Gentherapie: Suche nach dem sanften Weg
Wissenschaftler aus drei Ländern erforschen neuartiges DNA-Transportelement
Angeborene Krankheiten durch das Einbringen funktionsfähiger Gene in den Körper zu heilen: Diesem als „Gentherapie“ bekannten Ansatz wollen Forscher aus drei europäischen Ländern gemeinsam mit einem neuen Wirkprinzip zum Durchbruch verhelfen. Das Forscher-Netzwerk, an dem sich auch die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig (GBF) beteiligt, will dazu einen bestimmten Typ von DNA-Elementen, die so genannten Episomen, für die Anwendung weiterentwickeln. Die Europäische Union unterstützt das „Epi-Vektor-Programm“ mit Fördermitteln.
An die Gentherapie knüpften sich erstmals in den neunziger Jahren große Hoffnungen. Biowissenschaftler und Mediziner versuchten damals, Menschen mit erblichen Defekten zu heilen, indem sie funktionsfähige Versionen der geschädigten Gene in den Körper einschleusten. Die Hoffnungen wurden zum Teil auf grausame Weise enttäuscht: Einige Patienten erkrankten an Krebs und starben.
Professor Jürgen Bode, Arbeitsgruppenleiter an der GBF, ist überzeugt, dass die Ursache in den damals verwendeten Vektoren zu suchen ist – den Transportelementen, mit denen die DNA in die Zellen der Patienten eingeschleust wurde: „Man bediente sich dazu bestimmter, unschädlich gemachter Viren, in deren Erbsubstanz man das gewünschte Gen integrierte“, sagt Bode. „Im Grunde ein sinnvolles Prinzip, denn Viren bauen ihre eigene DNA in die der befallenen Zelle ein – und zwar an den für ihren Fortbestand günstigen Stellen. Dann lassen sie sich von unseren Zellen weitervermehren.“ Aber: „Man hat leider keine Kontrolle darüber, an welcher Stelle unserer Chromosomen dies geschieht.“ Gelangt das Virus in eine für die Zelle wichtige Gen-Region, kann es die Funktion der Erbinformation erheblich stören. Im schlimmsten Fall führt das zum Ausfall von Genen, der sich unter anderem in Krebs äußern kann.
Das Forscher-Konsortium will es jetzt mit einem neuen Typ von Vektoren versuchen: Episomen sind DNA-Elemente, die sich nicht in der Erbsubstanz der Wirts-DNA verankern. Sie heften sich nur an bestimmte Stütz-Moleküle des Zellkerns an – an die gleichen, die auch die menschliche DNA zur Stabilisierung nutzt. Die dafür erforderlichen „DNA-Anker“ konnten im Verlauf des Humangenomprojektes identifiziert und nutzbar gemacht werden. „Damit gelingt es, die stabilisierenden Zellkern-Moleküle gezielt anzusteuern“, erklärt Bode. Die hier konstruierten Episomen sind also unabhängige DNA-Ringmoleküle, die sich einem Chromosom der Wirtszelle anheften. Ihre Information wird gemeinsam mit der der Chromosomen abgelesen, und gemeinsam mit den Chromosomen werden sie bei jeder Zellteilung vervielfältigt.
Ob sich Episomen für eine schonendere Form der Gentherapie eignen könnten, wollen die Forscher des Epi-Vektor-Projekts jetzt herausfinden. Mit schnellen Erfolgen sei allerdings nicht zu rechnen, sagt Bode: „Auch im Fall, dass das Prinzip funktioniert, wären noch umfangreiche Vorarbeiten nötig, bis an einen Einsatz in der Medizin zu denken ist.“
Über das Epi-Vektor-Programm
Am EU-geförderten Forschungsprogramm „Episomal Vectors for human gene therapy“ beteiligen sich sieben wissenschaftliche Einrichtungen aus Deutschland, England und den Niederlanden. Die deutschen Projektpartner sind die Universitäten Witten und Hamburg sowie die GBF in Braunschweig. Koordinator des Forschungsvorhabens ist der Molekularbiologe Dr. Dean Jackson aus Manchester/Großbritannien.
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