Synthese von polymerem Stickstoff gelungen

Schematischer Querschnitt einer Diamantstempel-Apparatur. Der Strahl eines Infrarotlasers beheizt die Probe, während ein Argonionenlaser zur Anregung eines Rubinsplitters für spektroskopische Druckmessungen dient. <br>Bild: Max-Planck-Institut für Chemie

Mainzer Max-Planck-Forscher haben eine neue Form von Stickstoff hergestellt, die als Energiespeicher dienen könnte

Stickstoff, Hauptbestandteil der Luft, besteht gewöhnlich aus reaktionsträgen Molekülen, in denen zwei Atome dreifach aneinander gebunden sind. Jetzt haben Forscher am Max-Planck-Institut für Chemie erstmals eine polymere kubische Form synthetisiert, in der alle Stickstoffatome mittels kovalenter Einfachbindungen aneinander gebunden sind, ähnlich wie Kohlenstoff im Diamanten. Diese kubische Form hat man bisher bei keinem anderen Element gefunden. Sie hat einzigartige Eigenschaften wie zum Beispiel einen Energieinhalt, der fünfmal größer ist als der der stärksten nichtnuklearen Sprengstoffe (Nature Materials, August 2004, Vorabveröffentlichung 4. Juli 2004).

Bereits seit zwei Jahrzehnten haben Wissenschaftler vorausgesagt, es gebe auch einfach gebundenen Stickstoff. Danach würde der molekulare Stickstoff bei hohem Druck einen atomaren Festkörper bilden mit der Struktur eines kubischen Gitters (cg-N). Seither hat man intensiv nach diesem polymeren Stickstoff gesucht, bei hohem Druck und in verschiedenen Temperaturbereichen. Man fand zwar verschiedene neue Stickstoffphasen, darunter auch eine nichtmolekulare Halbleiterphase, doch niemand konnte bisher polymeren Stickstoff herstellen.

Das ist jetzt Wissenschaftlern der Hochdruckgruppe am Max-Plack-Institut für Chemie gelungen: Sie synthetisierten polymeren Stickstoff direkt aus zweiatomigem Stickstoff bei Temperaturen oberhalb von 2000 Grad Kelvin und Drücken von über 110 Gigapascal (1,1×106 atm). Dazu nutzten die Forscher eine neue Anordnung einer laserbeheizten Diamanthochdruckzelle (Abb. 1). Röntgenbeugungsuntersuchungen und Ramanspektren des transparenten Kristalls belegen, dass sich tatsächlich polymerer Stickstoff mit der theoretisch vorhergesagten kubischen Gitterstruktur gebildet hatte (Abb. 2). Diese Phase mit dem Kompressionsmodul von 300 GPa ist charakteristisch für stark kovalent gebundene Festkörper. „Wir nennen sie deswegen Stickstoff-Diamant“, sagt Mikhail Eremets, einer der Mainzer Max-Planck-Forscher.

Zweiatomiger Stickstoff ist ein reaktionsträger Stoff, weil seine Dreifachbindung eine der stabilsten chemischen Bindungen ist, die wir kennen. Im Gegensatz dazu bilden Stickstoffatome, die mit Einfachbindungen in ein polymeres Netz gebunden sind, ein Material mit hoher Energiedichte. Dies liegt daran, dass bei Stickstoff eine einzigartig große Energiedifferenz zwischen einer Einfachbindung und dem Drittel einer Dreifachbindung besteht. Deshalb wird beim Übergang von der einfach zur dreifach gebundenen Form sehr viel Energie freigesetzt, etwa fünfmal mehr als bei den gefährlichsten Sprengstoffen. Da das einzige Endprodukt dieser Umwandlung gewöhnlicher, umweltfreundlicher Stickstoff ist, wollen die Forscher untersuchen, ob man polymeren Stickstoff als Treibstoff oder Sprengstoff gebrauchen könnte. „Zunächst müssen wir aber versuchen, die Verbindung bei Umgebungstemperatur und -druck zu erhalten“, sagt Eremets.

Originalveröffentlichung:

Eremets, M.I., A.G. Gavriliuk, I.A. Trojan, D.A. Dzivenko and R. Boehler
Single-bonded form of nitrogen, Nature Materials, August 2004; published online 4 July 2004

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Mikail Eremets
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: 06131 305-312
E-Mail: eremets@mpch-mainz.mpg.de

Dr. Reinhard Boehler
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: 06131 305-252
E-Mail: boe@mpch-mainz.mpg.de

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Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

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