Enzyme deutlich unter Weltmarktpreisen

Wissenschaftler der Universität Bonn haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich hoch effektive Enzymmischungen zu einem Bruchteil des Weltmarktpreises produzieren lassen. Ihre Methode könnte beispielsweise dazu beitragen, Biogasanlagen erheblich effektiver zu machen.

Viele kennen sie ja nur vom Waldspaziergang oder als unappetitlichen Bewuchs auf überaltertem Brot. Dr. Udo Hölker jedoch lässt auf seine Versuchsobjekte nichts kommen: „Vergessen Sie Bakterien – Pilze können viel mehr!“ Der Uni-Wissenschaftler und Geschäftsführer der Firma „Bioreact“ will die erstaunlichen Fähigkeiten der pilzlichen Mikroorganismen in den Dienst der Umwelt stellen. Sein Plan: Enzymmischungen, die von verschiedenen Schimmelpilzen produziert werden, sollen die Methan-Produktion in Biogasanlagen ankurbeln – „und das konkurrenzlos günstig.“

Das leicht brennbare Gas lässt sich einerseits zur Stromerzeugung in Block-Heizkraftwerken einsetzen, ist aber auch für Brennstoffzellen geeignet. Natürlicherweise entsteht es beispielsweise im Pansen von Kühen. Bei Labmagen-Operationen vergewissern sich Tierärzte gerne per Flammprobe, ob sie mit ihrem Skalpell nicht fälschlicherweise die Pansen-Wand perforiert haben. Urheber der Rinder-Blähungen sind so genannte „methanogene“ Bakterien. Und die sind nicht wählerisch: Unter geeigneten Bedingungen können sie aus nahezu allen organischen Abfällen Methan erzeugen. Nachwachsende Rohstoffe, Futtermittelabfälle, Molkerei-Rückstände oder Essensreste aus Restaurants akzeptieren sie dabei genauso gerne wie Mist oder Gülle.

Pilze helfen Bakterien

„Ein großer Teil nachwachsender Rohstoffe wie Gras oder Mais, aber auch der Bio-Abfälle besteht aus schwer abzubauenden langen Zuckerketten – Beispiele sind Zellulose oder Hemizellulosen -, und daran beißen sich die methanogenen Bakterien die Zähne aus“, erklärt Dr. Hölker. Schon lange kursiert daher die Idee, den Bakterien bei ihrer Arbeit unter die Arme zu greifen: Bestimmte Enzyme können nämlich die Zuckerketten knacken und in für die Methanproduzenten verdauliche Häppchen zerlegen. Problem ist nur: Die Enzyme sind teuer, und sie haben so ihre Vorlieben. „Mit einem oder zwei Enzymen lässt sich das organische Material nicht vernünftig vorverdauen, dazu sind die Substanzen, die sie zerlegen sollen, einfach zu unterschiedlich“, meint der Mikrobiologe. Fazit: Mischungen aus vielen Enzymen müssen ran, und billig sollen sie außerdem sein.

Hier kommen Hölkers Pilze ins Spiel: „Pilze passen ihre extrazellulären Enzyme an das zur Verfügung stehende Substrat an. Das heißt: Wenn man sie auf zellulosereiche Diät setzt, produzieren sie genau die Enzyme, die sie benötigen, um diese langen Zuckerketten abzubauen.“ Zusammen mit seinen Mitarbeitern hat der Mikrobiologe verschiedene Pilze isoliert, die das besonders gut können. In einer Pilotanlage sollen sie nun ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. „Dazu geben wir mehrere Pilze, die sich gut miteinander ’vertragen’ müssen, auf einen Ausgangsnährstoff, beispielsweise Rübenpellets, und lassen sie eine Weile wachsen“, erklärt Hölker. „Nach einer bestimmten Zeit geben wir dann ein wenig von dem Reststoff hinzu, aus dem wir Biogas erzeugen wollen. Wir lassen dem Pilzmix 24 Stunden Zeit, sich auf das neue Substrat einzustellen und die gewünschten Enzyme zu produzieren, und geben ihn dann in die Biogasfermenter mit den Methan-Bakterien. Dort spalten die Enzyme die Biomasse, so dass die Bakterien daraus Methan erzeugen können.“ Das Ganze geht kontinuierlich: Eine Förderschnecke wird am Anfang mit Pilzsporen und Rübenpellets beimpft und transportiert die munter wuchernde Kultur mitsamt den Enzymen in den folgenden Tagen sukzessive bis in den Fermenter.

Effektiver und kostengünstiger

Die Idee funktioniert zumindest im Labor bislang ausgezeichnet: „Die Biogasausbeute ist um 30 bis 50 Prozent höher als ohne unseren Enzymzusatz – mit Mischungen aus vier oder fünf reinen, konventionell hergestellten Enzymen erreicht man keine vergleichbare Steigerung.“ Diese sind zudem erheblich teurer in der Herstellung, vor allem, weil sie meist kostspielig konzentriert und gereinigt werden müssen, bevor sie in den Handel kommen. Für die Biogas-Erzeugung ist das unnützer Aufwand: Ob im Reaktor neben den erwünschten Enzymen auch noch ein paar Kilo Pilzmyzel landen, ist letztlich egal. „Unsere Enzyme kosten nur einen Bruchteil des Weltmarktpreises, den man für reine Enzyme zahlen würde“, verkündet der Geschäftsführer von „Bioreact“ und Chef von elf Mitarbeitern nicht ohne Stolz. „Wenn es um kostengünstige pilzliche Enzymmischungen geht, sind wir unschlagbar!“

Ansprechpartner:

Dr. Udo Hölker
Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik der Universität Bonn
Telefon: 0228/73- 5510
E-Mail: u.hoelker@uni-bonn.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de

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