Effiziente Bewegungssteuerung bei Säugetieren
Funktionale Gelenke in Greiforganen sparen Hirnleistung und Energie
Einen Fuß vor den anderen – auch scheinbar einfache Bewegungen sind komplexe Koordinierungsaufgaben. Vor allem für die Handmotorik ist bekannt, dass zielgerichtete Bewegungen für das Gehirn aufwendige „Rechenleistungen“ und hohen Energieverbrauch bedeuten. Können Tiere für einzelne Aktionen ihre Bewegungsmöglichkeiten reduzieren, um Energie zu sparen und trotzdem exakt Zupacken? Die Biologin Franziska Martin von der Freien Universität Berlin hat untersucht, wie afrikanische Elefanten und Klammeraffen ihre flexiblen Greiforgane – Rüssel beziehungsweise Greifschwanz – einsetzen. In ihren Untersuchungen fand Martin heraus, dass die unterschiedlichen Tiere den gleichen mechanischen Trick, das funktionelle Gelenk, anwenden, dem ein gemeinsames Organisationsprinzip zugrunde liegt.
Die Greiforgane Rüssel und Greifschwanz eignen sich auf den ersten Blick nicht für einen Vergleich; zu groß sind die anatomischen und funktionellen Unterschiede. Gleiches gilt eigentlich auch für die Bewegungsvorgänge. Während der Elefantenrüssel meist nach unten gehalten wird und die Bewegungen zur Nahrungsaufnahme vertikal (oben/unten) verlaufen, halten Klammeraffen ihren Greifschwanz immer hoch und beim Hangeln pendelt er horizontal (vorne/hinten). Beide Tierarten können jedoch durch Muskelkontraktionen ihre Greiforgane in zwei Abschnitte unterteilen: Der körpernahe wird zu einer Art stabilem Lastarm, der körperferne Teil bleibt flexibel und schwingt in Richtung nahrhafter Blätter oder Halt bietender Äste.
So entsteht zwischen den Segmenten, an der Biegestelle, ein so genanntes funktionelles Gelenk. Mit diesem Organisationsprinzip reduzieren die Tiere für einzelne Aktionen die Bewegungsmöglichkeiten (Freiheitsgrade) ihres Greiforgans und damit den Energieaufwand für die Koordinationsarbeit – die Steuerung beschränkt sich auf die Biegestelle und die Bewegungen können sich rein mechanisch ergeben.
Auch beim Transport von Blättern vom Baum zum Maul versuchen Elefanten, Energie zu sparen. Das funktionelle Gelenk wandert dabei allmählich in Richtung Kopf, der „Lastarm“ wird kürzer und braucht weniger Kraft. Bei der Fortbewegung der Klammeraffen entsteht durch die beiden unterschiedlich flexiblen Segmente ein peitschenartiger Bewegungsablauf: Der körpernahe Abschnitt pendelt an der Greifschwanzbasis nach vorn, das flexible Schwanzende pendelt an der Biegestelle ebenfalls nach vorn. Erreicht nun das Greifschwanzende einen Ast, schlingt es sich fest um ihn. Weil dabei das stabile Segment (quasi umgekehrt) um die Biegestelle weiter nach vorne pendelt, wird der Affenkörper hochgehoben.
Den Vergleich unterschiedlicher Greiforgane hat Franziska Martin an neun fressenden afrikanischen Elefantenweibchen (Loxodonta africana) und vier hangelnden Klammeraffenweibchen (Ateles geoffroyi) mit einem für Bewegungsanalysen konzipiertem Videosystem (Peak5 Motion Analysis System) durchgeführt. Das gefundene Organisationsprinzip, die Reduzierung von Freiheitsgraden mit funktionellen Gelenken, wird durch eine weitere Tiergruppe bestätigt: Auch bei den Greifarmen von Tintenfischen bilden sich Biegestellen. Für die Evolution flexibler Greiforgane ist die Reduzierung der für die Bewegungsorganisation nötigen Hirnleistungen ein zentraler Selektionsfaktor.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Franziska Martin, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin, AG Humanbiologie und Anthropologie, Tel.: 030 / 838-52965, E-Mail: fmartin@zedat.fu-berlin.de
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