Genom der Laborratte entziffert und analysiert
Neue Erkenntnisse über Krankheitsursachen erwartet – Einblick in die Evolution der Säugetiere
Nach der Entzifferung des Genoms des Menschen und der Maus hat ein internationales Wissenschaftlerkonsortium, an dem auch das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin- Buch teilnahm, jetzt das Genom der Ratte (BN-Ratte) als drittes Säugetiergenom nahezu vollständig entziffert und analysiert. An dem Projekt unter Federführung des Baylor College of Medicine in Houston/Texas (USA) haben sich über 20 Forschergruppen aus sechs Ländern – USA, Kanada, Großbritannien, Spanien, Schweiz und Deutschland beteiligt. Neben dem MDC nahmen aus Deutschland auch Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (Berlin), des European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg und der Firma MWG-Biotech (Ebersberg bei München) teil. Die ersten Ergebnisse aus dem Rattengenom veröffentlichte jetzt das renommierte Wissenschaftsmagazin Nature (Vol. 428, Nr. 6982, pp. 493ff). 30 weitere Publikationen werden in der April-Ausgabe der Fachzeitschrift Genome Research veröffentlicht, kündigte ein Sprecher des National Human Genome Research Institute in Bethesda/USA, das ebenfalls an dem Projekt mitarbeitete, an. Es hatte eine Laufzeit von drei Jahren und wurde mit rund 50 Millionen Dollar gefördert. Für die Analyse der Daten mussten die Wissenschaftler zusätzliche Mittel einwerben. „Mit den Ergebnissen können wir noch präziser als bisher nach den Ursachen für die Entstehung von Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen suchen und möglicherweise Ansatzpunkte für Therapien finden“, erläuterte Prof. Norbert Hübner vom MDC die Bedeutung des Projekts.
Die Ratte wird seit fast 200 Jahren in der Forschung als Versuchstier eingesetzt und gilt als unentbehrlich für die medizinische Grundlagenforschung und die Medikamentenentwicklung. Ein Ergebnis des Projekts ist, dass das Rattengenom aus ungefähr 25 000 Genen besteht und damit fast ebenso viele Gene hat wie der Mensch und die Maus. Allerdings hat das Rattengenom mit 2,75 Milliarden weniger Genbausteine als der Mensch mit rund drei Milliarden und die Maus mit etwa 2,6 Milliarden. Weiter stellten die Forscher fest, dass nahezu alle Gene des Menschen, die bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle spielen, ihre Entsprechung bei der Ratte haben. Offenbar sind diese Gene im Laufe der Entwicklung der Säugetiere in den letzten Millionen von Jahren hochkonserviert worden. Ein Vergleich der Genome des Menschen, der Maus und der Ratte ermöglicht nach Ansicht der Forscher einen einzigartigen Blick in die Evolution der Säugetiere.
Zur Entzifferung und Analyse des Rattengenoms setzten die Wissenschaftler zwei verschiedene Methoden ein. Zum einen die „Schrotschußmethode“ des Genomforscher Craig Venter von der Firma Celera Genomics, der sich, anders als beim Humangenomprojekt, an dem Rattenprojekt beteiligte. Dabei wird das Rattengenom in kleine Schnipsel zerlegt. Zum zweiten die so genannte BAC-Sequenzierungsmethode der Forscher des Humangenomprojekts, die das Genom in größere Stücke zerlegt. Anschließend wird die Reihenfolge (Sequenz) der Genbausteine der einzelnen Schnipsel entschlüsselt und alle Teile am Computer wieder zusammengesetzt. Die MDC-Wissenschaftler erstellten dazu eine so genannte physikalische Karte, mit deren Hilfe sie überprüfen können, ob die Zusammensetzung der Genomsequenz im Computer korrekt erfolgt ist, erläuterte Prof. Hübner. „Die Fehlerquote betrug lediglich 1 auf 10 000 Bausteine und entspricht damit dem `Goldstandard`des Humangenomprojekts“, sagte er. Weiter hatten Prof. Hübner und seine Mitarbeiter Variationen im Genom der Ratte festgestellt, die unter Umständen Hinweise darauf geben können, ob jemand eine besondere Disposition für eine bestimmte Krankheit hat. (s.a. MDC-Pressemitteilung Nr. 6).
Als nächstes wollen die Wissenschaftler in den USA die Genome der Honigbiene, des Seeigels sowie des Rinds und des Rhesusaffen erforschen.
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