Neues therapeutisches Molekül treibt Krebszellen in den Selbstmord
Forscher des „Nationalen Genomforschungsnetzes“ (NGFN) haben ein Eiweiß konstruiert, das den Selbstmord von Krebszellen auslösen kann. Das Eiweiß stört eine Signalkette, die viele Krebszellen unbedingt zum Überleben brauchen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das NGFN seit 2001 mit 180 Millionen Euro.
NGFN-Wissenschaftler am Georg-Speyer-Hauses in Frankfurt/Main haben ein künstliches Eiweiß hergestellt, das eine für Tumorzellen überlebenswichtige Signalkette blockiert und dadurch den Selbstmord der Krebszellen einleitet.
Stat3 funktioniert wie ein winziger Schalter. Wenn Stat3 aktiviert – also angeschaltet – ist, läuft in der Zelle das Programm „Wachstum, Überleben und Vermehrung“ ab. In Krebszellen ist Stat3 häufig permanent angeschaltet. Dies führt dazu, dass sich Zellen unkontrolliert vermehren. Das kleine, künstliche Eiweiß der Frankfurter Forscher unterbricht die Stat3-Signalkette und damit die unkontrollierte Vermehrung der Krebszellen.
Für das Wachstum braucht eine Zelle Signale von außen in Form von biochemischen Botenstoffen, die an der Oberfläche der Zelle andocken. Die Andockstellen funktionieren wie winzige Antennen. Die Antenne verformt sich und aktiviert dadurch im Inneren der Zelle zum Beispiel das Eiweiß Stat3, das dann bestimmte Betriebsprogramme in der Zelle in Gang setzt.
Das Forscherteam unter Leitung von Professor Bernd Groner hat in einer „Bibliothek“ mit mehreren Millionen von kleinen, künstlich hergestellten Eiweißen eines gefunden, das sich gezielt an Stat3 anlagert. Es blockiert damit eine Stelle am Stat3, die für die Bindung an die Erbsubstanz DNA wichtig ist. Bestimmte Gene können dann nicht mehr abgelesen werden und das Programm „Wachstum und Vermehrung“ wird abgeschaltet. Stattdessen leitet die Zelle ihren eigenen Tod ein. Auf diese Weise tötet das Eiweiß Tumorzellen. Solche kleinen Substanzen, die exakt in bestimmte Vertiefungen und Hohlräume von Eiweißmolekülen passen, werden Aptamere genannt.
Mit einer ähnlichen Strategie hatten die NGFN-Wissenschaftler ein Jahr zuvor bereits ein Aptamer gefunden, das ebenfalls die Vermehrung von Krebszellen verhindert, aber an einem anderen Eiweiß angreift. Dieses lagert sich an ein Eiweiß an der Zelloberfläche an, das Signale von wachstumsfördernden Botenstoffen empfangen kann. Aptamere können möglicherweise in der Zukunft als neue Waffen gegen Krebs eingesetzt werden. Dazu müssen sie als Arzneimittel entwickelt und in ihren Eigenschaften optimiert werden.
Das Projekt von Professor Groner ist Teil des „Nationalen Genomforschungsnetzes“. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seit Mitte 2001 mehrere hundert Teilprojekte zur Verbesserung des Verständnisses und der Therapie von Krankheiten durch Genomforschung mit insgesamt 180 Mio. Euro. Nach einer sehr guten Zwischenbewertung durch ein internationales Gutachtergremium wird das Nationale Genomforschungsnetz nun für weitere drei Jahre fortgesetzt. Das Genomforschungsnetz Krebs, eines von fünf Krankheitsnetzen im NGFN, kann bereits zahlreiche Erfolge vorweisen kann. So wurde im Georg Speyer Haus in Frankfurt ein weiteres, neues Medikament gegen Krebs entdeckt, die Valproinsäure. Berliner Wissenschaftler identifizierten ein Gen, das zu der Entstehung von Hodgkin-Krebs beiträgt. An den Standorten München und Frankfurt haben NGFN-Wissenschaftler herausgefunden, warum das Medikament Glivec, das normalerweise erfolgreich gegen Blutkrebs eingesetzt wird, bei manchen Patienten nicht wirkt. Die Erfolge zeigen, dass durch die Zusammenarbeit im NGFN die Chancen der Genomforschung zum Fortschritt in der Medizin eindrucksvoll genutzt werden.
Die Forschungsergebnisse zur Blockierung der Signalkette in Krebszellen wurden in den Fachzeitschriften „Molecular Cancer Research“ (Band 2, März 2004) und „Journal of Biological Chemistry“ (Band 278, September 2003) veröffentlicht.
Für weitere Informationen:
Projektmanagement NGFN
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