Ökosystem Korallenriff: Riffsande leisten bedeutenden Beitrag zum Recycling von Korallen-Eizellen und Spermien
Was jetzt bei uns seit ein paar Wochen jedem Allergiker die Tränen der Verzweiflung ins Gesicht treibt sind Pollen, Pollen über Pollen. Es ist eben die Art und Weise, wie sich Windbestäuber auf der Nordhalbkugel unseres Planeten seit Urzeiten fortpflanzen, die das Immunsystem vieler Menschen überreagieren lässt. Bei den Korallenblüten ist es ähnlich wie bei den Gräsern, allerdings übernimmt hier die Meeresströmung und nicht der Wind die Verbreitung der Geschlechtszellen. Im australischen Great Barrier Reef haben jetzt Biologen vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie das Schicksal der in nur einer Nacht im Jahr geballt abgegebenen Korallen- Eier und Spermien genauer verfolgt.
Im Gegensatz zu ihren Vettern an Land, die sich ein paar Wochen mit dem Bestäubungsprozess Zeit lassen, haben die Korallen im Great Barrier Reef nur einmal im Jahr ein paar Nächte Zeit für ihren Sex. Das Absondern der Geschlechtszellen (Gameten) muss synchronisiert sein, weil sonst Ei und Spermium wegen der Meeresströmungen nicht zueinander kommen können und so die Chancen einer Befruchtung drastisch sinken würden. Dieses Handicap hat zur Folge, dass einmal im Jahr das komplette Korallenriff seine Gameten ausstossen muss. In den 80er Jahren wurde dieser Prozess zum ersten Mal wissenschaftlich dokumentiert und in Zusammenhang mit der Mondphase und Wassertemperatur gebracht. Je nach Korallenriff und Art tritt dieses „Coral Spawning“ immer im australischen Frühsommer in den Monaten Oktober bis Dezember auf. In einer sehr kurzen Zeitperiode werden soviele Gameten geballt entlassen, dass Schnorchler im Wasser Schwierigkeiten haben, mehr als einen Meter weit zu sehen.
Korallenriffe im Great Barrier Reef sind Teil einer extrem nährstoffarmen Welt. Die Gameten stellen neben ihrem primären biologischen Zweck der Vermehrung der Korallen eine riesige Menge organischen Materials dar, das umgehend in die Nahrungskette des Riffs wieder eingeschleust werden muss, weil es sonst für die Riffgemeinschaft verloren wäre. Die Wissenschaftler haben kurz vor, während und nach einem Coral Spawning-Ereignis im November 2001 Messungen der biologischen Aktivität in den kalkigen Riffsanden gemessen. Kurz nach der massenhaften Abgabe der Gameten stieg der Sauerstoffverbrauch im Sediment steil an – der Beweis dafür, dass die in den Sedimenten lebenden Mikroorganismen ihre Zersetzungsarbeit aufgenommen haben. Elf Tage danach ging die Aktivität wieder zurück und pendelte sich auf den Ausgangswert ein. Diese Befunde zeigen das enorme Umsetzungspotenzial dieser Riffsande und ihre starke biokatalytische Aktivität.
Titel der Originalarbeit: „Rapid recycling of coral mass spawning products in permeable reef sediments“ , Christian Wild, Ralph Tollrian, Markus Hüttel, Marine Ecology Progress Series 271, 159-166, 2004
Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1, 28359 Bremen
Dr. Christian Wild, cwild@mpi-bremen.de
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