Großbritannien: Das Inselparadies der Stammzellforschung
Während Deutschland nach wie vor das Für und Wider abwägt, ist es Forschern in Großbritannien bereits erlaubt: die Erzeugung von menschlichen Stammzellen und -seit August – sogar das Klonen menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken. Warum sind die Stammzellen überhaupt interessant? Warum von München nach Newcastle umziehen? Menschliche Stammzellen sind für die Forschung interessant, weil sie wahre „Alleskönner“ sind: Unter geeigneten Bedingungen können Wissenschaftler aus einer Stammzelle je nach Bedarf eine Hautzelle, eine Nervenzelle, eine Immunzelle oder einen ganz anderen Zelltyp wachsen lassen. Allerdings gibt es ethische Bedenken, besonders gegen die Forschung mit embryonalen Stammzellen.
Das im Januar 2002 beschlossene Klonverbot erlaubt Forschern in Deutschland lediglich, menschliche Stammzellen zu importieren, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Neue Stammzelllinien dagegen dürfen Forscher in Deutschland weder selbst gewinnen noch aus dem Ausland einführen, während es ihren Kollegen (in Europa) in Finnland, Griechenland, den Niederlanden, Schweden und seit kurzem auch in der Schweiz erlaubt ist.
Die besten Bedingungen finden Stammzellforscher jedoch in Großbritannien. Bereits seit Februar 2002 haben zwei Arbeitsgruppen die Genehmigung, neue embryonale Stammzelllinien zu erzeugen. Seitdem hat das Labor von Stephen Minger am Londoner King’s College unter anderem eine neue Stammzelllinie gewonnen, die den Wissenschaftlern bei der Erforschung der Erbkrankheit Mukoviszidose helfen soll.
Noch einen Schritt weiter ist die Universität von Newcastle: Dort dürfen Forscher des Centre for Life seit August sogar menschliche Embryonen zu Forschungszwecken herstellen. Dafür schleusen sie das Erbgut eines Patienten in eine zuvor vom ursprünglichen Erbmaterial befreite Eizelle ein. Aus dieser Zelle können die Wissenschaftler erst Stammzellen erzeugen und diese anschließend zu Zellen reifen lassen, die dem Patienten fehlen – zum Beispiel zu neuen Hautzellen für ein Verbrennungsopfer. So wollen die Arbeitsgruppen von Alison Murdoch und Miodrag Stojkovic – der erst vor zwei Jahren wegen der restriktiven deutschen Gesetzgebung von München nach Newcastle wechselte – unter anderem neue Therapieansätze für die Zuckerkrankheit entwickeln.
Einen Überblick über die Stammzell-Forschung in Großbritannien gibt der Wissenschaftsjournalist Michael Groß, Science Writer in Residence am Londoner Birbeck College, in der Dezember-Ausgabe der „Nachrichten aus der Chemie“. Näheres erfahren Sie von der Redaktion bei der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Varrentrappstr. 40-42, 60486 Frankfurt am Main; Tel. 069 7917462; nachrichten@gdch.de
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