in sich auf. Anschließend wird der Erreger mittels der Substanzen aus den Granula abgetötet.
Die Berliner Infektionsbiologen haben nun unter dem Raster-Elektronenmikroskop einen bisher unbekannten Abwehrmechanismus entdeckt: Neutrophile können überraschenderweise Bakterien auch außerhalb der Zelle bekämpfen, indem sie eine netzartige Struktur produzieren. In diesem Netz werden die Bakterien gefangen und abgetötet. Diese netzartigen Strukturen wurden von den Wissenschaftlern NETs (Neutrophil Extracellular Traps) genannt.
NETs sind unter dem Raster-Elektronenmikroskop als feine Fasern zu erkennen (Abb. 1 und 2). An diesen Fasern kleben globuläre Partikel, über die sich die Fasern zu komplexeren Strukturen verbinden. Ein wesentlicher Bestandteil der NETs ist Chromatin. Dieses Gemisch aus DNA und Proteinen befindet sich normalerweise im Zellkern und ist der Träger der Erbinformation. Den größten Teil der im Chromatin enthaltenen Proteine machen Histone aus. Sie sind zuständig für die geordnete Struktur der DNA, darüber hinaus haben sie eine sehr wirksame bakterizide Eigenschaft. Interessanterweise enthalten die NETs auch Proteine aus den Granula der Neutrophilen, die die Bakterien nicht abtöten, sondern im Vorfeld entwaffnen.
In Zusammenarbeit mit Yvette Weinrauch von der New York University konnten Arturo Zychlinsky und seine Mitarbeiter zeigen, dass NETs verschiedene Bakterien mit hoher Effizienz abtöten können: Shigellen, die Erreger der Bakterienruhr, Salmonellen, die Verursacher von Typhus, und Staphylokokken, welche sowohl Lebensmittelvergiftung als auch das Schocksyndrom hervorrufen können. Die Max-Planck-Wissenschaftler konnten NETs nicht nur in experimentellen Zellkulturen, sondern auch in Gewebsproben von Bakterienruhr und Biopsiemateral von Patienten mit Blinddarmentzündungen nachweisen.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Arturo Zychlinsky
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
Tel.: 030 28460-300, Fax: -301
E-Mail: Zychlinsky@mpiib-berlin.mpg.de
Dr. Volker Brinkmann
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin
Tel.: 030 28460-318, Fax: -301
E-Mail: brinkmann@mpiib-berlin.mpg.de
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