Die einheimische Flora unter die Lupe genommen

BIOLFLOR – so lautet der Name der bislang umfangreichsten Sammlung von Daten über unsere einheimische Pflanzenwelt, die nun im Internet einsehbar und damit für einen breiten Anwenderkreis nutzbar ist.

Sie wird von Wissenschaftlern des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle (UFZ) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlicht und enthält eine umfassende Beschreibung von über 3.600 für die Vegetation Deutschlands und Mitteleuropas maßgeblichen Farn- und Blütenpflanzen. Eine in dieser Vielfalt und Breite bislang einmalige Zusammenstellung, die ihre Nutzer sowohl in der Wissenschaft als auch im praktischen Naturschutz finden soll.

Die Entwicklung von biologisch-ökologischen Datenbanken ist nicht neu, sie begann bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. So entstand im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine Vielzahl von Sammlungen mit biologischen und/oder ökologischen Daten zur einheimischen Pflanzenwelt. Im Unterschied zur jetzt vorgelegten Datenbank beschränkten diese sich jedoch in den meisten Fällen entweder auf kleinere Regionen, oder sie betrachteten weit weniger Pflanzenarten bzw. es wurden weniger Pflanzen-Merkmale beschrieben.

Nicht nur die Möglichkeiten der heute verfügbaren Rechentechnik, sondern auch die Erfordernisse der modernen Ökologie bewog die vom UFZ koordinierte Expertengruppe um Dr. Stefan Klotz, Dr. Ingolf Kühn und Dr. Walter Durka, aufbauend auf der Tradition des Geobotanischen Instituts der Universität Halle, in einer mehr als 10-jährigen Sammel- und Forschungsarbeit bislang vorhandene Daten zusammenzutragen, zu systematisieren und durch neue Forschungsergebnisse zu ergänzen. Maßgeblich unterstützt wurden sie dabei vom Bundesamt für Naturschutz, das sich etwa seit 20 Jahren damit befasst, die von Naturschutz und naturschutzrelevanter Forschung benötigten Bio-Informationen in entsprechenden Informationssystemen bereitzustellen. Den Auf-bau von Biolflor unterstützte das BfN sowohl finanziell als auch durch die Bereitstellung von bereits vorhandenen Daten.

In BIOLFLOR werden mehr als 65 biologisch-ökologische Einzelmerkmale für jede der mehr als 3.600 Pflanzen beschrieben. Dazu zählen bspw. morphologische und genetische Merkmale oder Angaben über Soziologie und Biotopbindung. Aber auch die Herkunft der Arten, einschließlich Einwanderungszeiten und Einwanderungsgrad oder auch Nutzungswerte werden beschrieben.

Diese bislang einmalige breite Charakterisierung der Pflanzenarten eignet sich nicht nur hervorragend für eine Nutzung im Hinblick auf verschiedenste wissenschaftliche Fragestellungen – von der Populationsbiologie bis hin zur Makroökologie (1). Vielmehr bietet sie sich auch als Arbeitsmittel in Naturschutz und Landschaftsplanung sowie Land- und Forstwirtschaft an, denn viele der aktuellen praktischen Probleme können nur in Kenntnis von Biologie und Ökologie der heimischen Flora gelöst werden.

Beispielsweise kann das Überleben einer wild wachsenden Pflanzenart durchaus davon abhängen, ob diejenigen, die ihren Lebensraum (die Wiese, den Wald) nutzen und pflegen, darüber informiert sind, wann sie blüht, wann ihre Früchte reif sind und wann und unter welchen Voraussetzungen die Samen keimen können – oder wie lange Zeit sie im Boden ausharren können, falls die Bedingungen für einen neuen Lebenszyklus gerade ungünstig sind. Mit diesem Wissen sind Praktiker dann in der Lage, z.B. den Mähzeitpunkt sinnvoll anzusetzen, über eine evtl. Auflichtung des Waldes zu entscheiden, das Vieh zum richtigen Zeitpunkt auf die Weide zu treiben oder rechtzeitig Maßnahmen zur Lockerung der Grasnarbe zwecks Schaffung der notwendigen Keimbedingungen zu treffen. Es gibt viele sehr erstaunliche und unerwartete Details, die für das Überleben wild lebender Pflanzen und Tiere entscheidend sein können.

Mit BIOLFLOR haben UFZ und BfN, deren erfolgreiche Kooperation sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen soll, die für Deutschland bisher umfassendste Zusammenstellung an Pflan-zenmerkmalen geschaffen, die es möglich macht, schnell und komplikationslos auf möglichst viele Informationen über Lebensumstände und Lebensbedürfnisse von Pflanzen zuzugreifen und sie miteinander zu verbinden.

1)Die Makroökologie ist ein neuer methodischer Ansatz innerhalb der Ökologie. Innerhalb dessen werden Beziehungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt auf großer räumlicher oder zeitlicher Skale untersucht.

Media Contact

Susanne Hufe UFZ

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