Was essen wir in 20 Jahren?
Kommt die Milch im Jahr 2020 noch von der Kuh oder aus dem Bioreaktor? Werden durch den globalen Handel vermehrt Rentierfleisch und Straußensteak neben den gewohnten Fleischsorten auf dem deutschen Speisezettel stehen? In seiner neusten Ausgabe befragt der ForschungsReport, das Wissenschaftsmagazin des Senats der Bundesforschungsanstalten, 10 renommierte Experten nach ihren Vorstellungen zur Ernährung und Landbewirtschaftung in 20 Jahren.
Keine völlig neuen Nahrungsmittel sieht Professor Bernhard Tauscher, Leiter der Bundesforschungsanstalt für Ernährung (BFE), in den Supermarktregalen der Zukunft. Wohl aber Produkte, in die die wissenschaftlichen Erkenntnisse über gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe eingegangen sind: Lebensmittel, die einen gesteigerten Anteil an wertgebenden Wirkstoffen aufweisen, wie zum Beispiel den roten Tomaten-Farbstoff Lycopin, der eine vorbeugende Wirkung gegen bestimmte Krebsarten hat. Denkbar auch das angereicherte Mineralwasser, das den Blutdruck reguliert. Functional food, aber auch natürliche Lebensmittel hoher Qualität werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Ob das Thema BSE zur never ending story wird und uns auch noch in 20 Jahren beschäftigt, vermag Dr. Martin Groschup, BSE-Experte an der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, heute noch nicht zu sagen. Die Zahl der Neuerkrankungen bei britischen Rindern sei zwar zurückgegangen, aber nicht in dem Maße wie erwartet. Um so größere Bedeutung komme dem vorbeugenden Gesundheitsschutz und einer wissenschaftlichen Vorsorgeforschung zu.
Zurückhaltung auch bei Dr. Joachim Schiemann, dem Fachgruppenleiter für Sicherheitsforschung an der Biologischen Bundesanstalt (BBA), bei der Frage, ob sich gentechnisch veränderte Pflanzen in 20 Jahren weltweit durchgesetzt haben. In Europa sieht er für die nächste Zeit keinen Markt für Nahrungsmittel aus transgenen Pflanzen. Doch in den bevölkerungsreichen Schwellenländern Asiens erwartet der Biochemiker auf diesem Gebiet eine stürmische Entwicklung. Sicher ist für ihn: Die Entwicklung neuer transgener Pflanzen wird ungebrochen weitergehen – aber zunehmend orientiert an einem Leitbild, das verbesserte Ökobilanzen und den Nutzen für den Verbraucher überzeugend demonstriert.
Nach Ansicht von Dr. Meinolf Lindhauer, dem Präsidenten des Senats der Bundesforschungsanstalten, werden die Erkenntnisse der modernen Ernährungsmedizin und -physiologie die Marketing-Fantasie der Lebensmittelwirtschaft beflügeln und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher in bisher nicht gekanntem Maße erweitern. Doch wie die Verbraucher sich letztlich entscheiden, bleibt nach wie vor ihre Sache. Und da wird auch in zwei Jahrzehnten nicht immer die Gesundheitsvorsorge im Vordergrund der Kaufentscheidungen stehen. So ist Ernährungsforscher Tauscher denn auch überzeugt: „Wer sich falsch ernähren will, wird diese Chance auch noch in 20 Jahren haben!“
Der ForschungsReport 1/2000 ist kostenlos zu beziehen über die Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsanstalten, Tel.: 0531/299-3396, eMail: senat@bba.de
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