Proteinfaltung und -aktivierung: Hinweise auf Entstehung von Krebs und Alzheimer
- Proteine bei der Arbeit beobachten
- Hinweise auf Entstehung von Krebs und Alzheimer
- RUB-Forscher sehen Proteinfaltung und -aktivierung
Mit der Fourier Transform Infrarot (FTIR) Differenzspektroskopie ist es der Arbeitsgruppe des Bochumer Biophysikers Prof. Dr. Klaus Gerwert (Fakultät für Biologie der RUB) gelungen, die Arbeit von Proteinen in Echtzeit und atomarer Auflösung zu beobachten. So konnten die Forscher z. B. den Vorgang ihrer Faltung dokumentieren. Eine fehlerhafte Proteinfaltung scheint Auslöser von so genannten Amyloiderkrankungen wie Alzheimer und der Creutzfeld-Jakob-Krankheit zu sein. Auch für die Entwicklung neuer Krebsmedikamente liefert die Methode vielversprechende Erkenntnisse. Sie macht die Aktivierung des Ras-Proteins sichtbar, das in mutierter Form krebserregend wirkt.
Kompletter Film von der Proteinarbeit
Nachdem das menschliche Genom entschlüsselt ist, rückt die Untersuchung der Struktur und der Funktion von Proteinen in den Fokus der Bio-Wissenschaftler. Die Auflösung der dreidimensionalen Raumstruktur von kristallisierten Proteinen ist dabei beinahe Routine für Röntgenstrukturanalytiker. Allerdings liefert die Röntgenstrukturanalyse nur Bilder eines einzelnen „eingefrorenen“ Proteinzustands, aber keinen kompletten Film über die Arbeitsweise von Proteinen. Das Verständnis ihrer Arbeitsweise ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für biotechnologische Anwendungen und rationale Medikamentenentwicklung.
Micromischzelle regt Proteine an
Der Bochumer Arbeitsgruppe ist jetzt ein entscheidender Durchbruch gelungen, der in zwei kürzlich erschienenen Arbeiten in den international renommierten „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ (PNAS) beschrieben ist. Mit der zeitaufgelösten FTIR Differenzspektroskopie lassen sich Proteine bei der Arbeit in Echtzeit mit atomarer Auflösung beobachten. Handelt es sich dabei um Photorezeptoren, können die Proteine direkt mit einem kurzen, gepulsten Laserblitz gezielt angeregt werden. Eine solche Untersuchung ist im Frühjahr in nature structural biology (s.u.) beschrieben und mit einem news and views Kommentar gewürdigt worden. Die meisten, insbesondere medizinisch relevanten Proteine tragen allerdings keine solche lichtaktivierbare „chromophore“ Gruppe. Prof. Gerwert entwickelte daher zusammen mit Bob Austin, Princeton, USA, mit nanotechnologischen Methoden eine Micromischzelle. In ihr kann das Protein mit einer Startersubstanz in weniger als einer Millisekunde gemischt werden. Die durch Mischung angeregte Proteinreaktion können die Wissenschaftler dann im IR zeitaufgelöst untersuchen.
Zwischenstufe beschleunigt die Faltung
Mit diesem neuen Ansatz konnten sie zum ersten Mal eine beta nach alpha-Proteinfaltungsreaktion beobachten. Die umgekehrte Umfaltung von alpha nach beta scheint die so genannten Amyloiderkrankungen wie Creutzfeld-Jakob und Alzheimer auszulösen. Bei der Studie entdeckten die Forscher erstmals eine kompakte Zwischenstufe. Mit diesem Ergebnis können sie den ungewöhnlich schnellen Faltungsübergang erklären: Das Protein bleibt für den Übergang kompakt und muss sich nicht entfalten. Zurzeit wird in Gerwerts Labor der alpha nach beta-Übergang von Prionen untersucht.
Mutiertes Ras wirkt krebserregend
In der zweiten PNAS Arbeit, die in dieser Woche erschienen ist, untersuchte die Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit Prof. Fred Wittinghofer vom Max Planck Institut für Molekulare Physiologie in Dortmund die GAP (G-aktivierendes Protein) Aktivierung von sogenannten Ras Proteinen. Die GTP (Guanosintriphosphat) bindenden Ras Proteine spielen eine zentrale Rolle in der Signalübermittlung. Sie katalysieren die Hydrolyse von GTP zu GDP (Guanosindiphosphat) und Pi (anorganischer Phosphatrest). Bestimmte Mutanten von Ras können von GAP nicht mehr aktiviert werden und wirken dann krebserregend, weil der signalweiterleitende GTP Zustand angereichert wird.
Entdeckung hilft Medikamente entwickeln
Die Aktivierung des Ras Proteins durch GAP konnte dank der FTIR Spektroskopie zum ersten Mal in Echtzeit mit atomarer Auflösung untersucht werden. Dabei zeigte sich ein Zwischenstadium, in dem das vom Ras freigesetzte anorganische Phosphat sich nicht direkt löst. Überraschenderweise bleibt es an den RasGAP Komplex gebunden, bevor es im geschwindigkeitsbesimmenden Schritt vom Proteinkomplex freigesetzt wird. Aus den Ergebnissen lassen sich neue mechanistische Vorstellungen ableiten, die bei der Entwicklung neuer Krebsmedikamente helfen. Mit diesem neuen „assay“ können Wirkstoffe jetzt gezielt daraufhin untersucht werden, ob sie krebserregende Ras Mutanten wieder aktivieren können.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus Gerwert, Fakultät für Biologie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24462, Fax: 0234/32-14238, E-Mail: gerwert@bph.ruhr-uni-bochum.de,
Dr. Mathias Lübben, Fakultät für Biologie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24465, Fax: 0234/32-14626, E-Mail: luebben@bph.ruhr-uni-bochum.de
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